„Learning by doing” – Wenn Azubis Chef werden

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Ab dem 24. Juni startet wieder das beliebte Kultur-Sommerfestival brühlermarkt, in diesem Jahr bereits zum 35. Mal. Bis zum 17. Juli finden in der Brühler Innenstadt 21 hochkarätige Veranstaltungen statt, soweit das Wetter es zulässt unter freiem Himmel. Neben vielen bekannten Gesichtern und aus den Vorjahren bewährten Programmpunkten gibt es auch zwei völlig neue Veranstaltungen. Die „A-cappella-Nacht“ am 25. Juni sowie der „1. Brühler Comedy Markt“ am 14. Juli. Das Besondere an den beiden Veranstaltungen: Sie wurden weitgehend in Eigenverantwortung von den beiden Auszubildenden Daniela Wiebe und Sarah Kortmann konzipiert und umgesetzt. Wir haben uns mit ihnen im Brühler Rathaus getroffen.


Wir sitzen im Büro von Dietmar Druckrey, dem Bereichsleiter Veranstaltungsmanagement bei der Stadt Brühl. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, er ist für die Inhalte des brühlermarkts zuständig. Und er betreut auch die beiden Auszubildenden, die den Beruf der Veranstaltungskauffrau erlernen. Seit dem Jahr 2001 gibt es das neue Berufsbild. Seit dieser Zeit wird dieser staatlich anerkannte Ausbildungsgang mit IHK-Abschluss bei der Stadtverwaltung Brühl im Kulturbereich angeboten. Damit gehört die Stadt Brühl zu den ersten kommunalen Ausbildungsträgern in Nordrhein-Westfalen.

Daniela Wiebe ist Auszubildende der Stadt Brühl, Sarah Kortmann leistet ihren praktischen Ausbildungsabschnitt im Bereich Veranstaltungsmanagement ab. Sie wird ansonsten von der privaten Macromedia Berufsakademie für Medien und Eventmanagement ausgebildet. „Es ist schon immer der Herzenswunsch unserer Bürgermeister gewesen, von Seiten der Stadt viele Ausbildungsplätze anzubieten“, sagt Dietmar Druckrey. „Und wir wären ja dumm, wenn wir das als die Kulturhauptstadt des Rhein-Erft-Kreises nicht auch im Bereich Veranstaltungsmanagement tun würden.“ Bereits drei Auszubildende schafften ihren Abschluss in dem noch jungen Beruf, übrigens allesamt weibliche Auszubildende. „Die Mädels sind einfach cleverer“, meint Dietmar Druckrey augenzwinkernd.

Begehrter Ausbildungsplatz

Rund 100 Bewerbungen gehen bei der Stadt Brühl ein, wenn die Lehrstelle zum Veranstalungskaufmann/frau ausgeschrieben wird. Zuletzt machte Daniela Wiebe das Rennen um den begehrten Platz. Sie bringt ideale Voraussetzungen mit. Sie hat Englisch und Sport an der Universität zu Köln studiert und sich dort sehr in Fachschafts- und Asta-Arbeit engagiert. „Dabei habe ich gemerkt, wie gerne ich plane und organisiere“, berichtet die 29-Jährige. „Ich habe die Öffentlichkeitsarbeit koordiniert, den Streik gegen die Einführung der Studiengebühren mitorganisiert.“ Darüber hinaus hat sie in der Gastronomie gejobt und gemerkt: „Ich kann gut mit Menschen.“

Irgendwann ließ Daniela Wiebe dann das Studium Studium sein. Sie arbeitete vier Jahre erst als Assistentin und später als Aufnahmeleiterin bei zahlreichen Film- und Ferrnsehproduktionen wie „Freche Mädchen“ oder der „Wilsberg“-Krimireihe des ZDF. „Das war ein toller Job. Doch es waren immer nur kurzfristige, projektbezogene Engagements. Deshalb habe ich mich um die Ausbildungsstelle bemüht“, sagt Daniela Wiebe. „Die Action fehlt mir nicht. Jetzt genieße ich meinen Schreibtisch und mein Büro.“ Das teilt sich die gebürtige Münsteranerin nun mit Sarah Kortmann.

