„Man mus die Tür offen lassen”

Das öffentliche Bekenntnis des ehemaligen Fußballmanagers Rudi Assauer, an Alzheimer erkrankt zu sein, sorgte kürzlich bundesweit für Aufsehen, Betroffenheit und ein großes Medienecho. Denn nur selten gehen prominente Menschen damit so offensiv um, wie der 67 Jahre alte frühere Macher von Schalke 04.

Obwohl in Deutschland über eine Million Menschen an Demenz leiden, deren häufigste Ursache die Alzheimer-Krankheit ist, wird über die Krankheit vergleichsweise wenig berichtet. Einerseits weil Nichtbetroffene unbegründete Berührungsängste plagen, zum anderen aber auch, weil die Betroffenen und deren Angehörige selbst oftmals die Krankheit verschweigen und sich abschotten. In Brühl engagiert sich die „Alzheimer-Gesellschaft Aufwind Brühl e.V.“ seit vielen Jahren dafür, „Menschen mit Demenz Würde zu geben“. Wir haben uns mit den beiden Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins, Christa Dirks-Isselmann und Monika Franke, unterhalten.

BBB: Frau Dirks-Isselmann, Sie haben vor 16 Jahren mitgeholfen die Alzheimer-Gesellschaft Aufwind ins Leben zu rufen. Wie kam es zu der Idee?
Christa Dirks-Isselmann:
Ich war früher im Seniorenwohnheim Wetterstein für Beschäftigungsangebote zuständig. Dabei knüpfte ich auch Kontakte mit den pflegenden Angehörigen. Durch die Gespräche mit den betroffenen Angehörigen wurde mir klar, dass sie mit ihren Problemen und Sorgen oftmals allein dastanden. Dadurch entstand 1996 die Idee, eine Alzheimer-Selbsthilfegruppe in Brühl zu gründen. Jahrelang waren wir in Brühl, Wesseling und im Vorgebirge der einzige Ansprechpartner für Angehörige von Demenzkranken. Die Selbsthilfegruppenabende wurden gut besucht. Seitdem wird das Angebot dank des Engagement von vielen ehrenamtlichen Helfern kontinuierlich ausgebaut. Besonders hervorzuheben ist die Hilfe von ehemaligen Angehörigen, die sich weiterhin vorbildlich engagieren, obwohl ihre Angehörigen inzwischen verstorben sind.

 

BBB: Welche Erfahrungen mit Aufwind haben Sie, Frau Franke, anfangs gemacht?
Monika Franke:
Ich habe vor rund 13 Jahren einen Tag der offenen Tür der Tagespflege besucht und meine an Demenz erkrankte Mutter mitgebracht und für einige Zeit dagelassen. In dem Moment sind meine Gefühle mit mir Achterbahn gefahren, weil ich gedacht habe, ich hätte meine Mutter abgeschoben. Aber dann merkte ich, dass sie es dort schön fand und sich wohlgefühlt hat. Seitdem engagiere ich mich auch bei Aufwind.

 

BBB: Mit welchen besonderen Schwierigkeiten haben demenzerkrankte Menschen zu kämpfen?
Dirks-Isselmann:
Den demenzerkrankten Menschen fällt es schwer, Erinnerungen abzurufen, neue Erfahrungen aufzunehmen, sich räumlich und zeitlich zu orientieren und mit ihrem gewohnten Alltag fertig zu werden. Sie können schon bald vollständig auf fremde Hilfe angewiesen sein. Etwa zwei Drittel aller Betroffenen werden oft rund um die Uhr von ihren Angehörigen betreut und gepflegt. Noch immer ist eine ursächlich wirksame Behandlung mit Medikamenten nicht möglich, aber eine einfühlsame, auf die Krankheit zugeschnittene Betreuung stellt für die Erkrankten und ihre Angehörigen eine Verbesserung ihrer Situation dar.

 

BBB: Viele Leute können mit der Krankheit nicht umgehen und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, sowohl Angehörige als auch Nachbarn und Freunde. Was raten Sie?
Franke:
Es ist klar, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen sich total verändern. Es ist ein langer Verlauf und sehr schwer für die Angehörigen. Viele ziehen sich dann oft zurück, manche wollen es verheimlichen. Es gibt aber auch positive Beispiele, schließlich ist Demenz ja auch keine ansteckende Krankheit. Es gibt neue Erlebnismöglichkeiten der Familie. Oftmals helfen die Nachbarn. Man muss die Tür offen lassen, die Leute sollten kommen und die Familien entlasten dürfen. Man muss lernen, damit umzugehen. Es gibt schwere Zeiten und viele traurige Seiten. Es gibt aber auch schöne Momente. Wir unternehmen öfter Ausflüge, mischen uns unter die Leute, die dann gar nicht merken, dass sie mit Demenzkranken sprechen.

 

BBB: Wie sehen die konkreten Angebote von Aufwind aus?
Dirks-Isselmann:
Wir bieten eine ganze Reihe von Angeboten. Einmal im Monat trifft sich die Selbsthilfegruppe von demenziell erkrankten Menschen bei gleichzeitiger Betreuung der Erkrankten. Es gibt ein monatliches Musik-Café für Erkrankte mit ihren Angehörigen und Freunden. Zweimal in der Woche finden Gruppenbetreuungen für Demenzkranke unter dem Motto „Zeit für Dich – Zeit für mich“ statt. Wir bieten zudem eine Demenzberatung für Angehörige an, ebenso eine psychologische Beratung. Wir helfen dabei, eine Einzelbetreuung im häuslichen Bereich für Demenzerkrankte zu organisieren. Wir haben inzwischen im vergangenen Jahr einen eingetragenen, gemeinnützigen Verein gegründet und haben dank der Unterstützung der Stadt Brühl auch ein eigenes Büro in der Liblarer Straße. Wir haben rund 100 Mitglieder und 38 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Als Verein können wir jetzt Gelder beantragen.


Das ist „Aufwind”

Vor 16 Jahren wurde die Alzheimer-Gesellschaft Aufwind gegründet und im vergangenen Jahr durch eine „Umwandlung“ in einen eingetragenen Verein auf ein noch solideres Fundament gestellt. Mitgründerin Christa Dirks-Isselmann ist die 1. Vorsitzende, möchte aber mit ihren inzwischen 70 Jahren in absehbarer Zeit etwas kürzer treten. Die 2. Vorsitzende Monika Franke organisiert den Helferkreis von Aufwind und kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit.

Die Selbsthilfegruppe trifft sich einmal im Monat, jeweils Dienstag im Wetterstein, Kölnstraße 74-84, das nächste Mal am 20. März um 18.30 Uhr. Die nächsten Termine für das Musik-Café sind am 10. März und 21. April von 15.30 bis 17.30 Uhr ebenfalls im Wetterstein. Weitere Infos und die Bankverbindung gibt es unter: www.aufwind-bruehl.de oder unter Telefon: 02232/1502191.