Einst ging der Künstler Max Ernst im „Brühler Pavillon" tanzen. Heute befindet sich in dem ehemaligen Ausflugslokal entlang der ersten Eisenbahnstrecke zwischen Köln und Bonn das Max Ernst Museum Brühl des LVR. Es wurde am 4. September 2005 eröffnet und widmet sich seither zentral dem Leben und Werk des in Brühl geborenen, international bekannten Künstlers Max Ernst (1891-1976). Sein bewegtes Leben, das von beiden Weltkriegen geprägt wurde, führte ihn von Brühl über Köln nach Paris, dann ins Exil über New York und Arizona (USA) schließlich wieder zurück nach Europa.

Regelmäßig präsentiert das Museum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) Wechselausstellungen von der Klassischen Moderne bis in die Gegenwart. Mehr als eine Million Menschen besuchten bislang über 60 Ausstellungen, die teilweise in internationalen Kooperationen entstanden sind, darunter u. a. Neo Rauch, Niki de Saint Phalle, David Lynch, Tim Burton, M.C. Escher, Joan Mir6, Joana Vasconcelos, Moebius, Nevin Aladag und Alberto Giacometti.
Im Rahmen des 20. Geburtstags des Museums trifft aktuelle Kunst auf Max Ernst: Marion Verboom und Christoph Westermeier eröffnen im Kontext der Museumssammlung neue Blickwinkel auf den Surrealismus. Marion Verboom (*1983 in Nantes, lebt und arbeitet in Paris) präsentiert unter dem Titel "Loplop" eigens für das Max Ernst Museum Brühl des LVR entwickelte Skulpturen, die tradierte Auffassungen von Skulptur und Materialität infrage stellen. Ihre surreal anmutenden Objekte erinnern an die Assemblagen von Max Ernst und entfalten dabei einen spielerischen Dialog mit seinem Werk. In diesem spannungsvollen Nebeneinander entsteht eine imaginäre Bühne - ein Theater der Kreaturen -, auf der die Skulpturen beider Künstler*innen interagieren. Zu sehen sind ihre Werke „Achronien" und "Theater der Kreaturen". "Achronie" bezeichnet ihre zentrale Strategie, Geschichte nicht chronologisch, sondern als offenes, ,,achronisches" Netz von Bedeutungen zu begreifen, das fortwährend neu geordnet und hinterfragt werden kann. Ihre Skulpturen betonen das Wechselspiel von Mythologie und Artefakt.

Als visuelle Archive versammeln sie Zeichen und Formen, ohne sie einer Hierarchie zu unterwerfen. Sie schaffen Möglichkeitsräume für neue vielstimmige Erzählungen, in denen Erinnerungen, Identitäten und kulturelles Erbe ineinandergreifen. Die vertikale, säulenhafte Struktur ihrer Achronien verbindet menschliche Geschichte, Geologie und lebende Formen.
"Theater der Kreaturen"
Die Idee von „Loplop" ist auch in der zweiten Intervention von Marion Verboom, dem Theater der Kreaturen, präsent. Für den letzten Sammlungsraum im Obergeschoss hat sie eine zoomorphe Plattform konzipiert, auf der ihre Skulpturen denen von Max Ernst unmittelbar begegnen. Es entsteht ein lebendiges Spiel aus Formen und Farben.

Christoph Westermeier (*1984 in Köln, lebt und arbeitet in Düsseldorf) setzt sich in seinen Collagen und Druckgrafiken künstlerisch-forschend mit Max Ernst, dem Surrealismus sowie den Verflechtungen mit Kolonialismus auseinander. Ausgehend von Leben und Werk Max Ernsts - insbesondere den D-Paintings -, rückt er Fragen nach kultureller Aneignung und fremder Autorenschaft ins Zentrum seiner künstlerischen Reflexion. In seiner Sammlungsintervention Sedona Vogel tritt er in einen offenen Dialog mit Max Ernst aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts: kritisch, suchend, ohne eindeutige Antworten.
Für Westermeier wird das Max Ernst Museum zum idealen Resonanzraum. Hier können die verschiedenen Facetten von Max Ernst sichtbar werden - nicht nur das, was im Kanon überliefert ist, sondern auch das, was bislang als blinde Flecken mitgetragen wurde. Sedona Vogel lädt dazu ein, Verbindungen zu entdecken, Abwesenheiten zu bemerken und die Mechanismen der kunsthistorischen Erzählung neu zu befragen.
„Max Ernst ist eine zeitlose Figur, da er mit seinem Umgang mit gefundenen Materialien und dem Sampeln fremder künstlerischer Erzeugnisse künstlerisch ein Vorreiter des Copy-Paste-Zeitalters ist", sagt Christoph Westermeier. ,,Dabei stellt sich natürlich die Frage, welcher Quellen sich Max Ernst bedient hat, und diese Frage beantworteten wir heute ganz anders als sie im 20. Jahrhundert beantwortet wurde.
Da ich als Künstler selbst mit gefundenen Materialien arbeite und beispielsweise bestehende Buchseiten überdrucke, bin ich mir dieser Ambivalenzen bewusst und suche nach einem angemessenen Umgang mit fremder Autorenschaft. Appropriator illustriert nicht die Biographie von Max Ernst, sondern stellt Fragen. Ein Museum wie das MEM ist hierfür der geeignete Ort. Als Institution, die einer einzelnen Position gewidmet ist, wird Max Ernst in all seinen Fassetten sichtbar und kann aus der Gegenwart heraus befragt werden. Appropriator lädt ein, zu entdecken und Verbindungen zu sehen. Dabei sollte aber nicht nur herausgefunden werden,
was zu sehen ist, sondern auch, was nicht mit zu sehen ist."