„Das letzte Kindergartenjahr muss kostenfrei werden“

Heinz Schmitz kandidiert zum dritten Mal für die „Freie Wähler/Bürgervereinigung Brühl“ (fw/bVb) für das Amt des Bürgermeisters. Der 68-jährige verheiratete Vater von zwei Kindern trat 1977 in die BVB ein, ist seit 1989 Mitglied des Rats und seit 1995 Fraktionsvorsitzender.

Heinz Schmitz

BBB: Herr Schmitz, wie fällt Ihr Fazit der letzten Legislaturperiode in Brühl aus?

Heinz Schmitz: Die letzten fünf Jahre waren für Brühl durchwachsen. Zum Einen haben wir wichtige Entscheidungen im Bereich Schulbauten (offene Ganztagsschulen, gebundene Ganztagshauptschule, Ganztagsbetrieb Gymnasium und Realschule) mitgetragen und unterstützt. Unser Ziel ist es, das letzte Kindergartenjahr zur Pflicht zu machen und kostenfrei zu stellen. Die Plätze für die Betreuung der unter dreijährigen Kinder müssen erhöht werden. Der Umbau und die Sanierung des Schlossparkstadions waren überfällig. Von der Giesler-Galerie profitieren wenige Geschäfte, die Kölnstraße stirbt als Einzelhandelsstandort langsam dahin. Auf der anderen Seite verschuldet sich die Stadt immer stärker und verbaut die Zukunfts- und Gestaltungsfähigkeit unserer Kinder und Enkel durch zu hohe Kapitaldienstleistungen. Viel zu spät wurde unser Antrag auf öffentliche Ausschreibung aller Versicherungsleistungen aufgegriffen. Die Kosten für eine Verwaltungsmitarbeiterüberprüfung durch Krups waren überflüssig, weil kein brauchbares, umsetzbares Resultat vorgelegt wurde. Wir haben uns demonstrativ für den Erhalt der Kunst- und Musikschule eingesetzt und die Übertragung des Betriebshofes und des Abfallwirtschaftsbetriebes an die Stadtwerke gutgeheißen. Wir wurden nach der letzten Kommunalwahl als drittstärkste politische Kraft in Brühl gewählt, und wir verstehen uns als konstruktive Opposition innerhalb des bürgerlichen Lagers.

 

BBB: Wo setzt die fw/bVb die Wahlkampfschwerpunkte?

Schmitz: Die Innenstadtentwicklung wird in den nächsten Jahren ein Schwerpunktthema sein. Der Janshof bedarf dringend einer Überplanung, der Balthasar-Neumann-Platz muss attraktiver gestaltet, der Bundesbahnhof muss dringend umgestaltet werden. Prestigebauten lehnen wir strikt ab. Die Vororte dürfen nicht zu Schlafstätten verkommen, sie müssen mit Leben und gemeinschaftlichem Handeln erfüllt werden. Der soziale Brennpunkt Vochem muss entschärft und dem demographischen Wandel in der Gesellschaft Rechnung getragen werden. Mehrgenerationenhäuser, bessere Schul- und Weiterbildungsmöglichkeiten, bessere und sicherere Radwege sowie eine bedarfsorientierte, umweltfreundliche Anbindung an das ÖPNV-System müssen erarbeitet werden. Der sanfte Tourismus sollte mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Mit den Schlössern, dem Max-Ernst-Museum, dem Villewald, den Villeseen und der schönen Fußgängerzone müssen wir die Tourismusstadt Brühl nach vorne bringen. Die Erweiterung des Phantasialandes in den Villewald über die L-194 hinaus lehnen wir ab. Die zukünftige Nutzung des Belvedere-Platzes muss gründlich überlegt werden. Neben einem Hotelneubau können wir uns auch eine Wohnbebauung vorstellen.

 

BBB: Mit welcher Koalitionsaussage geht die fw/bVb in den Wahlkampf? Und warum hat die fw/bVb einen eigenen Kandidaten aufgestellt?

