„Als uns die Kamelle ausging, haben wir Samba gemacht“

Sie sind schon von Weitem zu hören. Wenn man sich an einem Donnerstagabend dem Gebäude der Astrid-Lingren-Schule nähert, kann man bereits auf dem Schulhof die rhythmischen Klänge vernehmen und beinahe auch schon körperlich spüren. Je näher man kommt, desto lauter wird es. Man öffnet die Schultüren und ist plötzlich mittendrin. Mittendrin in einem Rhythmus aus Trommeln, Pfeifen und vielen weiteren uns nicht allzu sehr vertrauten Instrumenten. Wenn man die Augen schließt, könnte man meinen, man sei in Brasilien. Doch wir sind nicht an der Copacabana, sondern bei der Gruppe „Sambasurium“ zu Besuch.

 

Vor uns haben sich rund zwanzig Menschen aus Brühl und Umgebung im Alter von 20 bis 50 Jahren versammelt, die ein neues Stück für den kommenden Karnevalszug einstudieren. Sie schauen konzentriert auf ihren musikalischen Leiter Ralf-Werner Jeckel, der wie ein Dirigent vor ihnen steht und auch selbst auf ein Instrument einschlägt, das er uns später als „Repinique-Trommel“ vorstellt. An eine Konversation ist bei der Lautstärke nicht zu denken. Um sich vor dem hohen Geräuschpegel, den manch ein Außenstehender auch als Lärm empfinden mag, zu schützen, tragen alle Teilnehmer Ohrstöpsel. Denn ohne geht es gar nicht. Ansonsten müssten sich alle in kürzester Zeit in die Behandlung eines Ohrenarztes begeben. Durchaus ernst zu nehmende Dauerbeschwerden wären die Folge.

 

Angefangen hat alles im Jahr 1995. „Seit zwanzig Jahren gingen wir als alter Kreis des BDKJ im Brühler Zug mit“, erinnert sich Ralf-Werner Jeckel. „Jedes Jahr haben wir uns ein Motto überlegt. Und in jedem Jahr ist uns schon nach der Hälfte des Zuges das Wurfmaterial ausgegangen. Das war ein Problem. Dann sind wir darauf gekommen, zu musizieren, genau genommen Samba zu machen. Und wenn wir es schon tun, dann richtig.“ Über drei Ecken wurde ein Kontakt zu einer Lehrerin hergestellt, die den neuen Sambaenthusiasten das kleine Einmaleins beibringen sollte. „1996 sind wir dann zum ersten Mal mit selbst gebastelten Instrumenten im Zug dabei gewesen. Für uns war das Entscheidende, dass es Spaß gemacht hat“, meint der musikalische Leiter. „Als der Zug vorbei war, haben wir schön gefeiert. Und ein Jahr später haben wir die Idee dann wieder aufgegriffen.“

Volles Programm an Karneval

Seitdem ist die Gruppe Sambasurium aus dem Brühler Karneval nicht mehr wegzudenken. „Unser Name karikiert ein bisschen unsere Entstehungsgeschichte und erinnert an ein Sammelsurium von Ideen“, sagt Ralf-Werner Jeckel, dessen Frau Maria übrigens auch bei den rheinischen Sambistas auf dem Tamborim mitspielt. Längst war auch der musikalische Ehrgeiz geweckt. Minimum einmal im Monat treffen sich die Sambafreunde zur Probe, vor besonderen Anlässen auch einmal wöchentlich, jeweils am Donnerstag um 20 Uhr in der Astrid-Lindgren-Schule. Wer auch einmal vorbeischauen möchte, ist herzlich eingeladen und erfährt die genauen Details von Ralf-Werner Jeckel (Telefon 02232/23796 oder per E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Aktuell wird jemand gesucht, der die „Caixa“ beherrscht.

 

„Wenn man sich weiter entwickeln will, muss man regelmäßig spielen“, weiß Ralf-Werner Jeckel. „Einige von uns haben schon Workshops besucht.“ Für die ganze Gruppe konnte der junge Kölner Lehrer Christoph Quade gewonnen werden, der in Köln die Schule „Unidos de Colonia“ nach dem Vorbild der klassischen Sambaschulen in Rio leitet. Das Repertoire von Sambasurium umfasst mittlerweile den „Rio Samba“, „Samba Reggae“ und „Samba Funk“.

