„Wir sind nicht gegen das Phantasialand”

Seit drei Jahren kämpft die Brühler Bürgerinitiative 50TausendBäume für den Schutz der Waldflächen des Naturparks Rheinland und gegen die Erweiterungspläne des Freizeitparks Phantasialand. Nachdem es zuletzt etwas ruhiger um das auf Eis liegende Thema geworden war, könnte es bald wieder auf der Tagesordnung der neuen NRW-Landesregierung auftauchen. Wir haben uns mit den Initiatoren der Bewegung, Dr. Doris Linzmeier und Marco Reinhardt zum persönlichen Gespräch und zu einer Ortsbegehung getroffen.

Unser Treffpunkt ist der Parkplatz Schnorrenberg. Von hier aus geht es los in den Wald. Wir spazieren auf einem schönen Waldweg durch die Natur, die sich im satten Grün präsentiert. Wir genießen die Stille, hören gelegentlich die Vögel zwitschern und stoßen bald auf den ersten See, den Forsthausweiher. „Wir bewegen uns die ganze Zeit in etwa auf der Grenzlinie“, informiert uns Doris Linzmeier. „Auf der anderen Seite des Weges in unmittelbarer Nähe des Sees beginnt die Fläche, die von den Erweiterungsplänen des Phantasialandes betroffen wäre.“

Auf unserer Wanderung erfahren wir viel über die Artenvielfalt, die Wechselwirkungen von Flora und Fauna, die „Schutzgüter Boden, Wasser, Luft und Klima sowie Landschaftsbild“. Wir gehen weiter und gelangen an den Stiefelweiher, der ebenfalls unter den geplanten Rodungen zu leiden hätte. Man kann noch so viel von Gutachten lesen, von wirtschaftlichen Zwängen und Notwendigkeiten. Wenn man mitten in der Natur steht, die sich hier in ihrer vielfältigen Schönheit zeigt, tut einem der Gedanke daran schon weh, dass dies alles verschwinden soll und an seiner Stelle Attraktionen eines Freizeitparks entstehen sollen mit allem, was dazugehört: Lärm, Müll, Emissionen.

Auf der anderen Seite sollte auch bedacht werden, dass sich genau in diesem Gebiet vor rund 100 Jahren die Frage Naturschutz oder Wirtschaftsinteressen schon einmal stellte. Damals wurde für den Braunkohle-Tagebau alles platt gemacht. Dann aber auch wieder rekultiviert. Rund 75 bis 80 Jahre alt sind die ältesten Bäume heute. Die Natur hat den Eingriff relativ gut weggesteckt und sich wieder erholt, auch wenn für die völlige Wiederherstellung des Ursprungszustandes in der Regel 100 Jahre benötigt werden.

So soll es auch bleiben. Das ist der erklärte Wunsch der Initiative 50TausendBäume. Die geschätzten 50.000 Bäume sollen vor dem Abholzen gerettet werden, die Fläche von rund 30 Hektar (das entspricht rund 60 Fußballfeldern) unangetastet bleiben. Das Phantasialand, derzeit übrigens etwa 28 Hektar groß, müsste sich dann nach Alternativen für seine in zwei Etappen geplante Westerweiterung umschauen.

 

Öffentlichkeit sensibilisieren

„Wir sind nicht gegen das Phantasialand“, beteuert Doris Linzmeier. „Wir suchen auch nach Alternativen oder einem Kompromiss. Wir sind zum Dialog bereit und haben auch im Herbst 2007 mit dem Parkleiter gesprochen.“ Im Moment ruht das Projekt. Zwar hat der Regionalrat die Erweiterung um zunächst 16 Hektar westlich der L194 genehmigt. Doch das Land NRW, dem der Boden gehört, hat einem Verkauf an das Phantasialand nicht zugestimmt. Dann kam der Landtagswahlkampf, niemand wollte das „heiße Eisen“ so richtig anfassen. Und so schlummert es weiter vor sich hin. Ausgang ungewiss.

Das bedeutet aber nicht, dass die Initiative 50TausendBäume tatenlos der Entscheidung entgegenharrt. „Wir wollten zunächst einmal die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren“, sagt Marco Reinhardt. „Das ist uns gelungen, obwohl wir anfangs bei unseren Standaktionen in der Innenstadt manchmal regelrecht angefeindet wurden. Da kam es zu harten Konfrontationen. Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Wir haben viele Sympathisanten und schon einiges erreicht. Wir werden weiter am Ball bleiben.“

Die Initiative verfolgt ihre Ziele konsequent. Im Februar des vergangenen Jahres gründete sie einen Förderverein, dessen Zweck die Förderung der Initiative 50TausendBäume bei ihrer Arbeit im Sinne des Naturschutzes im Naturpark Rheinland ist. Etliche Aktionen wurden bereits durchgeführt. Eine mit 45 Tiermotiven verzierte, 100 Meter lange Papierwand stellte die Initiative in Zusammenarbeit mit dem Künstler Fredrik Erichsen mitten im Wald auf. Ein anderes Mal umwickelten die Umwelt-Aktivisten die Bäume als Zeichen der Trauer mit weißen Bändern. Auch bekamen sie prominenten Zuspruch durch die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn.

