Dürfen die Zuschüsse nicht ins Unermessliche steigen lassen“

Zum zweiten Mal nach 2004 geht der Jurist Jochem Pitz für die FDP ins Rennen um das Amt des Bürgermeisters in Brühl. Der 48-Jährige verheiratete Vater von zwei Kindern ist seit zehn Jahren FDP-Fraktionsvorsitzender im Brühler Stadtrat.


BBB: Herr Pitz, wie fällt Ihr Fazit der letzten Legislaturperiode in Brühl aus? Waren es fünf gute Jahre für die Stadt?

Jochem Pitz: Die letzten fünf Jahre waren eine gute Zeit für Brühl, alleine wenn man sieht, was wir etwa für Schulbauten oder für die Ganz-Tages-Schulen investieren konnten. Das Max Ernst Museum wurde eröffnet. Wir freuen uns über die geglückte Public Private Partnership beim Bau der BTV-Sporthalle. Das Schlossparkstadion wird umgebaut und und und. Brühl hat sich zum Positiven verändert. Auch die neue Giesler-Galerie wurde sehr gut angenommen. Und im Umfeld der Giesler-Galerie tut sich etwas, so beim Stern-Haus und in der Uhlstraße. Das Umfeld ist offenkundig attraktiv geworden. Ohne CDU und FDP gäbe es die Giesler-Galerie nicht. Ferner haben wir darauf gedrängt, überprüfen zu lassen, in welchen Bereichen der Stadtverwaltung gespart werden kann. Durch die Krups-Untersuchung wurde eine Diskussion über Einsparungen erst möglich. Nicht alles an dieser Untersuchung war durchdacht, die Schlüsse bezüglich der Kunst- und Musikschule waren falsch. Aber man darf die Zuschüsse nicht ins Unermessliche steigen lassen. Dank gemeinsamer Anstrengungen können wir nun viel Geld sparen.


BBB: Wo setzt die FDP die Wahlkampfschwerpunkte?

Pitz: Wir haben 220 städtische Immobilien, die ein immenses Management erfordern. Wir sind für eine Zentralisation der Immobilien. Wir haben auch eine konkrete Idee. Der Rathaus-Anbau auf dem Steinweg ist ein zweckmäßiger Bau aus den fünfziger Jahren. Das Haus ist instandsetzungsbedürftig. Wir sind dafür, das Haus abzureißen und durch ein modernes, energiesparendes Verwaltungsgebäude zu ersetzen, in dem alle möglichen Einrichtungen untergebracht werden. Ich denke da an die Stadtbücherei, an die Bürgerberatung, an ein Kundencenter der Stadtwerke. Das ist auf längere Sicht unser Thema. Außerdem ducken wir uns nicht vor einem klaren Bekenntnis zur Phantasialand-Erweiterung weg. Wir sind für die Erweiterung, um den Standort des Freizeitparks auch in Zukunft zu sichern. Und wir setzen auf ein Wachstum des Tourismussektors in Brühl. Dabei geht es nicht nur um eine Ansiedlung eines Tophotels auf dem Belvederre. Wir müssen Brühl als Tagungs- und Kongressstadt ausbauen.


BBB: Mit welcher Koalitionszusage geht die FDP in den Wahlkampf? Und warum haben die Liberalen einen eigenen Kandidaten aufgestellt?

Pitz: Wir gehen ohne explizite Koalitionsaussage in die Wahl. Wir haben zehn Jahre erfolgreich mit der CDU zusammengearbeitet. Nichts spricht dagegen, dass wir diese erfolgreiche Arbeit fortsetzen wollen. Es ist ein Vertrauensverhältnis entstanden. Aber wir verstehen uns nicht als Anhängsel der CDU, sondern sind eine eigenständige Partei, die mit einem eigenen Bürgermeisterkandidaten die Positionen der FDP transportieren will. Jede Partei kämpft für sich. Von meiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung traue ich mir das Amt auch zu.


BBB: Was kann die Politik für den Wirtschaftsstandort Brühl tun?

Pitz: Da sind unsere Mittel begrenzt. Einem Unternehmen wie dem Eisenwerk können wir nur moralisch helfen oder versuchen, Türen zu öffnen. Wir müssen vorhandene Unternehmen wie das Phantasialand stärken, wenn wir das können. Die gegenwärtige Situation, dass das Verfahren auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wurde und das Land keinen Wald verkauft, ist grotesk. Wir müssen die Bereiche Bildung, Tourismus und Wirtschaftsförderung mit den entsprechenden Mitteln ausstatten. Gewerbeflächen sind ausgewiesen, wir müssen Genehmigungsverfahren beschleunigen.


BBB: Was sollte Ihrer Meinung nach mit den Geldern aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung in Brühl geschehen?

Pitz: Wir haben Zusagen, dass vom Bund 3,5 Millionen Euro für Bildung und 1,2 Millionen Euro für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Der Bürgermeister hat eine 1.000 qm große Mensa für das Max Ernst Gymnasium vorgeschlagen, die 2,5 Millionen Euro kosten soll, eine für uns viel zu hohe Summe. Wir wären für eine Umgestaltung des Steinwegs oder für Energiesparprogramme an den Schulen. Da sollte die Gebausie einmal Konzepte vorlegen.


BBB: Wie bewerten Sie die gegenwärtige Situation des Brühler Einzelhandels und speziell die Situation der Kölnstraße?

Pitz: Die Kölnstraße nimmt eine Sonderrolle ein. Die Probleme waren absehbar. Seit Jahren wissen wir, dass der Brühler Norden gestärkt werden muss, doch die Problematik des Wicke-Geländes ist bekannt. Da könnte sehr attraktives städtebauliches Wohnen entstehen, da könnte ein Lebensmittler angesiedelt werden, da wäre ein weiteres Seniorenzentrum denkbar. Aber so lange die Besitzer nicht verkaufen wollen, bleibt das Wunschdenken. Es gab Versuche der Stadt, einen Zusammenschluss der Eigentümer der Kölnstraße in Form einer Interessensgemeinschaft zu schaffen. Aber im Gegensatz zum Balthasar-Neumann-Platz, wo dies geklappt hat, ist in der Kölnstraße nichts passiert. Insgesamt sollten wir den Leerstand in Brühl nicht überbewerten. Der ist in anderen Städten viel extremer. Die Brühler Innenstadt ist dank der Fußgängerzone sehr attraktiv, sie hat aber auch die weitaus höchsten Mieten. Der normale Fachhandel ist nicht in der Lage, die zu bezahlen. Und dann kommen die Ketten.


BBB: Was wurde in Brühl vernachlässigt?

Pitz: Wir haben in den letzten Jahrzehnten bei einem rund zehnprozentigen Ausländeranteil sicherlich in der Migrations- und Integrationspolitik einiges vernachlässigt. Wir müssen aufpassen, dass sich nicht Dinge verfestigen. Das wird jetzt in Vochem angegangen und ist ein wichtiger Schritt. Auch den Auswirkungen des demografischen Wandels müssen wir ins Auge sehen. Das dürfen wir nicht verdrängen. Der Stadt Brühl wird ja im Laufe der nächsten zwanzig Jahre ein Bevölkerungsrückgang von derzeit 45.000 Einwohner auf knapp über 40.000 prognostiziert. Brühl muss attraktiv für junge Familien sein und Baugebiete bündeln. Wir müssen auch altersgerechtes Wohnen anbieten und nicht nur Einfamilienhäuser sondern auch Mehrfamilienhäuser fördern. Und wir müssen weiterhin den Haushalt konsolidieren, wir sind immer noch im Minus.

Interwiew: Tobias Gonscherowski