„Viefalt der Themen ist so bunt wie das Alltagsleben“
Der Vormarsch der sozialen Netzwerke im Internet schreitet seit Jahren unaufhaltsam voran. So auch in Brühl. Was vor kurzer Zeit fast ausschließlich Teens und Twens als interaktive Kommunikationsplattform diente, wird heutzutage von Menschen jeden Alters genutzt. Seit einem Dreivierteljahr gibt es bei Facebook auch die Gruppe „Achtet auf Brühl!“, in der aktuelle Brühler Themen von mittlerweile über 500 Mitgliedern kontrovers diskutiert werden. Wir haben uns mit den Administratoren Susanne Breuer, Sonja Tillmann und Alexander Gonscherowski unterhalten.
Gerade Jugendliche finden es oft nicht amüsant, dass sich ihre Eltern, manchmal sogar auch ihre Großeltern bei Facebook, einem der bekanntesten sozialen Netzwerke, anmelden. Denn das Prinzip bei Facebook ist es, virtuelle Freundschaften zu schließen. Man meldet sich dafür bei Facebook an, legt seine persönliche Seite fest, die man mit Informationen zu seiner Person und auch Fotos füttern kann. Und dann sucht man nach Freunden und stellt per Mausklick Freundschaftsanfragen. Wenn diese bestätigt werden, können diese Freunde die eigene Seite besuchen und sich informieren. Es können Bewertungen über Fotos, das berühmte „Daumen hoch“-Symbol auf Freundesseiten abgeben werden oder auch Gespräche im Frage-Antwort-Stil stattfinden. Dabei kann sehr genau unterschieden werden, wer was zu sehen bekommt.

Als die ältere Generation anfing, sich als Teilnehmer bei Facebook anzumelden, wurden natürlich als Erstes Freundschaftsanfragen an die eigenen Kinder und Verwandten gesendet. Wurden diese bestätigt, waren Eltern in der Lage, zu sehen, was die eigenen Kinder im Netz und in ihrer Freizeit so treiben. Das brachte regen Diskussionsbedarf in das reale Leben so mancher Familie und Facebook erhielt dadurch auch zusehends eine regionale und lokale Bedeutung.
Eine weitere Besonderheit bei Facebook ist, wiederum nach Einladungsprinzip Gruppen gründen zu können, etwa für Hobby und Freizeit oder als Fan eines Fußballvereins. So kam es, dass viele Brühler, die sich zwar nur „per Gesicht“ kannten, auf einmal virtuelle Freunde wurden und gemeinsame Interessen teilten.
Davon inspiriert wollte auch Alexander Gonscherowski, Mitarbeiter des Brühler Bilderbogens und Facebook-Mitglied, eine Gruppe für Brühl gründen. Als langjähriger Brühler Bürger und auch durch die Arbeit beim Brühler Bilderbogen wird man mit vielen Brühler Themen und Sachverhalten konfrontiert, die erst einmal überhaupt nichts mit redaktionellen Inhalten eines Kulturmagazins zu tun haben. Schließlich ist man ja auch irgendwann am Tag nach Feierabend Privatmensch mit eigener Meinung und wundert sich als Bürger über manche Brühler Zustände. Dafür sollte jetzt eine öffentliche Plattform her, denn viele Brühler äußerten bereits auf ihren eigenen Facebookseiten ihren Unmut über Dinge, die sie in Brühl störten.
Eher zufällig und mit ironischem Grundton wurde dann die Gruppe „Achtet auf Brühl!“ nach dem gleichnamigen, fast vergessenen, alten Slogan der Brühler Stadtverwaltung gegründet. Dieser Slogan befand sich als Aufdruck auf einem völlig ramponierten städtischen, blauen Papierkorb in der Innenstadt. Dieser Abfalleimer war auch das erste Fotomotiv, das in der Gruppe veröffentlicht oder neudeutsch: gepostet wurde. In der Folgezeit postete Alexander Gonscherowski als Gruppengründer und sogenannter Administrator weitere Brühler Fotomotive, auf denen Missstände von Zerstörung und Verwahrlosung im öffentlichen Brühler Straßenland zu sehen waren und versah diese mit ironischen Kommentaren. Freunde, die der Gruppe beitraten, gaben gern ihren Senf dazu. Anfangs wuchs die Mitgliederzahl der „Achtet auf Brühl“-Gruppe, kurz: „AaB“, recht gemächlich und auch die Kommentare waren noch übersichtlich. Das änderte sich schlagartig, als der Bürgermeister-Wahlkampf in Brühl begann und in der Gruppe rege über die politischen Inhalte der Bürgermeisterkandidaten diskutiert wurde. Als Gruppengründer und Administrator einer Facebook-Gruppe kann man direkten Einfluss auf die Kommentare der Gruppenmitglieder ausüben sowie auch Mitglieder aus der Gruppe entfernen. Weiterhin kann man die Beiträge von Mitgliedern zensieren und Texte und Fotos einfach löschen.

Brühler Reizthemen diskutieren
„Gerade die Zensur wollte ich in der „AaB“-Gruppe verhindern. Als Mitglied in anderen Brühl-Gruppen ist mir die Zensur von anderen Administratoren übel aufgestoßen. Dort wurden kritische Beiträge, wie etwa zu dem heiß diskutierten Brühler Thema Phantasialanderweiterung, einfach gelöscht. Innerhalb der  „AaB“-Gruppe sollte größtmögliche Meinungsfreiheit herrschen“.
