"Es herrschte eine ausgelassene Partystimmung"

Das Lob kam aus berufenem Mund und ging den Eufonisten runter wie Öl. "Für die Dame und die Herren. Jetzt kommt eine große Überraschung. Ich kann nicht anders: 10 Punkte." So urteilte Jurorin Jane Comerfort, nachdem sie das Stück "Ein Freund, ein guter Freund" des Brühler Männergesangverein Eufonia in der ZDF-Sendung "Grand Prix der Chöre" gehört hatte. Ihre Jurorenkollegen Patrick Lindner ("Hervorragend gesungen, von mir 9 Punkte") und Gotthilf Fischer ("Eine Dame, die mit so vielen Herren fertig wird, eine 9") sahen es ähnlich. Damit landete Eufonia in der Jury-Bewertung auf dem 2. Platz.


 

Dass das bundesweite TV-Publikum am Ende ganz anders votierte und den Brühler Männerchor auf Platz 8 setzte, interessierte die Sänger später relativ wenig. Was am Ende von der Unterhaltungssendung blieb, waren zahllose unvergessliche Erlebnisse und die Höchstwertung von Jane Comerfort, die als einziges Mitglied der Jury ihre Beurteilungen fundiert erläuterte und keinem anderen Chor eine "10" zusprach. Und Jane Comerfort weiß als Dozentin an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, wovon sie spricht. "Ihr habt es verstanden, nicht nur uniform in Eurer Performance und Empfindung dieses Werkes zu sein, sondern auch jeden unikat heraus zu kitzeln", sagte sie mit ihrem sympathischen Akzent. "Ich denke, die Dame hat ganz viel Arbeit gehabt, Euch so weit zu bringen, wo Ihr seid. Aber das ist ganz, ganz wichtig. Es sah sehr professionell aus und hörte sich auch so professionell an, dass das heute abend einfach top war. Vielen Dank."
 
Es sind schon ein paar Wochen ins Land gezogen, als wir uns mit der Chorleiterin und einigen Sängern trafen, aber ihre Begeisterung war noch nicht verflogen, ganz im Gegenteil. "Wir durchlebten gefühlsmäßig eine Wellenbewegung, es ging auf und ab", erzählt Klaus Kröhne, der 1. Bass. "Nach dem NRW-Casting herrschte eine unglaubliche Euphorie darüber, dass wir gewonnen hatten. Als wir dann das Arrangement und das Halbplayback für unser Lied bekommen haben, ging die Stimmung in den Keller. Das war furchtbar. Aber dann haben wir beschlossen, wir lassen uns auf die Sendung ein und akzeptieren diesen Mix aus Kunst und Kommerz. Von da an hatten wir großen Spaß."
 
"10 Punkte von Jane"
 
"Die Euphorie ist bei uns noch nicht abgeflaut", ergänzt Joachim Jezewski, der bei "normalen" Eufonia-Konzerten den Pianisten gibt. Diesmal stand er mitten unter den Sängern auf der Bühne. "Wir alle erhalten immer noch etliche E-Mails oder SMS zu dem Auftritt. Wir haben eine sehr positive Aufmerksamkeit bekommen, der ganze Chor, aber auch jeder Einzelne. Bei den Leuten sind vor allem die 10 Punkte von Jane hängen geblieben."


 
Mehr als vier Millionen Fernsehzuschauer haben den "Grand Prix der Chöre" gesehen und dem ZDF die beste Einschaltquote des Tages beschert. Dass Eufonia überhaupt dabei war, verdankt der MGV Klaus Kröhne. Der hatte im Vorfeld einen Trailer gesehen, in dem Deutschlands Chöre zur Teilnahme aufgefordert wurden. 550 Chöre folgten dem Aufruf, alleine in NRW kamen 30 in die engere Auswahl. Eufonia musste ein Pflichtstück ("Wenn alle Brünnlein fließen") und einen eigenen Titel vortragen. Mit "Ich wollt', ich wär' ein Huhn" gelang der Erfolg in der Vorausscheidung. Dabei entstanden auch Aufnahmen zu dem kurzen Trailer, mit dem Eufonia vorgestellt wurde. In der Ansage wurden die Brühler Sänger als "25 Männer ohne Nerven, die zurück in die goldenen zwanziger Jahre gehen, um den Chorpott in den Ruhrpott zu holen" angekündigt. Nun gut. Immerhin konnte die Chorleiterin Christina Kröhne das Eufonia-Motto "Wir sind die zarteste Versuchung seit es Männerchöre gibt" verkünden.
 
