„Wandel gestalten, Glauben entfalten“

Mit einem feierlichen Gottesdienst in St. Margareta wurde Mitte September Jochen Thull als Brühls neuer leitender Pfarrer in sein Amt eingeführt. Der 45-Jährige ist neben St. Margareta auch für die sechs weiteren Pfarrgemeinden in Brühl und damit für rund 23.000 Katholiken in der Stadt zuständig und steht vor einigen administrativen Herausforderungen. Denn in den kommenden Wochen und Monaten werden sich die Strukturen verändern. Seine neue Aufgabe geht der Kirchenmann unter dem Motto „Bewährtes bewahren, Neues wagen“ an. Der Brühler Bilderbogen traf Jochen Thull zum persönlichen Gespräch.

Der Anruf des Kölner Erzbistums im Januar kam etwas überraschend. Ob er sich vorstellen könne, nach Brühl zu wechseln, wurde Jochen Thull gefragt. „Einen Wechsel hatte ich eigentlich noch nicht geplant“, sagt der Pfarrer, der seinerzeit noch in Köln-Porz tätig war. Doch die neue Aufgabe in Brühl reizte ihn.

Jetzt ist er da. Zusammen mit zwei weiteren Neuen, Kaplan Jörg Stockem und Pastoralreferent Markus Dörstel, beginnt Jochen Thull sich mit den Brühler Gegebenheiten vertraut zu machen. „Ich bin noch auf der Kennenlern-Tour durch Brühl“, erzählt der Pfarrer, der nun der neue Chef von rund 60 Beschäftigten in Brühl ist, zu denen auch u.a. Vikare, Kaplane, Küster, Musiker, Sekretärinnen oder Erzieherinnen zählen.

 

Jochen Thulls wichtigste Aufgabe der nächsten Wochen und Monate besteht darin, die Zusammenlegung der bislang drei eigenständigen Gemeinden Brühl-Innenstadt, Brühl-Ville (Vochem, Kierberg, Heide) und Brühl-Süd (Schwadorf, Badorf, Pingsdorf) zu einem Kirchenbereich vorzubereiten und abzuschließen. Schon im März nächsten Jahres stehen die Wahlen für den dann für das gesamte Stadtgebiet zuständigen Pfarrgemeinderat an, der die bisher sieben Pfarrgemeinderäte ablösen wird.

Diese neue Regelung, die vom Bistum auch in anderen Städten umgesetzt wird, war in Brühl nicht unumstritten. „Das ist sicher zunächst gewöhnungsbedürftig“, weiß Jochen Thull. „Aber die Ortsnähe der Geistlichen bleibt bestehen. Wir wollen den Wandel gestalten und den Glauben entfalten.“ Überzeugungsarbeit muss er nun leisten, in vielen persönlichen Gesprächen und Treffen mit den engagierten Gemeindemitgliedern.

Von Kardinal Ratzinger geweiht

Jochen Thulls Aufgabengebiet ist vielfältig. Er ist neben der Seelsorge, Gottesdiensten, Taufen und Beerdigungen auch für die Verwaltung, Organisation und Finanzen der Gemeinde verantwortlich. Aber das alles ist nichts Neues für ihn. „2001 habe ich schon einmal in Porz vier Gemeinden erfolgreich zu einer zusammengelegt“, sagt er optimistisch. Sicher einer der Gründe, warum er vom Erzbistum mit der Neuordnung in Brühl betraut wurde.

 

Aus einer gläubigen Familie stammt Jochen Thull. Sein Vater engagierte sich im Kirchenvorstand, die Mutter in der Frauengemeinschaft. Er selbst durchlief einen „klassischen“ Werdegang. 1964 in Köln geboren und aufgewachsen, war er erst Messdiener, dann aktiv in der Jugendarbeit und bei Ferienfahrten dabei. Nach dem Abitur am Kölner Erich-Kästner-Gymnasium im Jahr 1983 begann er in Bonn das Studium der Theologie. Zwei Jahre später ergab sich für den jungen Studenten die Chance am Deutsch-Ungarischen Kolleg der päpstlichen Universität in Rom zu studieren.

 

Bis 1991 blieb er zunächst dort. Zwischenzeitlich, im Oktober 1989, wurde Jochen Thull vom damaligen Kardinal Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI., zum Priester geweiht. Von 1991 bis 1994 arbeitete Jochen Thull als Kaplan in Wuppertal. Anschließend studierte er noch einmal drei Jahre bis 1997 in Rom, wo etwa 150 Professoren den rund 5.000 Studenten aus aller Welt die Kirchenlehre näher bringen. 1997 kehrte er erneut nach Deutschland zurück und übernahm die Porzer Gemeinde St. Maximilian Kolbe.

