„Kultur darf man nicht nur betriebswirtschaftlich analysieren“

„Kultur darf kein Luxusgut sein – Kultur bedeutet geistiger Fortschritt. ,Kultur für alle‘ vermittelt Werte wie Qualität, Innovation, Individualität, Verantwortungsbewusstsein und fördert Geist und Sinne. Eine Kultur zu fördern, die sich der ausbreitenden Oberflächlichkeit und Ich-Bezogenheit entgegenstellt und allen zugänglich ist – auch das ist der Auftrag des Veranstaltungsmanagements.“


 
So steht es im „Jahresbericht Kulturreihen 2006“ der Stadt Brühl. In diesem Jahr sieht der städtische Kulturetat Einsparungen von rund 30 Prozent vor. Dennoch soll es gelingen, keine Abstriche bei der Qualität hinnehmen zu müssen. Wie das realisiert werden soll, verrieten uns der Kulturdezernent Andreas Brandt und der Fachbereichsleiter Dieter Nahlik im persönlichen Gespräch.
 


 

BBB: Herr Brandt, zu welchen Ergebnissen haben die Haushaltsberatungen in Bezug auf die städtischen kulturellen Veranstaltungen geführt?
 
Andreas Brandt: Wir haben in Brühl ein kulturelles Angebot, das man in vergleichbaren Städten vergeblich sucht. Diese immense Bandbreite ist ein Faktor des Stadtmarketings und wichtig für die Außendarstellung Brühls. Wir wollen diesen Zustand erhalten, fortentwickeln und gleichzeitig den neuen Erfordernissen anpassen. Die Haushaltsberatungen sind noch nicht zu Ende. Die Vorschläge der Verwaltung wurden aber akzeptiert. Ziel ist, die Ausgaben durch Umstrukturierungen zu reduzieren. Einerseits durch Einnahmesteigerungen und andererseits durch Ausgabenminderungen. Das Bewährte kann erhalten bleiben. Dazu zählen besondere Veranstaltungen wie der brühler markt und die Figurentheatertage.
 
Dieter Nahlik: Der brühlermarkt wurde 1976 ins Leben gerufen, um Kultur auf die Straße zu bringen. Bei Open-Air-Veranstaltungen zum Nulltarif sollte die Schwellenangst der Menschen überwunden werden. Wir haben damals bereits quasi die Aktion „Ab in die Mitte“ vorweggenommen. Diese Angebote „Kultur für alle“ waren sehr erfolgreich. 
 
BBB: Aber wie wollen Sie das angesichts leerer städtischer Kassen finanzieren?
 
Brandt: Die Kalkulation für den brühlermarkt in diesem Jahr sieht ein Defizit in Höhe von rund 5.000 Euro vor. Wir haben Ausgaben in Höhe von 88.000 Euro ohne Personalkosten und erwarten Einnahmen von rund 83.000 Euro. Bei gutem Wetter und gut besuchten Veranstaltungen kann auch daraus eine schwarze Null werden. Wenn man die Personalkosten der festangestellten Mitarbeiter jetzt umlegt auf die Veranstaltungen, kommt man auf eine Unterdeckung in Höhe von 48.000 Euro. Das Problem dabei ist, dass das Personal für diese Veranstaltungen zuständig ist und dafür angestellt wurde. Es ist daher schwierig, die Kosten exakt auf den Punkt zu bringen. Wir können dieses Defizit aber bei dem Angebot, das wir bieten, sehr gut vertreten.

BBB: Wie sehen denn die genauen Zahlen aus?
 
Nahlik: Das gesamte Budget für das Veranstaltungsmanagement belief sich 2005 auf 354.000 Euro. 2006 waren es 381.000 Euro. In diesem Jahr haben wir 257.000 Euro angesetzt. Wir haben den Zuschuss um über 30 Prozent reduziert. Die Kultur muss für die Stadt bezahlbar bleiben. Dennoch sollte es nach Möglichkeit keine Qualitätsverluste geben. Wir werden diesem Anspruch gerecht, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.

BBB: Es ist aber kaum vorstellbar, dass Sie mit 30 Prozent weniger Etat eine gleiche Qualität der Veranstaltungen erreichen können. Auf welchen Grundlagen basieren Ihre Berechnungen?
 
Nahlik: Nun, diese Berechnungen führen wir auf die sehr guten Ergebnisse im ersten Halbjahr zurück. Unsere Veranstaltungen waren im Schnitt zu 90 Prozent besucht, die meisten waren ausverkauft. Die Einnahmeentwicklung war überaus positiv. Im Rahmen des brühlermarkts werden wir zwei Veranstaltungen doppelt belegen. „Basta“ und „Köbes Underground“ werden zusätzlich im Tanzsportzentrum zu sehen sein, wo bis zu 800 Besucher erwartet werden. Diese Veranstaltungen rechnen sich. Außerdem arbeiten wir mit weniger Aushilfen. Wir reagieren flexibel auf Entwicklungen. Alle Veranstaltungen werden untersucht. Sie dürfen aber die Kultur nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten analysieren. Dann wären wir nicht die Kulturstadt Brühl. Die Mischung muss stimmen.

