„Im Cultra sollen die Jugendlichen etwas erleben, entdecken und sich entfalten können”

Die Stadt Brühl hat in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) viel Geld in die Hand genommen. Rund 1,8 Millionen Euro werden in Brühl-Ost in das in gut einem Jahr dann fertig gestellte neue Jugend- und Kulturzentrum „Cultra“ investiert. Der erste Spatenstich erfolgte vor wenigen Tagen. Der Neubau ersetzt das bisherige Jugendzentrum an der Liblarer Straße. „Es entsteht ein Vorzeigeprojekt für den ganzen Rhein-Erft-Kreis, um das uns viele Städte beneiden werden“, kündigte Bürgermeister Michael Kreuzberg an. Wir haben ihn, seinen Jugendamtsleiter Lorenz Schmitz sowie Martin Uhle und Herbert Börger vom ASB zum persönlichen Gespräch getroffen.

Gute Neuigkeiten verkündet der Chef am liebsten selbst. Das ist überall so und in Brühl nicht anders. Vor allem dann, wenn es sich um frohe Botschaften aus dem Rathaus handelt und die nächste Kommunalwahl auch nicht mehr so fern ist. So wurde dann aus der ursprünglich geplanten klei-nen Gesprächsrunde im Büro des Jugendamtsleiters eine große im repräsentativen Besprechungsraum des Bürgermeisters.

„Das Cultra ist die größte Investition der Stadt Brühl in die außerschulische Kinder- und Jugendförderung in den letzten Jahrzehnten“, betont Michael Kreuzberg. „Das Projekt ist zustande gekommen, weil der ASB als hochqualifizierter und sehr engagierter Partner mit der Stadt ein Bündnis eingegangen ist und in dieses Bündnis das bestehende Gebäude des ehemaligen Kindergartens und Hortes sowie das arrondierte Grundstück eingebracht hat.“

Das neue Jugendzentrum entsteht an der Schildgesstraße, wo der ASB mit dem „Hot Chili“ bereits seit Jahren eine Einrichtung unterhält, deren Trägerschaft er 1999 von der Kirchengemeinde St. Stephan übernommen hatte. Das von Herbert Börger geleitete Hot Chili bleibt auch während der Bauphase geöffnet, so dass die Kinder und Jugendlichen täglich die baulichen Fortschritte beobachten können. „Zusammen mit der Stadt Brühl haben wir Visionen entwickelt, die kaum noch Wünsche offen lassen“, ist sich ASB-Geschäftsführer Martin Uhle sicher. „Das alte Jugendzentrum war ein Verwaltungsgebäude und eigentlich ungeeignet“, sagt Lorenz Schmitz. „Wir werden bald von den Kollegen in anderen Städten beneidet.“

Doch nun genug der Sonntagsreden. Kommen wir zu den Fakten. Was ändert sich für die Jugendlichen in Brühl? In Trägerschaft des ASB und in enger Kooperation mit der Stadt Brühl entsteht eine neue Form von Offener Jugendarbeit in Brühl, denn nicht nur das Cultra wird vom ASB betreut, sondern auch die mobile Jugendarbeit. Neben dem Cultra in der Schildgesstraße, bei dem drei Festangestellte und fünf Honorarkräfte arbeiten, wird es auch den „Citytreff“ in der Innenstadt in Räumlichkeiten der Clemens-August-Schule geben. Hier kümmern sich Mitarbeiter um die Jugendlichen, hören sich ihre Probleme an und weisen auf die neuen Angebote in Brühl-Ost hin.

Die Angebote des Cultras bauen auf drei Kultursäulen auf: Musik, Medien, Bühne sind die entsprechenden Schlagworte. Es gibt Medienangebote in Wort, Text, Bild, Klang, Bewegung und Inszenierung wie eine multimediale Bühne, auf der sich Jugendliche ausprobieren können.

„Wir bieten attraktive Erlebnisangebote wie Bandworkshops, Videoprojekte, Web-Radio, digitale Fotografie, Presseclub, Sprachwerkstatt und Tanz sowie kulturelle Ereignisse wie Konzerte, Disco, Comedy oder Kino an und wollen damit alle Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren ansprechen“, zählt Cultra-Leiter Herbert Börger auf. „Fachkräfte aus Theater, Kunst, Film, Radio und Fernsehen leiten in Zusammenarbeit mit Pädagogen die Workshops.“ Der so genannte „Offene Bereich“ zum „Abhängen“ bleibt erhalten und wird durch ein Café ergänzt.

