„Ich habe nur meine Bürgerpflicht getan”

Es geschah am hellichten Tag mitten in Brühl, genau genommen in der Nähe des Bahnhofs Brühl-Nord. Zwei junge Männer rauben einer Frau die Handtasche und rennen davon. Andre Bach, ein Brühler Bürger, erkennt die Situation blitzschnell, verfolgt und stellt die Täter. Weil er sie alleine nicht überwältigen kann, bittet er mehrere Passanten auf der Kaiserstraße um Hilfe. Doch die schauen alle gleichgültig weg. Erst drei zufällig vorbeikommende Müllmänner eilen Andre Bach beherzt zu Hilfe. Der Brühler Bilderbogen sprach mit dem unerschrockenen mutigen Mann.

 

BBB: Herr Bach, erzählen Sie doch noch einmal, was Mitte September mitten in Brühl genau passiert ist.

Andre Bach: Ich stand gerade in meiner Küche und schälte Zwiebeln als ich auf der Straße die Schreie einer Frau hörte, der die Handtasche gestohlen worden war. Ich lief auf die Straße und sah die Frau und zwei junge Männer, die in den Garten des Hauses gegenüber geflüchtet waren. Ich wusste aber, dass sie da feststeckten. Ich habe dann meine Tür aufgelassen und der Frau gesagt, sie solle die Polizei anrufen. Den Jugendlichen rief ich zu: „Es hat keinen Zweck, ihr kommt da nicht raus.“ Sie antworteten: „Wir waren es nicht.“ Darauf ich: „Wo ist die Handtasche?“ Und sie: „Die liegt im Gebüsch.“ Damit hatten sie sich ja bereits verraten. Sie sind dann über einen Garagendach gelaufen, in die Tiefe gesprungen und Richtung Kaiserstraße gerannt. Ich habe sie verfolgt und, auch wenn mir das viele Leute wegen meiner körperlichen Statur nicht zugetraut haben, und eingeholt. Unterwegs habe ich auch mehrere Passanten angesprochen. Zwei haben nicht reagiert, einer gesagt: „Ist mir doch egal.“ Als ich die Jungs eingeholt habe, wehrten sie sich. Ich wurde an der Lippe verletzt, außerdem wurden mir zwei Rippen gebrochen. Dann griff einer an seine Hosentasche und drohte mir mit einem Messer. „Wenn ich das jetzt raushole, mache ich Dich kalt“, sagte er. Da wurde mir schon mulmig. In dem Moment kam ein Müllwagen der Stadtwerke vorbei. Ich rief die Männer um Hilfe. Und die haben sofort unerschrocken und beherzt gehandelt und geholfen. Danach haben die Jugendlichen aufgegeben und uns beschimpft. Einer drohte mir noch Rache an. Nach ein paar Minuten ist dann die Polizei gekommen und hat sie abgeführt.

 

BBB: Was ist mit den Tätern danach geschehen?

Bach: Sie wurden mangels Haftgründen wieder auf freien Fuß gesetzt. Ich fühle mich nicht wohl dabei. Aber ich würde es wieder machen. Das ist eine Bürgerpflicht. Jeder, der in solchen Situationen wegschaut, macht einen Fehler. Das darf nicht sein. Man muss hingucken, solidarisch sein und muss zusammenstehen. Niemand erwartet Heldentum von einem, man darf sich nicht selbst in Gefahr bringen, sondern muss die Situation abschätzen. Als Berufsfeuerwehrmann konnte ich die Lage in etwa abschätzen.

 

BBB: Warum haben Sie Ihre Erfahrungen öffentlich gemacht?

Bach: Die Pressestelle der Polizei hat bei mir nachgefragt, ob ich damit einverstanden bin, dass mein Helfen publik gemacht wird. Ich habe kurz überlegt, mich mit meiner Frau und Freunden beraten und dann zugestimmt. Der beste Weg ist, Öffentlichkeit zu schaffen. Es muss ein gesellschaftliches Umdenken geben. Jeder muss in dem Maße helfen, wie er es kann. Ich habe eine überwiegend positive Resonanz erlebt. Viele bedanken sich, viele finden es gut.

 

BBB: Für viele Menschen sind Sie jetzt ein Held. Wie gehen Sie damit um?

Bach: Es geht mir auf die Nerven, ein Held genannt zu werden. Ich will kein Held sein und fühle mich auch nicht so. Ich habe nur meine Bürgerpflicht getan und das getan, was ich auch von anderen verlangen würde, was sie für mich tun sollen. Das ist irgendwie in meinem Wesen verankert. Ich bin gelernter Krankenpfleger und Feuerwehrmann. Ich helfe gerne. Ich möchte, dass die Menschen mehr Respekt voreinander haben. Es muss aufhören, dass Leute beraubt und verletzt werden. Ich bin schon einmal selbst vor einigen Jahren in Wesseling Opfer gewesen und überfallen worden, als ich noch Taxi gefahren bin. Da wurde ich mit einem Messer bedroht und habe das Geld rausgerückt.

 

BBB: Ihr mutiges Eingreifen sorgte für einiges Aufsehen. Welche Reaktionen gab es und welche Lehren ziehen Sie für sich persönlich aus der Geschichte?

Bach: Das Medienecho war enorm. Nach dem ersten Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger gab es Fernsehbeiträge von RTL, RTL explosiv, die Bildzeitung war bei mir, eine Presseagentur. Ich bekam einen Anruf von der ZDF-Sendung Kerner und auch von Johannes B. Kerner persönlich. Ich habe mir vorgenommen, mich für Prävention einzusetzen und mitzuhelfen, eine Veranstaltung gegen Gewalt zu organisieren. Ich habe schon mit Vertretern der Stadt Brühl gesprochen. Es ist noch nichts spruchreif, aber vielleicht kann man im Rahmen der Aktionen am 9. November etwas machen. Und wenn Sie nach den Lehren fragen. Mich stört, dass die Täter wieder freigelassen wurden. Es muss Strafen oder Maßnahmen geben. Es hat keinen Effekt auf die Täter und Folgetäter, einen Kuschelkurs zu fahren. Es müssen keine übermäßig schweren Strafen sein, aber Wiederholungstäter müssen anders bestraft werden.

 

Zur Person

Andre Bach (41) lebt seit zehn Jahren in Brühl. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der Berufsfeuerwehrmann ist vielen Brühler bekannt als Sänger des MGV Eufonia (Bild) und als Showkoch aus dem Fernsehen.