BBB: Gibt es Überlegungen, wie der brühlermarkt noch optimiert werden könnte?
 
Nahlik: Ja. Wir wollen wieder die Open-Air-Veranstaltungen aufwerten und größere Eröffnungs- und Abschlussfeste veranstalten. Das Ambiente in Brühl sucht seinesgleichen.

BBB: Wobei der Dorothea-Tanning-Saal für manche Veranstaltungen überdimensioniert erscheint.
 
Nahlik: Wir haben zwei hervorragende Veranstaltungssäle. Der Dorothea-Tanning-Saal im Max Ernst Museum bietet 342 Plätze. Er wird inzwischen nach einem kleineren Einbruch im vergangenen Jahr sehr gut angenommen und ist zu 90 Prozent ausgelastet. Und die Galerie am Schloss mit ihren 152 Plätzen eignet sich ideal für Kleinkunstangebote.
 
BBB: Und wenn der Vorverkauf einmal schleppend läuft, sorgen städtische Mitarbeiter – mit Freikarten ausgestattet – für einen vollen Saal?
 
Nahlik: Das sind ärgerliche Unterstellungen, die so auch überhaupt nicht stimmen. Es werden schon seit langer Zeit keine Freikarten mehr an städtische Angestellte ausgegeben. Das hat es vereinzelt vielleicht früher einmal gegeben, aber das liegt schon lange zurück.

BBB: Wo haben Sie Einsparungen vornehmen müssen?
 
Brandt: In Brühl gibt es ja nicht nur die städtischen Veranstaltungen. Es geschieht noch viel mehr durch private Initiativen wie die Schlosskonzerte, die vielen Vereine und Chöre, der Stadtlauf, die Märkte. Dabei wollen wir unterstützend tätig sein, Auftrittsmöglichkeiten bieten und teilweise Zuschüsse leisten. Wir tun das sehr gerne, weil es wichtig für den Bereich des persönlichen Miteinanders ist. Leider mussten wir die Kulturförderung der Vereine für Kultur und Brauchtum aber um 10 Prozent gekürzt.

BBB: Welche Bereiche sind tabu und bleiben von Kürzungen verschont?
 
Brandt: Bei Schule und Bildung wurden keine Zuschüsse gestrichen. Das ist ein Tabubereich. Das zweite große Thema ist die Kunst- und Musikschule. Sie genießt einen herausragenden Ruf, die Erfolge bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ sprechen für sich. Sie ist ein wesentliches, ein weiteres Angebot in der Schullandschaft. Sie ist ein Ansporn zu anderen Leistungen. Sie ist unter dem Strich außerordentlich erfolgreich. Wir tun sehr viel für die Zukunft der Kinder.
 
Der Schul- und Kulturstandort Brühl ist herausragend. Wir haben besser ausgebildete Schüler. Das spricht für Brühl und ist ein wesentlicher Standortfaktor. Es gibt Querverbindungen zwischen den Schulen, den Grundschulen, den offenen Ganztagesschulen, der Hauptschule. Wir haben das Konzept „Klassen musizieren“ ins Leben gerufen. Wir stellen Klassen ein Instrument zur Verfügung. Ein Dozent der Musikschule geht dann in die Klasse und lehrt die Kinder, darauf zu spielen.

BBB: Inwieweit wurden Vorschläge der Krups-Untersuchung berücksichtigt?
 
Brandt: Viele der Krups-Vorschläge waren ja nicht neu. Wir haben schon 2001 damit begonnen, neue Dozenten nur noch auf Honorarbasis anzustellen und alles sozialverträglich und im Rahmen der natürlichen Fluktuation umzustellen. Unsere Aufgabe ist es, die Vorgaben des Rates und den Haushalt umzusetzen. Wir sind diesem politischen Auftrag nachgekommen, die Zuschüsse zu reduzieren. Wir haben unsere Hausaufgaben für 2007 sehr gut erledigt.


Andreas Brandt ist seit dem 1.8.2003 Dezernent für Kultur, Schule und Sport, Recht, Ordnung, Tiefbau und öffentliche Einrichtungen und außerdem 1. Beigeordneter und Werkleiter. Andreas Brandt ist 43 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist Diplom-Verwaltungswirt und Volljurist. Seine Hobbys sind Fahrradfahren und der Besuch kultureller Veranstaltungen.
 
Dieter Nahlik arbeitet seit dem 1.4.1965 bei der Stadt Brühl. Der Diplom-Verwaltungswirt hat in dieser langen Zeit fast alle Ämter durchlaufen und ist zurzeit Leiter des Fachbereichs Kultur, Schule und Sport. Der gebürtige Brühler ist 56 Jahre alt und hat ebenfalls drei Kinder. In seiner Freizeit joggt er gerne oder er sieht sich Sportveranstaltungen an. Außerdem gehört er dem Vorstand der Stiftung Max Ernst ebenso an wie dem Vorstand der Brühler Schlosskonzerte.
 
Tobias Gonscherowski