Jahrgang 2007
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„Wir wollen die Boxer behutsam an große Leistungen heranführen“

Wieder einmal konnten die Boxer des Amateur Box Club Brühl für Furore sorgen. Bei den Mittelrhein-Meisterschaften in Köln holten kürzlich zwei Kämpfer des Vereins den Titel. Vater der sportlichen Erfolge ist die Brühler Boxlegende Heinz Czech. Der 77 Jahre alte Trainer hält seit knapp sechzig Jahren dem Verein die Treue und schickt seine Boxer stets bestens vorbereitet in den Ring.

Jeden Tag trainieren die Faustkämpfer in der sichtbar in die Jahre gekommenen Turnhalle der St.-Franziskus-Schule (An der Synagoge 1). Nach ein paar lockeren Runden gemächlichen Einlaufens werden die Boxhandschuhe ausgepackt und mit ein paar Seilen einige Boxringe abgetrennt. Die jungen Sportler verteilen sich in der Halle zum Sparring oder um sich einen Sandsack vorzunehmen. Mittendrin wacht mit Argusaugen Heinz Czech. Er wechselt mit allen ein paar Worte, er korrigiert, gibt Tips. Irgendwie erinnert die ganze Szenerie ein bisschen an die Atmosphäre des Oscar-preisgekrönten Film „Rocky“. Und wer weiß, vielleicht ist es dem langen Blonden, um den sich Heinz Czech an diesem Abend besonders intensiv kümmert, vorbehalten, später einmal die Rolle des Rocky, des aufsteigenden Boxstars, zu übernehmen.

Einladung zur Deutschen U21

Der Blondschopf ist 19 Jahre alt, hat einen freundlichen Blick und heißt Anatolij Popp. Er hat die Mittelrheinmeisterschaften im Halbschwergewicht (bis 81 kg) gewonnen und gerade eine Einladung zur deutschen U21-Nationalmannschaft bekommen, die sich tags drauf zum Länderkampf gegen Irland in Hennef trifft. Vor vier Jahren schnupperte er erstmals beim ABC Brühl rein. „Ich habe vorher verschiedene Sportarten ausprobiert, Fußball und Rugby gespielt“, erzählt der in Kasachstan geborene Teenager. „Aber erst beim Boxen habe ich gemerkt, dass es die richtige Sportart für mich ist. Man braucht Kraft und einen starken Willen. Und es ist eine gute Selbstverteidigung, die man im Leben gebrauchen kann.“ Seine Mutter war anfangs nicht gerade davon begeistert, aber inzwischen hat sie sich damit abgefunden. „Sie freut sich, wenn ich meine Kämpfe gewinne“, sagt Anatolij Popp. Von seinen 28 Kämpfen hat er 19 für sich entschieden.

Im Oktober steht für ihn die Westdeutsche-Meisterschaft auf dem Programm. Danach will er sich intensiv um einen Ausbildungsplatz bemühen, am liebsten als Autolackierer oder Kfz-Mechaniker. Irgendwann später wäre er auch einer Profikarriere nicht abgeneigt. Seine Vorbilder sind Vitali Klitschko und Arthur Abraham. Von seinem Trainer Heinz Czech spricht er voller Respekt: „Der schafft immer noch mehr Liegestütze als ich.“

„Er gibt wertvolle Tips”

Eine Profilaufbahn kommt für Uwe Hermann wohl eher nicht mehr in Frage. Doch der Titel des Mittelrheinmeisters im Mittelgewicht (bis 75 kg) war dem 26-Jährigen nicht zu nehmen. Im Finale bezwang er den favorisierten Oberliga-Boxer aus Leverkusen klar nach Punkten, nachdem er ihn zuvor bereits zweimal zu Boden geschickt hatte. Jetzt will er sich über die Westdeutsche Meisterschaft für die nationalen Titelkämpfe qualifizieren. „Ein paar Jahre will ich noch boxen, vor allem zur körperlichen Ertüchtigung“, sagt Uwe Hermann.