Freizeitverhalten hat sich geändert

Herbert Börger kennt sich in der Jugendarbeit bestens aus. Seit 1981 arbeitet der heute 55-jährige Sozialpädagoge in St. Stephan und später für den ASB. Er hat mitbekommen, wie stark sich der Zeitgeist und damit das Freizeitverhalten der Jugendlichen verändert haben. „Internet, Musik, DVD-Konsum, Computerspiele, Handys usw. bilden die Grundlage jugendlicher Alltagskultur“, weiß er. „Wenn wir Jugendliche mit multimedialer Bildung erreichen wollen, müssen wir uns genau dieser Formen bedienen.“

Angebote und Räumlichkeiten wurden unter diesen Prämissen konzipiert. Das Cultra verfügt über drei Musikproberäume, ein digitales Tonstudio, einen Veranstaltungssaal für bis zu 500 Personen, Computerräume mit zehn Rechnern, Gruppenräume, ein Begegnungscafé, die Geschäftsstelle für den Stadtjugendring und weitere für alle Brühler Jugendlichen nutzbaren Räumlichkeiten. Es ist auch möglich, einzelne Räume oder Teilbereiche für private Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern oder ähnliches zu mieten.

„In vielen Bereichen werden die Jugendlichen in Brühl kommerziell nicht bedient, zum Glück“, meint Herbert Börger. Die neue Medien des Cultras sollen die Jugendlichen ansprechen, die Radiowerkstatt, die Videoarbeit, die Theaterarbeit. „Wir wollen, dass die Jugendlichen hier etwas erleben, entdecken und sich entfalten können.“ Die Videoarbeit bietet so eine Möglichkeit. „Wir stellen eine kleine Aufgabe, wie z.B.: Zeigt uns eure Lieblingsplätze in Brühl mit der Kamera. Die Jugendlichen sollen dann ein kleines Drehbuch schreiben, zum Drehen rausgehen und anschließend wiederkommen, um den Film zu schneiden und nachzubearbeiten. Wenn sie dann nach Hause gehen und bereits einen kleinen Film im Gepäck haben, den sie daheim zeigen können, ist das eine tolle Sache“, erzählt Herbert Börger.

Die vielfältige Musikszene bedarf dagegen keiner besonderen weiteren Angebote, Anreize und Anstrengungen. Die Ausstattung des Cultras spricht für sich. Leerstehende Proberäume sind sicherlich nicht zu erwarten. Und der neue, unterteilbare Veranstaltungsraum für je nach Bedarf bis zu 500 Personen dürfte sich schnell etablieren nicht nur von den Brühler Bands genutzt werden.

Allen Verantwortlichen war es auch wichtig, zu betonen, dass das Cultra für alle sozialen Schichten, Ethnien und Interessengruppen attraktiv sein soll. „Alle sollen angesprochen werden“, bestätigt Herbert Börger. „Aber nicht unbedingt gleichzeitig. Alle zusammen wird nicht funktionieren, das wäre eine Quatschnummer. Da sind die Interessen zu verschieden, sei es Hiphop, Disco, Skater. Das passt nicht zusammen.“

Wird der Standort angenommen?

Die Angebotspalette liest sich ganz prima. Doch die entscheidende Frage ist, ob der neue Standort von den Jugendlichen auch angenommen wird. Denn mit der zentralen innerstädtischen Lage des alten Jugendzentrums kann Cultra nicht konkurrieren. „Der Standort ist für die Zwecke sehr gut“, meint Martin Uhle. „Das Angebot ist entscheidend und steuert die Nachfrage. Zehn Minuten Fußmarsch aus der Innenstadt sind nicht überzogen. Bei Veranstaltungen wird es auch einen Shuttleservice geben. Und direkt vor der Tür hält auch ein Bus. Es ist kein Problem, den neuen Standort zu erreichen.“

Probleme mit der Nachbarschaft sind nach Meinung der Cultra-Verantwortlichen ebenfalls nicht zu erwarten. „Die Angebote und Veranstaltungen sollen das Wohnumfeld nicht belasten oder stören“, steht in der offiziellen Presseerklärung. „Im Gegenteil soll und wird das Cultra die Stadt Brühl bereichern.“ In der Theorie ist der Stadt Brühl und dem ASB der große Wurf gelungen. Die Praxis wird zeigen, ob Cultra von den Jugendlichen akzeptiert und entsprechend frequentiert wird. Wir drücken die Daumen.

Tobias Gonscherowski