„Ohne Wind wüssten die Wolken nicht wohin”

Das Max Ernst Museum Brühl des LVR präsentiert vom 2. Dezember bis zum 3. März einen Einblick in die Ideenvielfalt und Bandbreite des Schaffens von Tomi Ungerer. Die spannungsreiche Retrospektive mit Zeichnungen, Collagen und Plakaten, darunter bislang unveröffentlichte Arbeiten, wird durch aktuelle Assemblagen aus der Sammlung des Künstlers ergänzt, dessen Motto stets lautet: „Erwarte das Unerwartete.“

In seiner satirischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft sowie in der stets wachsamen Beobachtung des tagesaktuellen Geschehens erscheint Ungerer als leidenschaftlicher, bisweilen bissiger Kritiker. So sind in den rund 150 ausgestellten Werken große Themen wie Kampf der Geschlechter, Erotik, Politik und Tod zu sehen.

Ob Collagen, Bildfolgen oder Plakate – bestimmend ist in seinen Werken die Zeichnung, die meisterhafte Beherrschung der Linie. Dabei ist der „Linienpilot“ Tomi Ungerer überaus wandlungsfähig: Buchillustrationen von extrem grafischer Klarheit treten neben detaillierten Naturstudien und energischen Zeichnungen auf. Darüber hinaus nutzt Tomi Ungerer mit der Collage und der Material-Assemblage dadaistische und surrealistische Bildverfahren: Mit Humor interpretiert er Reproduktionen neu und erweitert sie mit der Zeichenfeder; oder er greift auf banale Fundstücke zurück und verfremdet sie zu phantastischen Objekten.

Auch mit seiner unnachahmlichen Frechheit und Respektlosigkeit, seinem provokativen Ton und Witz bekennt Ungerer sich zu den Strategien der Avantgarden. Wenn er beispielsweise früher als andere Randgebiete erotischer Phantasien künstlerisch ins Bild setzt, dann kann dies im Sinne der surrealistischen Entgrenzung gesehen werden. Die groteske Überzogenheit dieser Werke und ihre heitere Frivolität boykottieren jedoch den Voyeurismus, sie befreien aus der Beklemmung des Tabubruchs. Der Künstler selbst sieht dabei seine Rolle lediglich als „Aufzeichner“, als Realist: „Ich bin ein netter Typ. Ich mache nur Zeichnungen über eine böse Gesellschaft.“

Tomi Ungerer, 1931 in Straßburg geboren, zählt zu den international bekanntesten Zeichnern und Grafikern unserer Zeit. Seine Buchillustrationen, Karikaturen und Plakate, auch Werbeplakate, der vergangenen fünfzig Jahre haben mit ihrer unverwechselbaren Erzählfreude, bildnerischen Prägnanz und humorvollen Ironie nachhaltige Wirkung auf unsere visuelle Kultur. Der außerordentlich aktive Künstler hat bis heute die kaum überschaubare Anzahl von rund 30.000 Arbeiten geschaffen. Außerdem hat er sich als Auto von über siebzig Kinderbüchern einen Namen gemacht. Im Zwischengeschoss wird für die jungen Museumsbesucher eine Leseecke mit Büchern eingerichtet. Die Ausstellung selbst ist für Kinder ungeeignet, Jugendliche dürfen sie nur in Begleitung Erwachsener sehen.

Zu dieser Ausstellung erscheint im DuMont Buchverlag, Köln ein begleitender Katalog von 192 Seiten mit 203 Farbabbildungen und Beiträgen von Werner Spies, Thérèse Willer und Andreas Platthaus. Er ist zum Preis von 19,90 Euro im Max Ernst Museum Brühl des LVR erhältlich.