In den letzten turbulenten Wochen in der Brühler Kommunalpolitik war es Michael Weitz, der sich wohltuend von seiner aufgeregten politischen Umgebung unterschied. Statt im Rahmen der Diskussion um den Rathaus-Neubau den Bürgermeister anzugreifen, wie es die Fraktionsführer von CDU und Grünen im Brühler Stadtrat taten, bemühte sich der 38-Jährige SPD-Politiker stets um eine im ruhigen Ton geführte, sachliche Auseinandersetzung. Damit eckte er zunächst auch in der eigenen Fraktion an, doch bewirkte er inzwischen einen Prozess des Umdenkens. Michael Weitz hat sich mit einer bemerkenswerten persönlichen Erklärung im Rat über die Parteigrenzen hinaus großen Respekt verschafft. Der Brühler Bilderbogen hat mit ihm gesprochen.

Michael Weitz wurde 1978 in Brühl geboren und wurde mit seinen beiden Geschwistern von seiner alleinerziehenden Mutter aufgezogen. Die Großeltern unterstützten die Familie sehr, mit seinem Großvater führte er seine ersten Diskussionen über politische Themen oder geschichtliche Vorgänge. Zu seiner Schulzeit war er Klassensprecher und auch später SV-Sprecher. „Ich konnte Ungerechtigkeiten noch nie ertragen und habe mich schon während der Schulzeit auch politisch engagiert", erzählt Michael Weitz. Parteipolitik spielte damals noch keine Rolle. Nach dem Abitur überlegte er in welcher Form er sich engagieren könnte. „Ich wollte direkt an etwas mitwirken und sehen können, dass man etwas bewirken und verändern kann”, erinnert er sich an seine politischen Anfänge.

Im Jahr 2001 trat er dann mit 23 Jahren in die SPD ein, weil ihm gefiel, dass unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder z.B. in den Bereichen Ausländerrecht, Arbeitsmarkt oder Gleichstellung viel verändert wurde. „Schröder ist Themen angegangen, die unter Kohl liegen geblieben waren, nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Und ich glaube nicht, dass alles falsch war. Es kam Bewegung in die Sache.” Die CDU kam für Michael Weitz nicht in Frage, „weil ich meinen persönlichen Hintergrund nicht in dieser Partei gefunden habe”. Die Grünen waren ihm „zu bevormundend”. „In der SPD habe ich den größeren Willen gespürt, etwas zu gestalten, als sich zu verheddern”, meint der Kommunalpolitiker, der bei den Jusos einstieg, erste politische Ideen entwickelte und als sachkundiger Bürger in der Fraktion mitarbeitete. „Im Sozialausschuss ging es schon damals um das Thema Barrierefreiheit im Rathaus. Mit dem Thema bin ich also bestens vertraut”, lacht Michael Weitz.

Bei derKommunalwahl 2004 wurde er erstmals als Kandidat aufgestellt, aber noch nicht in den Rat gewählt. Das geschah dann fünf Jahre später über einen guten Listenplatz. 2014 gewann er seinen Wahlkreis in der Brühler Innenstadt. Seitdem kennt er das kommunalpolitische Tagesgeschäft. Die inhaltliche Arbeit wird in den Ausschüssen geleistet, in der öffentlichen Ratssitzung wird dann die Tagesordnung relativ zügig abgearbeitet. „Manchmal kann es auch frustrierend sein, wenn ein eigener Antrag, den man selbst formuliert und vorgestellt hat und den man für wichtig und gut hält, nur deshalb abgelehnt wird, weil man als Antragsteller der falschen Partei angehört. Aber man lernt damit umzugehen”, sagt Michael Weitz.

Ein Kommunalpolitiker investiert viel Zeit. Man engagiert sich für Wahlkämpfe, man hat viele Sitzungen in den Ausschüssen und im Stadtrat – und man macht all das neben seinem Hauptberuf. „Aber ich mache es gerne. Ich führe gerne direkte Gespräche. Und es gibt nur sehr wenig Leute, die gar nicht mit sich reden lassen”, sagt Michael Weitz. In den letzten Jahren wurde er auf der Straße nur ein- oder zweimal persönlich beleidigt. Die monatliche Aufwandsentschädigung ist gering, stellt keinen finanziellen Anreiz dar und muss auch teilweise versteuert werden. „Der Anreiz, sich in der eigenen Stadt zu betätigen, besteht darin, dass man die Möglichkeit hat, Dinge, die einen ärgern, zu beseitigen und mitzugestalten", meint Michael Weitz.



