Über die Kriegszeit von Max Ernst notierte Vater Philipp Ernst in seinem Familienbuch: „Noch vor Abschluß seines wissenschaftlichen Studiums brach am 1. August 1914 der Weltkrieg aus. Schon bald, am 24. August, traten Max und sein Bruder Karl, der im 1. Semester in Bonn Medizin studierte, als Kriegsfreiwillige beim Rhein.-Feldartillerie-Regt. Nr. 23 in Köln ein.
 
Nach kurzer Ausbildung kam Max im Januar 1915 zur Westfront, wo er in den vier Kriegsjahren an vielen schweren Kämpfen teilnahm und mit dem E.K.II. und I. ausgezeichnet und zum Leutnant d. Res. befördert wurde. Abgesehen von einigen kleinen Unfällen ist Max, Gott Dank, vor Verwundungen bewahrt geblieben, sodaß er im November 1918 heil und gesund in die Heimat zurückkehren konnte.“
 

Über das erwähnte Regiment erschien zehn Jahre nach Kriegsende eine Veröffentlichung, die Schilderungen von den Kampfhandlungen und Karten der jeweiligen Truppenstellungen enthält. Das 2. Rheinische Feldartillerie-Regiment Nr. 23 gehörte zur 16. Infanteriedivision und war in Koblenz stationiert. Als Teil des VIII. Armeekorps hatte es nach Kriegsausbruch die Aufgabe, „den ersten Schutz des Westgrenze zu übernehmen und einen ruhigen, vom Feinde ungestörten Verlauf der Mobilmachung zu sichern.“ – so Eugen Taischik, der Herausgeber der Dokumentation. Am 18. August 1914 begann die Offensive, es folgten Schlachten an der Maas und an der Marne sowie ab September 1914 Stellungskämpfe in der Champagne.


 
„Die Erde bebte von Explosionen”
 
Max Ernst wurde nach seiner Ausbildung in den fortwährenden Kämpfen um Perthes eingesetzt, wo sich die Fronten über die Monate hin kaum verschoben. Oberleutnant a. D. Helmuth Wohlthat, von dem Max Ernst 1916 ein Porträt anfertigte und der als Autor an der Regimentsgeschichte von 1929 beteiligt war, beschrieb einen der Kämpfe, die hier stattfanden: „Die drei hervortretenden Punkte Arbrehöhe, Franzosengraben und Hochstand wurden von Rauch, Qualm und Feuer wie ausbrechende Vulkane verschlungen. Die Erde bebte von Explosionen, und das Dröhnen der Luft übertönte die Kommandos. Das Gesichtsfeld verschwand im Rauch, den der Westwind vorübertrieb. Als ein blinder, weißer Fleck erschien die Sonne an dem graubedeckten Himmel. In unseren Batterien arbeiteten alle Mann an den Geschützen. Wir steigerten unsere Feuerkraft bis zum äußersten. Unsichtbar tobte der Kampf hinter den Rauchwänden, in die wir unser Schnellfeuer jagten.“ Am 9. März 1915 wurden die Abteilungen des Regiments abgelöst und bezogen in der weiteren Umgebung von Vouziers ihre Ruhequartiere.
 
Aus diesen ersten drei Monaten an der Front sind mehrere Briefe und Postkarten von Max Ernst erhalten. Der erste Feldpostbrief ist auf den 22. Januar 1915 datiert und befindet sich im Familienbuch von Philipp Ernst: „Liebe Eltern u. Geschwister. Nach e. langen Bahnfahrt über Luxembg, Sédan nach Mauré (bei Rethel) haben wir in e. Scheune ein verhältnismäßig blendendes Nachtquartier gefunden. Von den Kriegsgreueln bekommt man eine kleine Vorstellung, wenn man die Schlachtfelder von Sédan sieht. Zerschossene Häuser, Dörfer, Kirchhöfe, gesprengte Eisenbahnbrücken, die aber von den Pionieren durch neue ersetzt sind, die halbfertige Ernte vom vorigen Jahr, Pferdeleichen usw. Die Kanonen, ob unsere od. die französischen, hörten wir den ganzen Nachmittag bis zum Abend. Morgen früh marschieren wir zur Batterie ab. Dann kann ich Euch auch meine genaue Adresse angeben. Außer meiner leidigen Erkältung fühle ich mich wohlauf u. voll Zuversicht. Herzl. Grüße u. Küsse Euer Max“