 

In seinem Beruf geht Jochen Thull vollkommen auf. Die Vielfalt mache ihm besonderen Spaß, sagt er, der tägliche Umgang mit den Menschen: „Ich begleite die Menschen über viele Jahre, von der Kommunion ins Erwachsenenalter.“ In seinen Predigten befasst er sich vornehmlich mit Textstellen aus der Heiligen Schrift, aber auch mit aktuellen Themen der Gesellschaft oder der Politik. Im Laufe der Woche „wächst“ ein Thema, samstags setzt er sich vormittags hin und bündelt seine Gedanken. „Lokalpolitisch mische ich mich in meiner Predigt nicht ein. Da wird mein Kommentar nicht erwartet“, meint der Pfarrer. Gleichwohl diskutiert er mit seiner neuen Gemeinde über viele Themen nach dem Gottesdienst.

„Brühls kulturelle Vielfalt gefällt mir”

Doch erst einmal muss er sich in Brühl einleben. Seine Wohnung wird er wohl erst im November beziehen können. Die Stadt selbst hat er bereits erkundet. Allzu viel wusste er vorher nicht. „Ich bin früher eigentlich nicht gezielt nach Brühl gefahren“, gesteht er. „Ich kannte Brühl so, wie es die meisten tun: Wegen der Schlösser und des Phantasialandes. Meine ersten Eindrücke sind sehr positiv. Die kulturelle Vielfalt gefällt mir sehr.“

 

Auch weltliche Genüsse sind Jochen Thull nicht fremd. Zigarillos raucht er gerne, italienischen Weißwein mag er. Und Krimis liest er gerne, bevorzugt aus der Feder von Henning Mankell oder Donna Leon. Mit Schwimmen hält sich der Pfarrer körperlich fit. In Rom spielte er auch gerne Fußball. „Ich war Torwart der Kollegsmannschaft und habe öfter gegen eine Auswahl der Schweizer Garde gekickt. Einmal haben wir sogar einen Pokal gewonnen“, lacht er. Klar, dass Jochen Thull mit dem 1. FC Köln sympathisiert und sich als Fan immer per Videotext auf dem Laufenden hält. Die Spiele selbst kann er nur selten sehen, weil er zeitgleich entweder seine Predigten vorbereitet und einen Gottesdienst abhält.

MargaretaS wird offene Begegnungsstätte

Jetzt freut sich Jochen Thull erst einmal auf seine neuen Aufgaben, bei denen ihm auch zwei weitere „Neue“ in Brühl unterstützen: Kaplan Jörg Stockem und Pastoralreferent Markus Dörstel. Jörg Stockem wurde 1974 in Aachen geboren und ist in Würselen groß geworden. Erst studierte er Jura, „dann hat der Heilige Geist zugeschlagen“, so der 35-Jährige lachend. Nach seiner Ausbildung arbeitete er in Wuppertal und Bad Münstereifel. Der Kaplan geht gerne auf die Menschen zu und engagiert sich in der Jugendarbeit. Markus Dörstel ist gebürtiger Brühler und 42 Jahre alt. Er studierte Theologie und Philosophie und war zuletzt beim Generalvikariat in Köln beschäftigt, wo er sich vor allem um die Pastoral- und Gemeindeentwicklung kümmerte.

 

Die weitere Entwicklung der Brühler Gemeinde liegt nun vor allem in den Händen von Jochen Thull. Dass er viel von seinem Job versteht, hat er bereits bewiesen. Auch in Brühl sind die Voraussetzungen gut. Sie werden noch besser, wenn das neue Begegnungszentrum „MargaretaS“ fertig gestellt sein wird. Dort können Aktionen, Tagungen und Veranstaltungen ausgerichtet werden. „Es wird kein klassisches Pfarrheim, sondern eine offene Begegnungsstätte für alle Brühler“, beschreibt der Pfarrer den entstehenden fast durchsichtigen Neubau direkt neben der Kirche St. Margareta. „Wir wollen einen Austausch über Glaubens- und Kirchenfragen und Kulturprogramme bieten. Ich freue mich schon sehr auf die baldige Eröffnung und die vielen Begegnungen mit den Gemeindemitgliedern.“

Tobias Gonscherowski