Von der Kommunalpolitik wurden sie in Brühl von den Grünen und nach anfänglichem Zögern von der BVB unterstützt. „Es sind nicht einmal die unmittelbaren Anlieger, die sich für die Sache stark machen, sondern auch viele Menschen aus der Innenstadt“, sagt Doris Linzmeier. Auch Teile der SPD und der CDU sympathisieren mit der Initiative. „Leute wie Theo Meyers haben uns tatkräftig unterstützt“, meint die 46-Jährige. „Oft ist die private Meinung der Politiker abweichend von der offiziellen Parteilinie.“

Auch von auswärts erfährt 50TausendBäume viel Zuspruch. Aus Erftstadt, aus Pulheim, aus ganz NRW. „Der Rhein-Erft-Kreis gehört zu den waldärmsten Gebieten in NRW“, berichtet die Biologin. „Außerdem ist das Interesse an unserem Fall deswegen groß, weil hier ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte. Wenn es einem Privatunternehmen erlaubt wird, einen Wald in einem Naherholungsgebiet abzuholzen, werden andere folgen wollen.“

Auch dank des erbitterten Widerstandes der Initiative hat der NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) den Waldverkauf an das Phantasialand erst einmal abgelehnt und auf die Zeit nach der Wahl verwiesen. Die ist jetzt gelaufen, vermutlich wird in Kürze eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen in NRW die Macht übernehmen und sich des Themas früher oder später annehmen müssen.

Derweil betont Doris Linzmeier die Wichtigkeit des Waldes auch als Wirtschaftsfaktor. „Rund 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte arbeiten in der Forstwirtschaft, mehr als in der Autoindustrie“, sagt die Sprecherin der Initiative. „Das wird immer unterschätzt.“ Zudem gehört der Villewald zum Projekt „RegioGrün“ und soll zusammen mit der Erftaue den dritten Kölner Grüngürtel bilden. Und dass der Wald das Klima in Brühl positiv beeinflusst, steht ohnehin außer Frage.

 

Artenvielfalt in Gefahr

„Würde dieser Waldbereich als verbindender Korridor zwischen den Biotopen Forsthausweiher und Stiefelweiher verschwinden, hätte das ökologisch negative Konsequenzen für diese beiden Biotope. Ein Austausch von Individuen und somit von Erbmaterial zwischen den Populationen einer Art wäre durch eine Zerschneidung der Lebensräume unterbunden. Infolgedessen würden die Populationen anfälliger gegenüber Krankheitserregern oder Parasiten und könnten zusammenbrechen. Die sich in diesem Waldbereich entwickelnde Artenvielfalt wäre in Gefahr“, warnt Doris Linzmeier.

Die Bedeutung des Phantasialandes für Brühl verkennt auch Marco Reinhardt nicht. „Wir wollen nicht, dass das Phantasialand zumacht. Wir wissen, dass es ein wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler in Brühl ist, ein Wirtschaftsfaktor und Imageträger. Aber es ist nicht der einzige. Und die Erweiterung muss auch nicht in ein geschlossenes Waldgebiet gehen“, sagt der Mediengestalter. „Die Stadt Brühl definiert sich nicht über das Phantasialand.“

Es ist der klassische Konflikt zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen. Das Phantasialand führt an, einen größeren Platzbedarf zu benötigen, um im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Es ist bereit, für die vom Gesetz vorgeschriebenen entsprechenden Ausgleichsflächen für den benötigten Wald zu sorgen. Doch es dauert Jahrzehnte, um einen Wald gleicher Qualität zu schaffen.

Eine Alternative zur Westerweiterung wäre, den Bauern das Land abzukaufen, auf denen sich jetzt die Parkplätze befinden. Dann könnte das Phantasialand an anderer Stelle ein großes Parkhaus bauen und das frei gewordene Land mit neuen Attraktionen bebauen. Die Bauern könnten dann an den Einnahmen des Parkhauses beteiligt werden. Diesen Vorschlag von Naturschutzverbänden und dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, lehnte das Phantasialand ab, wie Doris Linzmeier berichtet. Letztlich dürfte die Entscheidung von der Politik getroffen werden. Ob danach auch noch Gerichte bemüht werden müssen, bleibt dann abzuwarten.

Tobias Gonscherowski