Die 21-Jährige befindet sich bereits in ihrem zweiten Lehrjahr. Sie absolvierte den theoretischen Teil ihrer Ausbildung bei der Macromedia Hochschule in Köln und ist nun für eineinhalb Jahre Praktikantin bei der Stadt Brühl. Den Berufswunsch Veranstaltungskauffrau hegt Sarah Kortmann, seit sie vor etwas mehr als zwei Jahren von ihrer Schwester Katja gebeten wurde, die Planungen ihrer Hochzeit zu übernehmen. „Das hat mir großen Spaß gemacht“, sagt sie. „Ich habe geplant, organisiert, To-Do-Listen erstellt und mich wenn auch nicht um alle, doch um sehr viele Dinge gekümmert.“ Nach dem Abitur bewarb sie sich an der Macromedia Hochschule und bestand den Aufnahmetest.

Die beiden Organisationstalente dürfen sich nun in Brühl „austoben“. Im Rahmen ihrer Ausbildung werden ihnen spezielle Fertigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen Veranstaltungsorganisation, Veranstaltungswirtschaft und Wirtschafts- und Sozialkunde vermittelt. „Für diesen Beruf werden Eigenschaften benötigt wie Zielstrebigkeit, Engagement, Verantwortungsbewusstsein, Dienstleistungsbereitschaft, Teamfähigkeit und vor allem Leidenschaft für das Inszenieren und Durchführen aller Facetten des Live-Entertainments“, zählt Dietmar Druckrey die Anforderungen auf, die an die beiden gestellt werden. Und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. „Learning by doing“ lautet das Motto.

„Man kann sie laufen lassen”

Beide Auszubildende durften unter dem Motto „Azubis sind Chef“ ein Festivalangebot des brühlermarkt 2011 planen und stürzten sich mit Feuereifer in die Aufgabe. Sie mussten die Veranstaltung inhaltlich konzipieren, geeignete Künstler aussuchen, kontaktieren und mit ihnen oder ihrem Management Verhandlungen bis zur Vertragsreife führen. Informationsmaterial musste besorgt, Pressetexte geschrieben werden. Dabei haben sich Sarah Kortmann und Daniela Wiebe gegenseitig unterstützt. Und im Hintergrund wachte immer noch Dietmar Druckrey, der letztlich alles absegnen und die Verträge unterschreiben muss.

„Beide haben ihren Job hochmotiviert erledigt und kommen auf den Punkt. Das ist sehr beachtlich für Auszubildende im ersten Lehrjahr“, lobt der Chef. „Sie haben eine Art Gesellenstück geleistet. Man kann sie laufen lassen.“ Die Auszubildende freuen sich über den kreativen Spielraum, den sie im Rahmen der Planung hatten und der eine willkommene Abwechslung zur soliden kaufmännischen Lehre darstellt, die immer noch rund 80 Prozent der Ausbildung ausmacht.

Beim „1. Brühler Comedy Markt“, den Daniela Wiebe betreut, treten am 14. Juli ab 20 Uhr aus Fernsehen und Radio bekannte Comedians im Rathaus-Innenhof auf. Moderator Heini Truesheim begrüßt Achim Knorr, der sich selbst als Standup-Musik-Komiker mit Protestnote bezeichnet, die „gelernte Psychologin“ Vera Deckers sowie ONKeL fISCH, die beiden distinguierten Halbirren in den schwarzen Anzügen auf der Bühne.

Rund drei Wochen vorher steigt die „A-capella-Nacht“ nach einer Idee von Sarah Kortmann. Am 25. Juni geben vier Topensembles ab 19.30 Uhr ein gemeinsames Konzert. Vertreten sind die vielfach preisgekrönten Scampi, Klangküsse, Voice-Q, und Dacapella. „Die vier Gruppen kennen sich gut untereinander und freuen sich sehr auf ihren Auftritt in Brühl“, sagt Sarah Kortmann. Moderiert wird der Abend von Axel Gehring.

Organisatorisch sind die Vorarbeiten damit abgeschlossen. Jetzt muss „nur“ noch das Wetter mitspielen. Sollte es regnen, werden die Veranstaltungen entweder in die Galerie am Schloss oder in den Dorothea Tanning Saal des Max Ernst Museums verlegt. An den jeweiligen Abenden müssen beiden Auszubildenden präsent sein und sich um alles kümmern. Die Künstler müssen begrüßt werden, der Aufbau überwacht, die Wünsche und gegebenfalls Reklamationen der Besucher berücksichtigt werden. Es werden spannende Abende für Sarah Kortmann und Daniela Wiebe, die viel Verantwortung tragen und nur im äußersten Notfall auf den im Hintergrund agierenden Dietmar Druckrey zugreifen sollen. Doch das werden sie wohl nicht müssen. TG