„Abwechslung reinbringen, ohne den Rahmen zu sprengen“

In den Kirchen der Brühler Innenstadtpfarreien laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Viele ehrenamtliche Helfer treffen sich regelmäßig und in immer kürzeren Abständen. Sie diskutieren und planen. Sie steigen Kellertreppen hinunter. Sie schleppen Kartons, schwere Balken oder Dachziegel, und auch eine ganze Reihe von verschiedenen Stoffen sowie größere und kleinere Figuren und allerlei Getier in Puppenform wurde bereits gesichtet. In der Kirche von St. Margareta wurde sogar eine Sichtblende vor dem Hauptportal montiert. Zugang zum Raum dahinter hat nur ein kleiner ausgewählter Personenkreis. Zugang haben nur: die Krippenbauer.

Sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten, sie sind zwischen 35 und 90 Jahre alt und sind Akademiker, Handwerker, Kaufmänner, Hausfrauen oder Rentner. Sie alle haben sich im Pfarrbüro St. Margareta in der Pastoratstraße 20 eingefunden, um uns von den Besonderheiten ihrer Tätigkeit und den Herausforderungen beim Bau einer Weihnachtskrippe in ihrer jeweiligen Kirche zu berichten.

Wann erstmals eine Weihnachtskrippe in einer Brühler Kirche aufgebaut wurde, weiß heute keiner mehr so genau. Dagegen ist überliefert, dass Franz von Assisi im Jahr 1223 in Greccio die Weihnachtsszene mit lebenden Menschen und Tieren nachstellte. Die 1562 in Prag von Jesuiten aufgestellte Weihnachtsdarstellung gilt als die erste Nennung einer Krippe im heutigen Sinn. „Die Krippen in den katholischen Kirchen in Brühl haben alle ihr eigenes Aussehen und ihre eigene Größe“, erzählt Jutta Heuser, die Küsterin von St. Margareta, St. Heinrich und St. Marien. „Und sie haben entsprechend den räumlichen Voraussetzungen der Kirchen andere Möglichkeiten und Standorte.“

Der Krippe von St. Heinrich fällt aber selbst unter diesen ganz unterschiedlichen Voraussetzungen eine Sonderrolle zu. Im Gegensatz zu den anderen Brühler Weihnachtskrippen ist sie schon während der gesamten Adventszeit zu sehen und ändert alle zwei Wochen ihr Aussehen. Im vergangenen Jahr kam den Eheleuten Josefine und Willi Jezewski gemeinsam mit Wolfgang Bertram und Diakon Albert Krämer die Idee, das Weihnachtsgeschehen in sechs aufeinander folgenden Abschnitten darzustellen. Es begann Ende November mit dem ersten Bild mit der Verkündung durch den Engel Gabriel und endet Anfang Februar an Maria Lichtmess mit dem Bild der Flucht nach Ägypten. Zum besseren Verständnis hat der Diakon erklärende Hinweistafeln aufgestellt, auf denen die entsprechenden Bibelstellen in Schrift und Bild festgehalten sind.

 

Krippen mit technischen Finessen

Bei der zumeist sehr aufwendigen Gestaltung ihrer Krippen haben die Bastler freie Hand. Die Pfarrer mischen sich nicht ein, es gibt höchstens einmal einen dezenten Hinweis. Der Bau der Krippe von St. Margareta ist teilweise richtige Plackerei und körperlich durchaus anstrengend. Das Podest, auf dem die Krippe steht, muss in jedem Jahr neu aufgebaut werden. Die einzelnen Teile werden in einem Keller gelagert und müssen dann per Sackkarre zur Kirche transportiert werden.

„Das Dach der Krippe wird mit richtigen Dachziegeln eingedeckt“, sagt Hans Cyrus, der als Elektriker in Köln arbeitet und für alle elektrischen Arbeiten zuständig ist, inklusive für das Funktionieren der Zeituhr des Zierbrunnens der Krippe. Auch in St. Heinrich gibt es einen Zimmerbrunnen, der aber während der Gottesdienste ausgeschaltet wird, da dessen permanentes Plätschern bei Gottesdienstbesucherinnen menschliche Bedürfnisse beschleunigte.

Die meisten Krippen sind auch mit Pflanzen ausgestattet. Leo Bonk beispielsweise fährt extra in die Eifel, um für die Krippe von St. Margareta Moos zu besorgen. Josefine und Willi Jezewski beginnen auch bereits im Sommer bei Spaziergängen damit, Baumrinden oder Wurzeln für die Krippen zu sammeln. „Nach Ostern dreht sich alles um die Krippe“, gestehen sie lachend. Trotz aller Planung wird beim Bau der Krippen aber immer noch viel improvisiert. Für jede Kirche ist ein eigener Arbeitskreis verantwortlich, bei dem jeder gerne mitmachen kann. „Wir treffen uns oft im Vorfeld und besprechen die Details“, sagt Willi Jezewski. „Wir wollen Abwechslung reinbringen, aber es soll auch nicht den Rahmen sprengen.“

 

Viele Figuren sind über 100 Jahre alt

„Wenn die Krippen stehen, ist richtig etwas los“, freut sich Jutta Heuser. „Die Leute kommen extra vorbei, um sie sich anzusehen und haben ihre Freude daran. Die Krippen sind das Resultat der Gemeindearbeit. Es macht unheimlich viel Spaß, vor allem, weil wir eine sehr positive Resonanz bekommen.“ Die Krippe von St. Margareta ist regelrecht „begehbar“. „Man kann in die Krippenatmosphäre eintauchen“, meint Hans Cyrus.

Doch was wäre die schönste Krippe ohne die dazugehörenden Figuren? In St. Marien sind die knapp 20 cm großen Figuren oftmals über 100 Jahre alt. Einige von ihnen haben sogar die Bombenangriffe von 1944 überstanden. In St. Margareta sind sie mit rund 60 cm erheblich größer. Die Figuren werden zusammengesteckt und dann in feines, aber nicht zu feines Tuch gewandet – es wurde einst bemängelt, die Figuren seien zu fein angezogen. Adelheid Berg, Gisela Dahm und Ingeborg Busch nähen etwa die Kleider der Puppen von St. Margareta in liebevoller Handarbeit. Auch die Tierfiguren bestechen durch hohe handwerkliche Qualität und stehen manchmal auch eine eigene Geschichte. Das schwarze Schaf in der Krippe von St. Heinrich erinnert beispielsweise daran, dass in der Pfarrei Ende der neunziger Jahre Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt wurde.

Finanziert werden die Krippen durch Spenden, durch Sammlungen aus dem Opferstock und durch das große persönliche Engagement der freiwilligen Helfer, die sich ständig darüber Gedanken machen, wie sie ihre Krippen noch schöner gestalten können. Manchmal unternehmen sie dann einen Ausflug in das Städtchen Losheim, wo die „Krippana“, die größte Dauerausstellung von Krippen und allem erdenklichen Zubehör, zu sehen ist. Gekauft haben sie nicht allzuviel, schmunzelt Markus Jouaux. „Wir haben die besten Sachen lieber fotografiert und selbst nachgebaut.“ Wie das im Detail aussieht, wird hier nicht verraten. Am Besten, Sie schauen es sich in der Weihnachtszeit einmal selber an.

Tobias Gonscherowski