„Ich lehne die Erweiterungspläne des Phantasialandes ab“
Simone Holderried ist die erste Bürgermeisterkandidatin der Grünen, die eine Stichwahl in Brühl erreicht hat. Mit knappem Vorsprung sicherte sie sich mit 22,5 Prozent Platz 2. Damit tritt die 56-Jährige am 28. September in der Stichwahl gegen Dr. Marc Prokop von der CDU an.

BBB: Frau Holderried, wie denken Sie über die Erweiterungspläne des Phantasialands?
Simone Holderried: Ich bin für den Erhalt des Naturschutzgebietes am Ententeich. Die Erweiterungspläne in das Naturschutzgebiet und in die Kleingartenanlage lehne ich ab. Das Phantasialand ist ein wichtiges Unternehmen in unserer Stadt dem es in den letzten Jahren immer wieder gelungen, im besten Sinne erfinderisch zu sein. Eine Erneuerung innerhalb des bestehenden Geländes kann auch in den kommenden Jahren erfolgen.
Angesichts der jetzt schon erlebbaren Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Stadt – insbesondere Starkregenereignisse und Trockenheit – halte ich es für geboten, das 14 ha große Naturschutzgebiet und auch die Kleingartenanlage zu erhalten. Das Argument, dass es sich ja „nur“ um einen aufgeforsteten Wald handle, ist nicht stichhaltig, denn nahezu alle Fläche in Deutschland ist Kulturlandschaft. Ein Gebiet wird nicht ohne Grund zu einem Naturschutzgebiet erklärt, sondern weil es aufgrund der Pflanzen und Tiere als schützenswert gilt. Das besagte Gelände am Ententeich hat diesen Schutzstatus.
Der Vorschlag, das Bauleitverfahren einzuleiten, um dann auf der Basis von Gutachten zu entscheiden, ob wirklich gebaut werden soll (wie es das Phantasialand und auch die CDU fordern), entspricht nicht der Idee des „B-Planverfahrens“. Ein Aufstellungsbeschluss bekundet das Interesse der Stadt, den Bereich zu überplanen und kann im Falle des Doch-nicht-Bauens zu finanziellem Schaden für die Stadt führen.
BBB: Wo sehen Sie Einsparpotenzial im Brühler Haushalt?
Holderried: Der städtische Haushalt ist äußerst angespannt. Das liegt nicht daran, dass an überflüssigen Stellen Geld ausgegeben wurde und wird. Die Kommunen in Deutschland sind strukturell unterfinanziert. Wenn wir die Digitalisierung der Verwaltung mit Nachdruck und zügig fortsetzen (was aber zunächst auch Investitionen erfordert), sehe ich die Möglichkeit, dass zukünftig durch effizientere Abläufe und mehr Homeoffice Raum- und Personalkosten reduziert werden können. Digitalisierung ist zudem wichtig, um trotz des zu erwartenden Fachkräftemangels als Verwaltung alle Aufgaben gut bearbeiten zu können. Daneben gibt es sicherlich kleinere Einsparmöglichkeiten, aber das strukturelle Defizit wird damit nicht behoben.
BBB: Welche freiwilligen städtischen Angebote sind unverzichtbar für Brühl?
Holderried: Aus meiner Sicht gehört es zur Identität unserer Stadt, dass wir ein breites kulturelles Angebot haben. Die Kunst- und Musikschule halte ich deswegen für unverzichtbar. An einer besseren Refinanzierung wird bereits gearbeitet – aber es ist auch klar, dass die KUMS immer ein Zuschussgeschäft bleiben wird.
Für unverzichtbar halte ich die Unterstützung ehrenamtlichen Engagements in Brühl. Das, was Menschen in Vereinen und Organisationen für unsere Stadt leisten – ob in einer Karnevalsgesellschaft, im Jugendverband, im Sportverein, einer Ortsgemeinschaft, einer Initiative für mehr Demokratie etc. – ist in mehrerlei Hinsicht unbezahlbar. Dieses Engagement ist ein Reichtum und wirkt wie ein Kitt für unser Zusammenleben.
BBB: Welche Position vertreten Sie zur Zukunft des Belvedere-Parkplatzes?
Holderried: Der Belvedere ist ein Filetstück und muss in den kommenden Jahren endlich entwickelt werden. Der jetzige Zustand als Parkplatz ist ein Provisorium (was bekanntermaßen oft lange hält). Bevor eine Veränderung möglich ist, müssen am nördlichen Eingang in die Innenstadt ausreichend Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Geplant wird derzeit, das sog. Wickegelände so zu entwickeln, dass hier auch Parkmöglichkeiten entstehen. Dadurch wird die Kölnstraße vom Parksuchverkehr entlastet, und der Belvedere kann neu gestaltet werden. Bei der Neugestaltung möchte ich die Bürgerinnen und Bürger ernsthaft beteiligen, um eine breite Zustimmung für und Identifikation mit dem Projekt zu erreichen. Es muss selbstverständlich auch zukünftig gewährleistet sein, dass Menschen mit Gehbeeinträchtigung gut in die Innenstadt kommen.
BBB: Wie sehen Sie die Zukunft der Brühler Schullandschaft?
Holderried: Die Brühler Schullandschaft ist breit aufgestellt. Dennoch wird sie dem Bedarf der Brühler Schülerinnen und Schüler nicht gerecht. In den vergangenen Jahren bekamen jeweils ca. 60 Kinder keinen Platz in der Schule, auf die sie gerne gegangen wären: der Gesamtschule. Das ist meines Erachtens eine Situation, die man nicht einfach so hinnehmen kann. Da in der vergangenen Wahlperiode die Idee einer zweiten Gesamtschule gescheitert ist, muss es eine andere Möglichkeit geben, wie wir diesen Kindern einen gewünschten Schulplatz anbieten können. Ich habe dazu noch keine fertige Lösung, aber ich sehe es als meine Aufgabe als Bürgermeisterin, dieses Thema anzupacken und nicht auf die lange Bank zu schieben.
BBB: Welche strukturellen Verbesserungsvorschläge haben Sie für die Brühler Gewerbegebiete?
Holderried: Die Brühler Gewerbegebiete sind aufgrund des kleinen Stadtgebietes räumlich sehr begrenzt. Durch den Wegzug von Renault ist ein größeres Areal frei geworden, das zukünftig als neue Gewerbefläche dient. Durch proaktive Wirtschaftsförderung lassen sich neue, attraktive Unternehmen in Brühl ansiedeln. Verbessern müsste sich die Anbindung der Gewerbegebiete an den Stadtbus, das habe ich in meinen vielen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern immer wieder gehört. Auch die Idee einer „überbetrieblichen Betriebs-Kita“ finde ich überlegenswert und könnte zu einem Standortvorteil führen.
BBB: Haben Sie genug gegen den Rechtsruck und die AfD getan?
Holderried: Wer kann angesichts des Wahlergebnisses der AfD schon behaupten, genug gegen den Rechtsruck getan zu haben? Mir bereitet die Entwicklung des Rechtsextremismus in unserem Land große Sorgen. Und ich finde es erschreckend, wie Vorurteile gegen Menschen mit Migrationsgeschichte, gegen Bedürftige und gegen Andersdenkende immer mehr in die Mitte unserer Gesellschaft rücken. Wir haben in Brühl viele Initiativen und Organisationen, die dazu ein Gegengewicht darstellen. Das trägt für mich sehr zum positiven Lebensgefühl in unserer Stadt bei und macht mich zuversichtlich. Als Bürgermeisterin werde ich mich dafür engagieren, dass unsere Stadt bunt und lebendig bleibt.