"Wir geben Kindern eine gute Lebensperspektive"

Ortstermin in Brühl-Heide. Wir besuchen die Maria-Montessori-Schule in der Bergstraße und stehen erst einmal vor verschlossenen Türen. Nach unserem Klingeln wird uns geöffnet. "Die Tore müssen geschlossen sein, damit unsere Schüler nicht ausbüchsen", erklärt Schulleiter Paul Baerecke.


 
Die Schüler, für die er verantwortlich ist, würden dabei vermutlich gar nicht bewusst blau machen wollen. Denn die 104 Kinder und Jugendliche, die hier betreut werden, sind alle mehr oder weniger stark geistig behindert. Seit 2001 leitet der gebürtige Bonner die Schule. Der 50-Jährige kümmert sich nicht nur um alle Verwaltungsfragen der Schule, er unterrichtet die Schüler auch und hält engen Kontakt zu ihnen. "Die regelmäßige Arbeit ist enorm wichtig", sagt Paul Baerecke, der auf eine weit über 20-jährige Berufserfahrung blicken kann. Dem Brühler Bilderbogen stand er Rede und Antwort.
 

BBB: Seit über 25 Jahren werden in der Montessori-Schule Kinder mit einer mehr oder weniger starken geistigen Behinderung unterrichtet. Wie unterscheidet sich der Unterricht von dem an den herkömmlichen Schulen?
Paul Baerecke:
Wir haben keine richtigen Jahrgangsstufen. Wir haben fünf Stufen, in denen drei bis vier Jahrgänge zusammengefasst sind. Die Schülerinnen und Schüler sind 11 bis 13 Jahre an der Schule. In den letzten beiden Jahren vermitteln wir ihnen eine Berufspraxis. Nach der Schule sollen die Schüler die Perspektive haben, in einer Behindertenwerkstatt arbeiten zu können. In manchen Fällen können sie auch Hilfstätigkeiten in einer Gärtnerei, einem Lager oder einer Bäckerei übernehmen. Im Unterricht wird den Kindern handlungsorientiert Lernstoff vermittelt, mit dem sie im Alltag etwas anfangen können. Sie bekommen Sachunterricht, selbstverständlich auch, soweit es ihnen möglich ist, z. B. Unterricht in Deutsch oder Mathematik. Wir wollen sie auf ein möglichst selbständiges Leben vorbereiten, in dem sie sich selbst versorgen und allein bewegen können, ihre Freizeit gestalten, ihre Wohnung pflegen und ihre Einkäufe erledigen können. Wir setzen auf eine individuelle Schulbegleitung. Die Schüler werden vom Kollegium, von derzeit elf Zivildienstleistenden und einigen jungen Frauen, die ein freiwilliges Jahr ableisten, begleitet. Für jeden Schüler werden in Abstimmung mit den Eltern und in Zusammenarbeit mit Therapeuten eigene Förderpläne entwickelt.
 
BBB: Die Maria-Montessori-Schule hat kürzlich eine neue Lehrküche in Betrieb genommen. Warum war diese notwendig geworden?
Baerecke: Als die Schule Anfang der achtziger Jahre gebaut wurde, war nicht vorgesehen, dass später auch einmal Rollstuhlfahrer hier unterrichtet würden. Deshalb ist die Schule in vielerlei Hinsicht nicht rollstuhlgerecht. Rollstuhlfahrer haben Probleme mit den Türen, mit dem viel zu kleinen Aufzug und früher auch mit der Lehrküche. Als die Küche dann auch noch nach über 25 Jahren Dauerbetrieb zahlreiche Mängel aufwies, mussten wir kurzfristig für einen Ersatz sorgen. Das ist uns in Zusammenarbeit mit der Verwaltung und der Politik und dank großzügiger Spenden beispielsweise von der Schranil-Stiftung gelungen. Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir nun eine wunderbare Lehrküche haben, die täglich genutzt wird und in der jetzt auch die Rollstuhlfahrer aktiv mithelfen können.
 
BBB: Mit welchen Problemen hat die Schule noch zu kämpfen?
Baerecke:
Wir haben massive Raumprobleme. Wir haben viel zu wenig Platz für die Arbeit in kleinen Gruppen, für die Einzelarbeit. Wir brauchen reizarme Lernräume, in denen die Kinder nicht abgelenkt werden. Wir hoffen aber, dass die bald gelöst werden können. Wenn alles gut geht, beginnen im kommenden Jahr Umbauarbeiten. In dem Anbau sollen dann Therapieräume, ein Kunstraum und Förderräume für Schwerstbehinderte entstehen. Außerdem brauchen wir einen Raum, in dem wir unsere Maschinen unterbringen können. Neben den räumlichen Problemen bräuchten wir auch professionelle Pflegekräfte, auch eine Kinderkrankenschwester wäre gut.


Karnevalsfeier mit eigenem Dreigestirn
 
BBB: Was verschafft Ihnen und dem Kollegium die meiste Befriedigung bei der Arbeit? Worauf sind Sie stolz?
Baerecke: Wir haben hier viel in Eigenregie auf die Beine gestellt und etwa das Außengelände der Schule gestaltet. In vielen Wochenendaktionen, bei denen die Lehrer, die Eltern und die Schüler angepackt haben und viele Menschen mobilisiert wurden, haben wir neue Spielgeräte aufgestellt, Rückzugsmöglichkeiten und einen Kletterhang geschaffen. Abgesehen davon sind wir stolz darauf, dass wir es schaffen, den Kindern mit schweren Voraussetzungen eine gute Lebensperspektive zu geben, für sie durch intensive Individualarbeit einen Weg zu finden, damit sie im Leben zurecht kommen.
 
BBB: Man weiß ja, dass es in anderen Städten öfter Probleme mit den Nachbarn gibt. Wie ist ihr Verhältnis zur Nachbarschaft?
Baerecke: Da haben wir zum Glück kaum Probleme. Wir arbeiten ja auch mit den Vereinen und der Dorfgemeinschaft in Heide zusammen. Wir haben eine vertrauensvolle Koexistenz. Wir sind aber auch sehr daran interessiert, uns zu öffnen und freuen uns darüber, dass die Nachbarschaft sich bei unseren Schulfesten oder Basaren beteiligt. Die Nachbarn bringen viel Verständnis und ein hohes Maß an Toleranz auf, wenn es einmal lauter wird oder ein Ball über den Zaun geflogen kommt. Sie passen sogar auf, wenn die Schule geschlossen ist und sich hier jemand herumtreibt.