Klares Nein zur Variante 3
Berührungsängste kennt er nicht, die Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner gehören dazu. „Das ist das politische Alltagsgeschäft. Manche Auseinandersetzung wirkt nach außen aufgeheizter, als sie eigentlich ist. Bei allen Unterschieden bin ich überzeugt, dass jedes Ratsmitglied nur das Beste für die Stadt will”, glaubt Michael Weitz. „Es gibt keine Fraktion, mit deren Mitglieder ich nicht spreche.” Zu dem aktuell brisantesten Thema in Brühl, die Frage des Rathaus-Umbaus, hat er eine klare Meinung, die sich noch vor wenigen Wochen fundamental von der seiner Fraktion unterschied.
In einer persönlichen Erklärung kommentierte der im Hauptberuf als Integrationsfachkraft und Arbeitsvermittler tätige Politiker zwei Tage nach dem Ratsbürgerentscheid das Ergebnis und sprach sich dafür aus, dem eindeutig artikulierten Bürgerwillen zu folgen und die so genannte Variante 3 – Abriss des Sechzigerjahreanbaus und größeren Neubau – fallen zu lassen, auch wenn das Quorum des Ratsbürgerentscheids nicht erreicht wurde. Damit stellte er sich auch gegen die eigene Fraktion, die zuvor noch einstimmig für den großen Neubau votiert hatte. „Es gab einige heftige Vorwürfe und einen Schockmoment innerhalb der Fraktion, aber keine Entzweiung, keine persönlichen Angriffe oder Verletzungen”, sagt Michael Weitz. „Wir haben uns danach zusammengesetzt, gesprochen und schnell wieder zueinander gefunden.” Die Meinungsfindung gestalte sich jedoch schwierig. Die Mehrheit der Fraktion wollte auf die große Zahl der Nein-Stimmen eingehen, ein Drittel befürwortete weiter die Variante 3. „Mit einer Vertagung in den Oktober wollten wir erreichen, dass z.B. Alternativen für die Unterbringung der Bücherei geprüft werden.“ Schwarz-Grün ist diesem Antrag jedoch nicht gefolgt.

„Konnten den Bürger nicht von Variante 3 überzeugen”
Bei der ersten Ratssitzung nach der Sommerpause gab es daher aus den Reihen der SPD keine einzige Ja-Stimme mehr für Variante 3, stattdessen fünf Enthaltungen und zehn Nein-Stimmen. Mit seinem mutigen Auftritt hat Michael Weitz dazu beigetragen, einen Stimmungsumschwung innerhalb der SPD zu bewirken. Warum hat Michael Weitz seine Meinung geändert? „Ich habe mich intensiv mit der Variante 3 beschäftigt und viele Gespräche darüber geführt innerhalb der Familie, mit Freunden und Bürgern aus allen Lagern. Ich habe festgestellt, dass ich niemanden aus den unterschiedlichsten Gründen von der Richtigkeit der Variante 3 überzeugen konnte. Zu teuer, zu groß, nicht alle Möglichkeiten geprüft waren die Gegenargumente. Das hat mir zu denken gegeben. Und das Ergebnis des Ratsbürgerentscheids hat das eindeutig dokumentiert”, erklärt der SPD-Politiker. „Ich habe mich für den Ratsbürgerentscheid eingesetzt und wollte dadurch nicht nur die Zustimmung für die Variante 3 erreichen, sondern auch ein Meinungsbild bekommen. Das habe ich bekommen und daraus die Konsequenz gezogen. Den Bürgern ist klar, dass mit dem Rathaus etwas passieren muss. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Und die Bürger haben gesagt: So nicht. Und diese Meinung dürfen wir nicht außen vor lassen.”
Das sahen CDU, Grüne und die FDP jedoch anders. Sie boxten die Variante 3 im Parforceritt und unter Bruch bestehender Traditionen durch den Rat. Juristisch gab es daran auch zunächst nichts zu beanstanden, bis dann der Einspruch eines Bürgers erfolgte, der die öffentliche Ratssitzung verfolgen wollte, aber vor einer verschlossenen Rathaustür stand. Somit sind alle an jenem 5. September gefassten Beschlüsse ungültig, sie müssen noch einmal durch den Rat.

Michael Weitz hat in diesen hektischen Wochen sein Profil geschärft und sich einen Namen gemacht. An eine politische Karriere später einmal als Fraktionsvorsitzender oder Bürgermeisterkandidat denkt er nicht. „Ich mache mir keinerlei Gedanken darüber”, versichert er abschließend. Ob es vielleicht andere Leute bald tun?