„Alleine kann ich die Dinge nicht verändern”

In Vochem tut sich etwas. Seit dem 1. Mai ist die Stelle der Stadtteilmanagerin wieder besetzt. Isabel Vela Sanchez hat die Aufgabe übernommen und sich bereits mit Feuereifer in ihren neuen Job gestürzt. Wir haben uns mit der 44-Jährigen im neuen Stadtteilbüro am Thüringer Platz 10 zum persönlichen Gespräch getroffen.


Zufrieden sieht sie aus, als sie uns vor ihrem neuen, noch gar nicht eröffneten Büro erwartet. Denn täglich kann Isabel Vela Sanchez Fortschritte beobachten. Am Tag zuvor war eine neue Küchenzeile für ihr geräumiges, etwa 70 qm großes Büro angeliefert und aufgestellt worden. Neben zwei Stühlen bildet sie das einzige Mobiliar im ganzen Raum. Drei Wochen sind es zu dem Zeitpunkt noch bis zur offiziellen Eröffnung am 1. Juli. „Aber wir werden rechtzeitig mit allem fertig“, ist sich die Stadtteilmanagerin sicher, als sie uns die Räumlichkeiten zeigt. In der hinteren rechten Ecke befindet sich eine Treppe, die ins Tiefgeschoss führt, wo sich drei weitere Räume und die Toiletten befinden.

„Hier habe ich mein eigenes nichtöffentliches Büro“, erklärt sie. In einem zusätzlichen kleinen Raum können diskret Beratungsgespräche geführt werden, ein etwas größeres Zimmer lässt sich für Gruppenarbeiten nutzen. Die räumlichen Voraussetzungen für ein effektives Stadtteilmanagement sind also geschaffen Jetzt ist es an Isabel Vela Sanchez, ihre neue Herausforderung mit Leben zu füllen.

Wohl selten zuvor hat eine Bewerberin dem Anforderungsprofil für die spannende Aufgabe so entsprochen wie die gebürtige Spanierin. Bevor sie Stadtteilmanagerin in Vochem wurde, arbeitete sie zweieinhalb Jahre als Koordinatorin des Familienzentrums „Haus für Kinder“ in der Merseburger Straße. Isabel Vela Sanchez ist Sozialpädagogin, sie kennt Brühl, sie kennt Vochem und das Umfeld mit all seinen Chancen und Problemen. Sie kennt die zuständigen Ansprechpartner im Rathaus. Und sie hat bereits einen Zugang zu den Menschen vor Ort gefunden. Sie ist bekannt in Vochem, sie ist mehrsprachig und weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, als Gastarbeiterkind in Deutschland aufgewachsen zu sein.

Neustart in Vochem

Jetzt also wird in Vochem im Rahmen des Projektes „Soziale Stadt“ der zweite Anlauf unternommen. Im August 2009 hatte Luise Bruns, die Vorgängerin von Isabel Vela Sanchez, ihre Tätigkeit aufgenommen, war dann aber nach nur wenigen Monaten schwer erkrankt. Rund ein Jahr lang war das Büro nicht besetzt. Viele Konzepte waren noch von Luise Bruns angestoßen worden (wir berichteten in der Ausgabe November 2009 darüber), verschwanden dann aber in der Schublade.

Isabel Vela Sanchez will sie wieder rausholen und eigene Ideen einbringen. Ihr Büro am Thüringer Platz soll zentraler Anlaufpunkt werden. Hier sollen die Menschen vorbeischauen, Vorschläge machen, Anregungen geben, von Problemen und Sorgen berichten. Hier sollen sich auch die Leute treffen, sich kennenlernen und gemeinsam an Konzepten und Projekten arbeiten.