Seit elf Jahren boxt er für den ABC Brühl und bestritt 22 Kämpfe, von denen er 15 gewann. „Ich habe mich schon immer für Kampfsport interessiert und Jiu Jitsu, Taekwondo oder Kickboxen betrieben“, meint Uwe Hermann. Beim Boxen blieb der Mitarbeiter eines Sicherheits- und Observationsdienstes schließlich hängen, nicht zuletzt auch wegen Heinz Czech. „Er macht nicht mehr das komplette Training. Aber er korrigiert einen und gibt wertvolle Tips. Ohne ihn würde es den Verein nicht mehr geben.“

Power spüren, Grenzen austesten

Während sich die Männer erst noch für die Deutschen Meisterschaften qualifizieren müssen, hat Sandra Zehbe diese Erfahrung bereits gemacht. Sie stand vor einigen Wochen in Berlin im Ring, wo sie in der ersten Runde der späteren Titelträgerin im Weltergewicht (bis 63 kg) unterlag. Sie kam erstmals vor sechs Jahren während „einer Art Kuraufenthalt“ mit dem Boxen in Berührung, als sie zwischen einem Box- und einem Tanzkurs wählen konnte. Sie entschied sich fürs Boxen, blieb zunächst dabei, um etwas für ihre Fitness zu tun und ist seit gut zweieinhalb Jahren beim ABC Brühl. „Hier habe ich alles übers Boxen von Heinz Czech gelernt und fühle mich sehr wohl, obwohl fast nur Jungs hier sind“, sagt die 33-Jährige. „Aber ich werde hier voll akzeptiert. Die Jungs sind sehr nett zu mir. Schade ist nur, dass es so wenige Gegnerinnen gibt. Ich bin schon öfter zu Kampftagen gefahren und konnte nicht boxen, weil keine Gegner da waren.“

Sandra Zehbe liebt das Boxen, auch wenn viele ihrer Freunde, es nicht richtig verstehen können. „Ich mag es, die Power zu spüren, die eigenen Kräfte. Ich möchte meine Grenzen austesten und habe den Willen, besser als andere zu sein“, meint die Medizinisch-Technische-Assistentin, die bislang zwei ihrer fünf Kämpfe erfolgreich bestritt.

Heinz Czech gesellt sich derweil zu uns. Das Training ist für heute beendet. Ihm sind die Lobeshymnen seiner Schützlinge fast ein wenig peinlich. Doch jeder weiß hier, dass er und der 73-jährige Heinz Kopff, den alle Welt nur „Opa Hein“ ruft, die Seele des Vereins sind. „Ich bin als erster in der Halle und gehe als letzter“, sagt er. „Ich habe ein riesiges Beharrungsvermögen und ein Händchen im Umgang mit jungen Menschen.“ Mit den Jugendlichen gibt es keine Probleme. Allerdings verlangt er auch Disziplin. Wer sich daneben benimmt, fliegt raus.

Schnupperangebote für Hobbyboxer

Die Hobbyboxer sind ihm genauso willkommen wie die Leistungssportler. Für Boxinteressierte besteht die Möglichkeit, vier Wochen lang kostenlos mitzutrainieren und dann zu entscheiden, ob man dabei bleiben möchte oder nicht. Wer in den Ring will, wird vorher genau auf seine Tauglichkeit gecheckt. „Bei mir ist noch kein Boxer k.o. gegangen. Ich würde nie einen Jungen als Opfer benutzen, weil ich den Wunsch habe, später einen großen Boxer herauszubringen. Hier kommt keiner zu Schaden“, erklärt Heinz Czech. „Die Jungs müssen aus sich heraus zeigen, ob sie bereit sind, hohe Leistungen zu bringen. Wenn sie es wollen, helfen wir ihnen. Wir wollen sie dann behutsam an große Leistungen heranführen. Die Spitzenleute kommen jeden Tag und trainieren auch am Wochenende.“ Sein bester Boxer ist derzeit Anatolij Popp. „Der hat eine Riesenzukunft vor sich, der hat eine Bärenkondition und kann clever boxen.“

Die Boxer vertrauen Heinz Czech, der sich selbst lediglich bescheiden als „Tipgeber“ bezeichnet. Doch es gibt in Brühl wohl keinen anderen, der so viel vom Boxen versteht wie Heinz Czech. In seiner aktiven Zeit blieb er in 58 Kämpfen – bei nur einem Unentschieden gegen den späteren Deutschen Meister – ungeschlagen. Während die Sportler ab zum Duschen sind, räumen der Coach und Opa Hein die Halle, die dringend einmal renoviert werden könnte, auf und schließen ab. Sie werden am nächsten Tag wieder ab 17.30 Uhr da sein. So wie immer.

Tobias Gonscherowski

 

 

 

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