Hans Arp, bis zu seinem Tod am 7. Juni 1966 der langjährige Freund von Max Ernst, wurde am 16. September 1886 im elsässischen Straßburg geboren, das damals unter der Herrschaft des deutschen Kaisers Wilhelm I. stand. Fünf Jahre später kam sein Bruder Franz zur Welt, der somit gleichaltrig mit Max Ernst war. In den ,Rheinischen Erinnerungen', die Mitte der fünfziger Jahre in der Zeitschrift 'L'OEil' veröffentlicht wurden, berichtete Max Ernst über seine erste Begegnung mit dem Künstler:
 

"Arp lernte ich 1914 in Köln kennen, in der Kunstgalerie Feldmann, wo Werke von Cézanne, Derain, Braque, Picasso und anderen Malern der ,École de Paris' ausgestellt wurden. Ich bemerkte einen Mann in meinem Alter, dessen schönes, geistvolles Gesicht und dessen höfliche Manieren merkwürdig mit der Art Novität kontrastierten, der er sich hingab. Er bemühte sich ernsthaft, mit der Sanftmut eines Franziskaners und der Fähigkeit eines Voltaires, einem alten Dummkopf die Schönheiten der modernen Malerei zu erklären. Nachdem der alte Schwachkopf so getan hatte, als ließe er sich überzeugen, schäumte er vor Wut, als er einige Zeichnungen von Arp sah. Schreiend und wild gestikulierend erklärte er, dass er 72 Jahre alt sei und sein ganzes Leben sowie seine ganzen Anstrengungen der Malerei gewidmet habe, und wenn das nun das Resultat all seiner Bemühungen sei, wäre es besser … Seelenruhig legte ihm Arp nahe, es wäre besser, wenn er (der Schwachkopf) zum Himmel führe. Wir vernahmen noch einige Schreie des Alten, die sich - Verwünschungen ausstoßend - immer weiter entfernten. Als die Ruhe wieder hergestellt war, nahmen Arp und ich uns an der Hand und schlossen einen Freundschaftspakt."
 
Erster Deutscher Herbstsalon
 
Der ,Rheinische Kunstsalon' hatte im Februar 1912 seine Pforten am Kölner Hansaring 20 geöffnet und präsentierte neben den Künstlern der ,École de Paris' im Oktober 1912 auch Werke der italienischen Futuristen. Der Galerist Otto Feldmann betätigte sich gleichzeitig als Künstler - so waren im Sommer 1913 vier Arbeiten von ihm auf der legendären Gruppenausstellung ,Rheinischer Expressionisten' in Bonn zu sehen. Hans Arp besuchte 1914 Köln, weil sein Vater hier eine Wohnung in der Ölbergstraße 62 genommen hatte. In Jahr zuvor war die Familie Arp nach Zürich übergesiedelt, nachdem sie sieben Jahre zuvor in Weggis bei Luzern gelebt hatte. Den Umzug nutzte Hans Arp, um nach Berlin zu gehen und einige Monate in der Galerie ,Der Sturm' von Herwarth Walden zu arbeiten. Im Mai 1913 veröffentlichte die Zeitschrift ,Der Sturm' fünf Zeichnungen von ihm, im Oktober folgten zwei weitere Zeichnungen und im Dezember das Prosagedicht ,Von der letzten Malerei'. Wie Max Ernst war Hans Arp auch an der großen Gruppenausstellung ,Erster Deutscher Herbstsalon' beteiligt; der Katalog verzeichnet vier ,Akte' und bildet eine Zeichnung ab.
 
Arp setzt sich nach Frankreich ab
 
Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verknüpfte Max Ernst in seinen ,Rheinischen Erinnerungen' mit der folgenden Schilderung: "Eines Tages schien Arp ernster als gewöhnlich; er sagte, er müsse fort. Der Krieg drohte. Die Atmosphäre in Deutschland wurde unerträglich, und bald sollten wir die Gewissheit haben, dass die nahende Katastrophe unsere Jugend, unsere Freuden, alles was wir liebten, in den Abgrund reißen würde. So habe ich später von meinen Jugendfreunden auch nur wenige wieder gesehen. Arp, der aus dem Elsaß stammte, besaß die Geistesgegenwart, den letzten Zug nach Paris zu nehmen und dadurch der Mobilisierung zu entgehen. Ich habe lange bereut, seinem Beispiel nicht gefolgt zu sein, wie er es mir noch nahe gelegt hatte. Später hieß es, sein Zug habe die Grenze gerade noch passieren können, bevor man sie schloss, angeblich genau in dem Moment, als der Waggon darüber fuhr, in dem Arp sich befand. Daher dieser Dualismus in einer einzigen Person."


 
Hans Arp im Atelier, 1, rue Gabrielle, wo er und sein Bruder François nach Ausbruch des Ersten Welkrieges wohnten, Paris 1914