Jahrgang 2008
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(tg) Vor einigen Wochen wurde in Brühl eine Ortsgruppe von „Attac“ gegründet. Das Kürzel Attac steht für einen langen französischen Slogan, der übersetzt so viel bedeutet wie: „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohl des Bürgers.“ Attac hat weltweit 90.000 Mitglieder und ist seit 2000 auch in Deutschland mit über 200 Ortsgruppen vertreten.

Attac versteht sich als ein Netzwerk aus Organisationen und Einzelpersonen, die gemeinsam für Alternativen zur neoliberalen Globalisierung eintreten, deren Gefahr nach Meinung von Attac darin liegt, dass durch die unbegrenzte Öffnung der Märkte nahezu ohne soziale, demokratische oder ökologische Einschränkungen und Regulierungen weltweit die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird.

Wir haben uns mit den Brühler Attac-Gründungsmitgliedern Frank Milde und Professor Jürgen Zerche getroffen, um mit ihnen über die Ziele von für Attac zu sprechen.


BBB: Aus welcher Motivation heraus haben Sie die Brühler Ortsgruppe von Attac gegründet?

Frank Milde: Wir sind überparteilich, pluralistisch und engagieren uns mit friedlichen Aktionen, pflegen aber auch den zivilen Ungehorsam. Die Keimzelle für die Gründung der Brühler Attac-Gruppe war die Frage der Phantasialand-Erweiterung. Da verzeichnen wir es als einen Teilerfolg, dass das Land NRW erklärt hat, vorerst keine Waldflächen an den Freizeitpark zu verkaufen. Im Moment richtet sich unser Fokus auf die Finanzkrise.

BBB: Wie konnte es Ihrer Meinung nach zur Finanzkrise kommen?

Jürgen Zerche: Diese Krise war absehbar, viele Organisationen haben davor gewarnt. Die Politiker zeigen zwar auf die Bänker, aber eigentlich müssten mindestens drei Finger der Hand auf die Politiker selbst zeigen. Sie haben die Krise auch zu verantworten, dadurch, dass sie selbst die totalen Deregulierungen zugelassen haben. Es ist ein Witz, wenn sich jetzt Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück als Retter feiern lassen. Der Ausgangspunkt der Krise liegt zwar in den USA, aber Großbritannien und Deutschland unter Kanzler Schröder haben mitgemacht. Die monetäre Finanzkrise kommt jetzt in der Wirtschaft an und führt zu einer schwerwiegenden Rezession.

BBB: Welche Ziele verfolgt Attac?

Zerche: Attac hat sich mehrere Ziele gesetzt. Wir wollen durch eine Bildungsbewegung die Bevölkerung aufklären. Unsere Experten und wissenschaftlichen Beiräte beraten die Aktionsgruppen und durch unsere Aktionen wollen wir ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Beim G8-Treffen in Deutschland hat Attac eine Bürgeröffentlichkeit hergestellt. Ein großes Echo fand auch unsere Aktion während eines Handelstages an der Börse, als wir an der Kurstafel ein Transparent mit der Aufschrift „Das Casino schließen“ entrollt haben. Man muss sich mal die Relationen vergegenwärtigen. Weniger als acht Prozent der Deutschen besitzen Aktien. Und trotzdem gibt es jeden Tag zur besten Sendezeit diese Reklamesendungen für die Börse und ihre riskanten Projekte.

BBB: Was unterscheidet Attac von politischen Parteien?

Milde: Unsere Brühler Ortsgruppe von Attac wurde von gut einem Dutzend interessierter Bürger gegründet. Wir sind keine Partei. Attac fordert dazu auf, den Mut zu haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Bei uns gibt es keine Hierarchie und keinen Vorstand. Wir sind basisdemokratisch und kein Klüngel von zwei oder drei Leuten, die alles entscheiden. Wir diskutieren lange, kontrovers und sachlich über die Themen und verfolgen das Konsensprinzip. Wir wollen normale Menschen die wirtschaftlichen Zusammenhänge kritisch erklären. Schließlich sind wir in Krisenzeiten alle betroffen.

BBB: Mit welchen Brühler Themen beschäftigt sich Attac?

Milde: Wir machen Standaktionen vor der Giesler-Galerie und informieren die Leute und diskutieren mit ihnen über lokale und globale Themen. Wie geht es mit dem Phantasialand weiter? Wie sind die Arbeitsbedingungen bei Lidl? Warum verscherbelt die Stadt städtisches Eigentum an privat? Warum soll in Hürth ein neues Kohlekraftwerk gebaut werden? Wir haben keine fertigen Rezepte. Aber in zwei Themen – Phantasialand und Finanzkrise – sind wir inzwischen sattelfest.

Persönliches

Ansprechperson der Brühler Attac-Ortsgruppe ist Frank Milde. Die Brühler Attac-Gruppe trifft sich an jedem ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr im Begegnungscafe in der Gartenstraße.

Frank Milde ist 37 Jahre alt, ledig und unterrichtet Physik und Mathematik am Berufskolleg in Zülpich. Der Brühler empfindet die „Agenda 2010“ als „Verrat am Sozialstaat“ und überlegt, aus der SPD auszutreten.

Dr. Jürgen Zerche ist Professor an der Universität Köln, wo er Wirtschaftswissenschaften lehrt. Der 70-Jährige ist verheiratet, Vater von zwei Söhnen und vierfacher Großvater. Er wohnt seit 27 Jahren in Brühl. 2002 trat er nach 40 Jahren Mitgliedschaft wegen der Politik von Clement und Steinbrück aus der SPD aus.

 

 

 

 

 

 

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