Wenn es aber um aktuelle Kommunalpolitik und Brühler Reizthemen ging, wurde auch der Umgangston zwischen den Gruppenmitgliedern rauer. Ein weiteres Problem stellten Gruppenmitglieder dar, die nicht mit ihrem richtigen Namen, sondern mit Phantasienamen oder Pseudonymen bei Facebook angemeldet sind. Gerade diese Personen beleidigten im Schutz ihrer Anonymität andere Gruppenmitglieder und verbreiteten, zum Entsetzen aller, vereinzelt sogar rechtsradikales Gedankengut. Es galt für den Administrator, diese unliebsamen Personen rechtzeitig aus der Gruppe zu entfernen und auch Heißsporne, die sich im Umgangston gegenüber anderen vergreifen, zu ermahnen. Aufgrund der immer größeren Anzahl von Gruppenmitgliedern und damit auch steigenden Zahl von Kommentaren wuchs Alexander Gonscherowski seine Administratortätigkeit aber langsam über den Kopf, da er nicht jede Minute des Tages die Gruppe am Computer kontrollieren konnte. Zum Glück bietet Facebook die Möglichkeit, dass ein Gruppengründer und Administrator auch andere Mitglieder seiner Gruppe zu gleichberechtigten Administratoren ernennen kann. So fiel die Wahl dann schließlich auf die Brühlerinnen Susanne Breuer und Sonja Tillmann, die als rege Gruppenmitglieder in Diskussionen immer einen kühlen Kopf bewahrten und sich besonders durch konstruktive Beiträge auszeichneten. Allen Mitglieder der Gruppe wurden die Entscheidung für die beiden neuen „AaB“-Administratorinnen öffentlich mitgeteilt.
„Am Anfang war es etwas ungewohnt, auf einmal Mitverantwortung für diese Facebook-Gruppe zu übernehmen, aber mit der Zeit hatten Sonja und ich als Administratoren Spaß, positiven Einfluss auf die Gruppe zu nehmen, ohne zensieren zu müssen. Mir ist es besonders wichtig, darauf einzuwirken, dass der Grundton in Diskussionen untereinander immer respektvoll, sachlich und höflich bleibt. Klar wird hier heiß diskutiert, aber bitte ohne persönliche Beleidigungen und üble Stammtischparolen“, meint Susanne Breuer.
Für Sonja Tillmann ist als Administratorin auch der Humor innerhalb der Gruppe und auch deren Beiträge wichtig. „Gerade Personen, die durch andauernde Nörgelei in ihren Beiträgen auffallen, kann man mit einem humorvollen Kommentar den Wind aus den Segeln nehmen oder auch wieder zur Versachlichung des Themas beitragen“, sagt Sonja Tillmann.
Mit der Administratortätigkeit der beiden Frauen, die mit ihren Familien mit Kindern in Brühl leben, kam auch thematischein neuer Wind in die „AaB“-Gruppe, denn es wurden auch Themen wie etwa auch die Schulsituation in Brühl, Zustände von Kinderspielplätzen oder das Thema Sicherheit in Beiträgen angesprochen. Weiterhin wurden durch Susanne Breuer und Sonja Tillmann neue Schwerpunkte gesetzt, wie etwa Hinweise, neudeutsch auch: Links, auf die Internetseiten der lokalen Tagespresse.
„Die Vielfalt der Themen, die mittlerweile in der „AaB“-Gruppe diskutiert werden, ist so bunt wie das Alltagsleben und spiegelt sehr viel Brühler Realität bestens wider“, bestätigt Susanne Breuer. Zur Freude aller Administratoren wurden in den Zeiten des Brühler Wahlkämpfe auch einige bekannte Brühler Kommunalpolitiker Gruppenmitglieder und informieren seitdem alle Mitglieder mit großem Engagement über aktuelle Brühler Kommunalpolitik. „Hier in der „AaB“-Gruppe ist sie bereits ansatzweise zu finden, die von Bürgern immer geforderte Transparenz von Politik“, freut sich Susanne Breuer. „Selbst der Brühler Bürgermeister Dieter Freytag ist seit seinem Wahlkampf interessiertes Gruppenmitglied und schaut ab und zu in der „AaB“-Gruppe vorbei, um sich über Themen von Brühler Bürgern zu informieren,“ lobt Sonja Tillmann. Spannend ist für beide auch, wie sehr die Aktivität in der Gruppe zur Vernetzung im realen Leben beiträgt, da Personen aus dem Brühler Alltag über Facebook plötzlich einen Namen, ein Gesicht oder gemeinsame Interessen bekommen. Einen kleinen Wermutstropfen für die „AaB-Gruppe“ gibt es momentan leider immer noch, da sind sich alle Administratoren einig. In der Gruppe herrscht politisch immer noch ein Ungleichgewicht, das eher zu rot-grün tendiert. „Mit Freude würden wir in Zukunft gern viel mehr Brühler Bürger und Bürgerinnen mit konservativer oder liberaler Gesinnung in der „AaB-Gruppe“ begrüßen“, meint Sonja Tillmann.