Jahrgang 2007
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Fünf Wochen nach der Bonner „Ausstellung rheinischer Expressionisten” wurde in Berlin die große Gruppenausstellung „Erster Deutscher Herbstsalon” eröffnet. Sie umfasste 366 Werke von 90 Künstlerinnen und Künstlern und war vom 20. September bis zum 1. Dezember 1913 zu sehen.
 
Herwarth Walden, der drei Jahre zuvor seine Zeitschrift „Der Sturm” gegründet und im März des Vorjahres in einer zum Abriss bestimmten Villa in der Tiergartenstraße seine gleichnamige Galerie eingerichtet hatte, mietete für die Präsentation einen riesigen Saal von 1.200 Quadratmetern in einem ebenfalls für den Abbruch vorgesehenen Haus an der Potsdamer Straße 75 an. Der Saal wurde durch Stellwände, die mit unterschiedlich getöntem Rupfen bespannt waren, in 19 kleinere, als Abteilungen bezeichnete Räume aufgeteilt.


 
Der Titel der Gruppenausstellung weist darauf hin, dass der Pariser „Salon d’Automne” als Pate fungierte, der seit 1903 von avantgardistischen Künstlern als Forum genutzt wurde. Vorbildfunktion hatte aber auch die Kölner „Sonderbund”-Ausstellung, die im Vorjahr das gesamte Spektrum der aktuellen französischen Kunst erstmals in Deutschland vorgestellt hatte. Sie war mit 634 Werken fast doppelt so groß wie das Berliner Unternehmen und wurde nur von der Überblicksausstellung übertroffen, die sie ebenfalls angestoßen hatte: die „Armory Show”, die Anfang 1913 in New York stattfand, rund 1250 Gemälde und Skulpturen von 300 Künstlern versammelte und insgesamt großen Einfluss auf die Entwicklung der amerikanischen Kunst hatte.
 
Franz Marc kritisiert „Sonderbund”
 
Die Initiative für den Berliner „Herbstsalon” ging unter anderem auf Franz Marc, wie Wassily Kandinsky, Paul Klee, August Macke oder Gabriele Münter Mitglied der Münchner Künstlergruppe „Der Blaue Reiter”, zurück. In einem Artikel, der in der Zeitschrift „Der Sturm” veröffentlicht wurde, kritisierte er den „Sonderbund” mit seiner Präsentation und reduzierten Auswahl und schlug eine Organisation und Hängung durch die Künstler selbst vor. Auch August Macke aus Bonn war an den Vorbereitungen und Planungen beteiligt; außerdem sorgte er dafür, dass Bernhard Koehler, der Onkel seiner Frau Elisabeth, die finanzielle Garantie für das Projekt übernahm.
 
Max Ernst zeigt zwei Bilder
 
Im „Herbstsalon” wurde einigen Künstlern besonders viel Platz eingeräumt. Henri Rousseau, der 1910 gestorben war und den Kandinsky als Vater der Realistik und der Einfachheit bezeichnet hatte, erhielt eine Gedächtnisausstellung mit 22 Exponaten. Robert Delaunay war mit 21 Gemälden, seine Frau Sonia Delaunay sogar mit 25 Arbeiten, vornehmlich bemalte Bucheinbände, vertreten. Die Mitorganisatoren Kandinsky und Marc konnten jeweils sieben Werke, Macke sogar acht Gemälde ausstellen. Von Max Ernst stammten zwei Arbeiten, die schon in der „Ausstellung rheinischer Expressionisten” in Bonn zu sehen gewesen waren und nun in der Abteilung XVIII zusammen mit den Exponaten des Ehepaares Delaunay, drei Holzschnitten von Fritz Baumann aus Basel sowie drei Werken von Franz Henseler aus Köln gezeigt wurden. Während er in seinem Ölbild „Der Sturm” die Auswirkungen der Naturgewalten auf eine Landschaft mit Bäumen von einem erhöhten Standpunkt aus malerisch einfängt, hat er die Darstellung seines zweiten Gemäldes, das den Titel „Promenade” trägt und im Ausstellungskatalog reproduziert ist, auf Nahsicht angelegt. Das dichte Gedränge der Flaneure einer Großstadt wird so noch unmittelbarer. Die Häuserfassaden, die am oberen Bildrand links und rechts zu sehen sind, wirken zusätzlich als beengende und begrenzende Schlucht, die lediglich vom Licht einer Laterne gleißend durchstrahlt wird. Die beiden für Berlin ausgewählten Bilder können somit gewissermaßen als Pendants verstanden werden, spannen sie doch einen Bogen zwischen Technik und Natur, zwischen Metropole und Einsamkeit.
 

 

 

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