Schmitz: Wir machen keine Koalitionsaussage, da wir Koalitionen mit Parteien ablehnen. Wir drücken uns nicht vor der Verantwortung für unsere Heimatstadt. Ein Anhängsel einer großen Partei wollen wir aber auch nicht sein. Einer punktuellen Zusammenarbeit in Sach- und Personalfragen verschließen wir uns nicht. Es gehört zu unserem Demokratieverständnis, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten zu stellen. Wir können die Wähler/Innen nicht einerseits mit den Ideen der Freien Wähler vertraut machen (parteilos, unabhängig, bürgernah, ideologiefrei) und bei der Wahl des Bürgermeisters auf die eine oder andere parteipolitisch gefärbte Person verweisen. Ich war 40 Jahre Betriebsleiter eines Chemieunternehmens und verfüge über genügend Lebens- und Berufserfahrung, um der Herausforderung als Bürgermeister gerecht zu werden. Ich bin wirtschaftlich unabhängig.

 

BBB: Was kann die Politik für den Wirtschaftsstandort Brühl tun?

Schmitz: Wir setzen uns für den Erhalt der ansässigen Industrie- und Gewerbebetriebe ein und möchten, dass die wenigen verbliebenen Gewerbeflächen an emissionsarme, zukunftsfähige Unternehmen verkauft werden. Wir müssen mit den Vorteilen Brühls werben (gute Infrastruktur, bestes Schul- und Kulturangebot, viele Freizeit- und Sportmöglichkeiten).

 

BBB: Was sollte Ihrer Meinung nach mit den Geldern aus dem Konjunkturprogramm des Bundes geschehen?

Schmitz: Ein Großteil fließt in die Bildung und Infrastruktur. Die vorhandenen Schulgebäude sollen verbessert und Energie sparend saniert werden. Zusätzliches Geld der EU kommt zur Umsetzung des Konzeptes „sozialer Brennpunkt Vochem“.

 

BBB: Wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation des Brühler Einzelhandels und speziell die Situation der Kölnstraße?

Schmitz: Leerstände vom Markt bis zur Comesstraße kennzeichnen die Situation in der Kölnstraße. Die nördliche Innenstadt leidet zusätzlich unter notorischen Falschparkern und überhöhten Geschwindigkeiten der Autofahrer. Der Istzustand wird toleriert. In einem derartigen Umfeld wird sich kaum einer dazu entschließen, einen Einzelhandel mit Niveau dort zu eröffnen. Resultat: Handyläden, Internetshops oder permanent wechselnde Pächter. Jede Maßnahme kann immer nur als Flickschusterei bezeichnet werden. Zum Einzelhandel allgemein ist zu sagen, dass wir es schade finden, dass immer mehr private, kleinere Einzelhändler aufgeben und Filialisten den Platz belegen. Hier ist auch ein Umdenken der Besitzer der Immobilien in punkto Pacht angesagt. Ein Zusammenschluss der Eigentümer der Kölnstraße zur Bildung einer Interessengemeinschaft ist nicht zustande gekommen. Der Balthasar-Neumann-Platz hat besser reagiert, und man agiert heute koordiniert.

 

BBB: Was wurde in Brühl vernachlässigt?

Schmitz: Wer seine Fußgängerzone attraktiv erhalten will, sollte dafür sorgen, dass die Besucherinnen nicht jedes Mal hinterher den Schuster aufsuchen müssen. Die Fugen des kleinpflastrigen Bereichs sind eine Plage und gehören sofort ausgefugt. Bereits 2004 haben wir den Antrag für einen Integrationsausschuss des Rates gestellt, der aber von CDU/FDP abgelehnt wurde. Heute erkennen wir die Auswirkungen der damaligen falschen Entscheidung. Einem Bevölkerungsrückgang müssen wir durch Ausweisung von neuen Wohngebieten mit kinderfreundlichem Umfeld begegnen. Auch Senioren gerechtes Wohnen muss vorangetrieben werden. Die Gesellschaft wird immer älter und fordert uns zum Handeln. Das Wort „sparen“ muss bei allen anstehenden Entscheidungen in den Mittelpunkt rücken. Wir leben seit Jahren auf Pump.