Am 7. Oktober 1918, einen Monat vor Ende des Ersten Weltkrieges, heirateten Luise Straus und Max Ernst in Köln. Die Kommilitonin aus der Bonner Studienzeit hatte während der Kriegszeit als Kunsthistorikerin promoviert. Von Ostern 1915 bis Ostern 1916 war sie für zwei Semester an der Berliner Universität und hatte danach in Bonn ihre Doktorarbeit über das Thema „Zur Entwicklung des zeichnerischen Stils in der Cölner Goldschmiedekunst des XII. Jahrhunderts” beendet.

In ihrer Autobiographie „Nomadengut” erinnerte sie sich: „Unsere Hochzeit war garnicht schön. Nach der Trauung am Standesamt der Familienempfang, bei dem zwei Welten sich peinlich berührten. Großmama überlegte ernstlich, ob sie einem unserer Freunde, einen jungen tschechischen Pianisten, die Hand geben sollte, weil er zu dieser feierlichen Gelegenheit in einem dunkelblauen Hemd erschienen war. Wahrscheinlich besaß er kein anderes. Und Wieland Herzfelde, der sich auf geheimnisvolle Weise zu Simulationszwecken eine Bartflechte angeschafft hatte, wirkte auch nicht eben sehr appetitlich mit seinem stoppligen Kindergesicht und einer ziemlich zerfetzten Uniform.

Dafür trug Martin [der Deckname von Max Ernst in ihrer während des Zweiten Weltkrieges verfassten Biographie] eine funkelnagelneue Leutnantsuniform, deren Kragen ihm viel zu eng war. Und mein blauseidenes Kleid mit weißer Stickerei war zwar sehr hübsch, aber leider hatte ich keine passenden Schuhe bekommen können. Man brauchte damals für alle Anschaffungen Bezugsscheine. Unmöglich, etwas so Luxuriöses wie ein Paar Atlasschuhe aufzutreiben! Also hatte Wieland mir ein Paar gelbseidener Karnevalsschuhe mit schwarzem Samt überzogen. Das wirkte ganz würdig. Aber er war eben doch kein richtiger Schuster, und so pickten viele kleine Nägel mich den ganzen festlichen Tag hindurch in die Sohlen. Damit die Hochzeit auch ohne kirchlichen Segen ein bisschen feierlich wäre, spielten Freundinnen und mein Bruder einen Satz aus einem Beethovenquartett, den ich sehr liebte.“

Anschließend wurde ihr – so ihre Aufzeichnungen – ein Myrthenkränzchen ins Haar gesteckt, begleitet von einem feierlichen Gedicht. Dabei dürfte es sich um die „Hymne” von Johannes Theodor Kuhlemann gehandelt haben. Mit einem Hinweis auf die Hochzeit der Freunde wurde sie Ende des Jahres in seinem Band „Consolamini” veröffentlicht, für den Max Ernst fünf Tuschezeichnungen beisteuerte. Die „Hymne”, im expressionistischen Duktus gehalten, endet mit den Zeilen: „Denn euch rollt dieser Himmel im Tanz mit allen Gezeiten über die Erde hinaus, die mich in Dämmerung hält. Aber ich kann in euch die Welt der Jubel erfahren, wenn euer Engel mir sagt, was er euch Hohes getan, wenn aus meinem Munde des euren liebende Stimme unsere Worte verströmt, unsere Leben verbürgt.“

Den hehren Worten zum Trotz war der Tag der Heirat mehr als ernüchternd. In ihren Erinnerungen fuhr Luise Straus fort: „Die Nägel in meinen Brautschuhen pickten unentwegt. Und das Gesicht von Martin wurde immer röter, was keineswegs von dem zu engen Uniformkragen kam, sondern weil er Fieber hatte und sich anstatt mit mir abzureisen, schon am Nachmittag ins Bett legen musste, in einem Zimmer, das für diesen Zweck garnicht vorbereitet war und mit leeren Flaschen, Körben und anderen Kehrseiten des Festes angefüllt war.“

Der Architekt und Maler Hans Hansen, Max Ernst mit seiner Frau Luise Straus-Ernst, ihr Bruder Richard Straus und Alfred Ferdinand Gruenwald, der sich kurze Zeit später den Dada-Namen Johannes Theodor Baargeld zulegte. Köln, um 1919

Fotografie, 9,6 x 14,6 cm, Stiftung Max Ernst, Dauerleihgabe im Max Ernst Museum Brühl, ein Museum des LVR