 

An den diesjährigen tollen Tagen werden die einstudierten Stücke wieder fast täglich zu hören sein. „Wir spielen an Weiberfastnacht auf einer Kinderfete, am Freitag gehen wir im Schwadorfer Zug mit, am Sonntag im Närrischen Elias. Rosenmontag verbringen wir in Köln beim Zug, und Karnevalsdienstag sind wir in Brühl-West dabei“, listet Ralf-Werner Jeckel das ganze Programm auf. Dazwischen feiert der dreifache Familienvater auch noch seinen 50. Geburtstag.

 

Doch Sambasurium tritt nicht nur im Karneval und in Brühl auf. Dick im Kalender notiert sind auch die Termine des Köln-Marathon sowie des Brühler Stadtlaufs und des 12-Stunden-Laufs. „Wir können die Läufer durch unsere Musik antreiben und motivieren“, berichtet Ralf-Werner Jeckel, der begeistert am Streckenrand steht. „Viele haben uns bestätigt, dass ihnen dies noch einmal einen Schub gibt.“

Andere zu motivieren und mit ihrer Leidenschaft für die heißen Rhythmen anzustecken, das gelingt der Truppe auch im Rahmen der Aktion „Zeitgeschenke“ des Brühler Kinderschutzbundes. Dabei schenken Vereine, Initiativen oder auch ganz normale Bürger Kindern ihre Zeit, um ihnen etwas Außergewöhnliches zu zeigen. „Wir haben viel Freude dabei, mit Kindern spielerisch zu arbeiten“, sagt Ralf-Werner Jeckel, der als Versicherungskaufmann in Köln arbeitet. „Es ist erstaunlich, in welch kurzer Zeit die Kinder einen Rhythmus einüben. Es ist faszinierend, wie schnell sie das lernen und umsetzen.“

Auftritt bei FC-Heimspiel

Nicht überall stößt Sambasurium auf Gegenliebe. Ihren ersten Probenraum mussten die Sambistas wieder räumen, nachdem es Beschwerden wegen der Lautstärke gegeben hatte. „Manchen ist es einfach zu laut“, meint Ralf-Werner Jeckel. „Und dafür haben wir auch Verständnis. Wir haben wahrscheinlich auch im Brühler Karnevalszug nicht nur Fans.“ Viel häufiger aber stecken die Sambafreunde die Menschen mit ihrer Musik an. „Wenn wir Karneval durch Köln laufen, bilden sich immer direkt Menschentrauben um uns herum. Die Leute tanzen und sind einfach gut drauf, egal ob jetzt in der Kölner Altstadt auf dem Rote-Funken-Platz oder im Geisterzug.“

Die größte Menschenmenge, vor der Sambasurium bis jetzt spielen durfte, und das Highlight in der bisherigen 12-jährigen Geschichte der Musikgruppe war der Auftritt im Kölner RheinEnergieStadion. Vor der prall gefüllten Südkurve heizten die Brühler vor drei Jahren die Fans ein und stimmten sie auf ein Meisterschaftsspiel gegen Eintracht Trier ein. „Unser Freund Uli Füsser hat das eingefädelt“, erzählt Ralf-Werner Jeckel. „Er ist Abteilungsleiter bei Misereor und unterstützte die Aktion „Anstoß mit Herz“, die in Kooperation mit dem 1. FC Köln durchgeführt wurde. Wir wurden dann groß angekündigt, durften vor der Südkurve aufmarschieren und haben dann richtig Stimmung gemacht. Wir wurden sehr freundlich aufgenommen. Es war sehr beeindruckend, zumal ich ja auch noch FC-Fan bin.“

 

Unvergessen ist auch der Sambasurium-Auftritt bei der großen Sitzung der KG Fidele Kaufleute im Kölner Satorysaal. „Der Literat der Fidelen Kaufleute hatte uns beim Stadtlauf erlebt und uns angesprochen, weil er uns unbedingt in der Sitzung dabei haben wollte“, berichtet Ralf-Werner Jeckel. „Wir sind vor Brings auf die Bühne gegangen, haben aber mit denen leider nicht mehr sprechen können.“

Jetzt freuen sich die rheinischen Sambistas auf die Session und viele gemeinsame Feiern. Sie werden wieder den Brühler Karneval bereichern und bis zur Verbrennung ihres eigenen Nubbel aus Spaß an der Freude im Rhythmus der Sambatrommeln durch die Straßen ziehen. Zu überhören sind sie dabei nicht.

Tobias Gonscherowski