Über die hohe Qualität von Eufonias Auftritt haben wir ja bereits die treffenden Einschätzungen der Jury zitiert. Die Eufonisten selbst haben es genauso gesehen. "Wir haben fehlerfrei durch gesungen, und eigentlich war keiner von uns besonders nervös", meint Andre Bach, der 1. Tenor. Auf den großen Auftritt hatte sich der Chor in lediglich vier längeren Proben vorbereitet. Vier Tage vor der Fernsehshow im Kölner Coloneum hatte Eufonia noch im Rahmen des "brühlermarkts" ein Open-Air-Konzert gegeben.
 
"Wir wollten nicht Letzter werden"
 
Doch Routine war der Auftritt im Fernsehstudio natürlich nicht. Und es ging ja auch nicht nur darum, eine tolle Performance abzuliefern, sondern vor allem auch darum, Menschen kennen zu lernen, Kontakte zu anderen Chören zu knüpfen und sich zusammen am großen Gemeinschaftserlebnis zu erfreuen. "Es herrschte eine ausgelassene Partystimmung unter den Chören frei von jedem Konkurrenzgedanken", sagt Joachim Jezewski. "Sicher hat es ein bisschen gekribbelt, denn wir wollten zumindest nicht Letzter werden", ergänzt Klaus Kröhne. "Als dann aber bekannt wurde, dass dem Gewinner ein Auftritt bei Marianne und Michael winkt, wollte keiner der Chöre mehr so richtig Erster werden", fügt Andre Bach augenzwinkernd hinzu.
 
400 Zuschauer waren im Studio, dazu kamen die fast 500 Sänger. Unmittelbar vor Beginn der Sendung versammelten sich alle Chöre im Foyer, wo sich alle noch einmal eingesungen haben. Dann zogen die Chöre ins Studio ein und feierten sich gegenseitig. Und das setzte sich während der gesamten Sendung und bei der anschließenden After-Show-Party fort. Inzwischen sind auch schon die ersten Einladungen eingetrudelt.
 
"Bereicherung des Alltags"
 
Welcher besondere Moment der Sendung bei ihnen in Erinnerung bleiben wird, wollen wir am Ende des Gesprächs wissen. Da muss Joachim Jezewski nicht lange überlegen: "Als plötzlich alle im Studio begannen mitzuklatschen, um dem Seemannschor auf der Bühne zu helfen, der ganz schön aus dem Takt gekommen war. Das war ein Gänsehauterlebnis." Christina Kröhne lacht dagegen über ihren Blackout. "Als mich die Moderatorin Carmen Nebel nach meinem Namen fragte, wusste ich nicht, was ich antworten sollte, ob jetzt Kiki, Christina oder Frau Kröhne." Ihrem Sohn Klaus Kröhne gefiel der Einzug der Chöre ins Studio am besten. "Und der Moment, in dem uns Jane die 10 gegeben hatte und wir uns alle spontan verbeugten." Andre Bach wird den Moment nicht vergessen, als sich alle Chöre gegenseitig zujubelten und die Stimmung, die unmittelbar nach Ende der Sendung herrschte.
 
"Es war eine ungemeine Bereicherung des Alltages. Wir möchten keine Sekunde missen", meint Christina Kröhne. "Es hat den Chor noch mehr zusammengeschweißt." Was eigentlich kaum noch möglich ist, gibt es den MGV Eufonia doch bereits seit über zwanzig Jahren. Unter den aktuell 24 Mitgliedern befinden sich auch noch mehr als zehn Gründungsmitglieder. "Was wie machen, kommt an, egal, ob in einem Buschdorf in Namibia oder bei einem Oktoberfest in Kanada. Die Leute finden es gut, und wir haben immer Spaß dabei", sagt Klaus Kröhne abschließend.
 
Tobias Gonscherowski