„Ich will Menschen zusammenbringen“, sagt die neue Stadtteilmanagerin. Ehrenamtler sollen motiviert werden, sich einzubringen. Als Lesepaten für Kinder, als Handwerker, in Kochkursen. Sie sollen Blumenpatenschaften übernehmen, an der geplanten Stadtteilzeitung mitarbeiten. „Ich bin für alles dankbar, jede helfende Hand ist willkommen. Wir wollen doch etwas gemeinsam für Vochem bewegen. Nur so kann man etwas verändern. Alleine kann ich das nicht“, meint Isabel Vela Sanchez. „Und es ist wertvoller und nachhaltiger, wenn man etwas selbst macht.“

Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen. So wurde noch zu Zeiten von Luise Bruns ein Stadtteilbeirat gegründet, Projektgruppen in den Bereichen Musik und Kunst wurden unterstützt, eine Hausaufgabenhilfe an der Grundschule ins Leben gerufen, der Spiel- und Bolzplatz saniert, Spielsachen wurden angeschafft, die Aktion JeKi (Jedem Kind ein Instrument) unterstützt, ein Elterncafé angestoßen und auch mit der Sanierung einiger Wohnblöcke der Gebausie begonnen.

Bis Ende 2013 läuft das Projekt „Soziale Stadt“ erst einmal. Es wird zu 60 Prozent vom Land NRW und zu 40 Prozent von der Stadt Brühl finanziert und von der DSK (Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft) umgesetzt. So wird Isabel Vela Sanchez auch von der DSK und nicht von der Stadt Brühl beschäftigt. Ziel ist, durch verschiedene Maßnahmen in städtebaulicher Sicht und im sozialen Bereich eine Nachhaltigkeit zu schaffen und dafür zu sorgen, dass in Zukunft die Probleme selbständig gelöst werden können.

„Kulturelle Vielfalt prägt das Leben in Vochem”

Denn Probleme gibt es in Vochem genug. Rund 5.600 Einwohner leben in dem Stadtteil, rund ein Viertel von ihnen sind ausländischer Abstammung. Die Vochemer wohnen nicht nur oberhalb der Bahnstrecke in schönen Einfamilienhäusern genauso, wie in den großen Wohnblocks der Gebausie. In manchen Straßen, etwa im Viertel um die Matthäusstraße herum, ist eine Ghettoisierung und die Bildung einer Parallelgesellschaft festzustellen. Das Bildungsniveau ist geringer, Sprachdefizite sind größer, die Arbeitslosigkeit ist höher, der Zustand vieler Wohnblocks ist sanierungsbedürftig.

Mittendrin sitzt nun Isabel Vela Sanchez, der die Probleme wohlbekannt sind, die aber auch die Chancen Vochems in den Vordergrund schieben möchte. „Ich frage mich, ob immer alles so negativ gesehen werden muss. Es gibt hier auch tolle Sachen. Ich möchte Dinge anstoßen und zusammenfügen“, sagt sie. „Kulturelle Vielfalt prägt das Leben in Vochem, aber auch ein lebendiges und engagiertes Miteinander. Aus diesem reichhaltigen Fundus an Kompetenzen und Erfahrungen werde ich schöpfen und gemeinsam mit den aktiven Bewohnern, aber auch in Kooperation mit den verschiedenen ortsansässigen Vereinen, Institutionen und Organisationen zahlreiche Projekte im Rahmen des Gesamtprojektes Soziale Stadt Brühl-Vochem auf den Weg bringen.“

Täglich wird das Büro geöffnet sein. Hier können die Bürger von ihren großen und kleinen Sorgen berichten und sich auch über die vielfältigen Angebote informieren. Die Stadtteilmanagerin vermittelt gerne Termine bei der Schuldnerberatung oder mit dem Bildungslotsen oder dem Streetworker, die regelmäßig am Thüringer Platz vorbeischauen und zukünftig speziell benachteiligte Familien mit ihren Kindern aufsuchen, beraten und unterstützen.

Isabel Vela Sanchez will sich vor allem den Frauen in Vochem widmen. „Frauen sind der Schlüssel zur Familie, zu den Kindern und den Männern“, glaubt sie. Über Angebote wie gemeinsame Kochaktionen, gemeinsames Musizieren oder durch Sprachkurse will sie die Frauen mehr einbeziehen und den Gemeinschaftssinn für Vochem stärken.

„An der neuen Aufgabe reizt mich, dass es keine vorgefertigten Abläufe gibt“, sagt Isabel Vela Sanchez, die beruflich quasi „die Seiten gewechselt“ hat. Früher musste sie Gelder beantragen, heute kann sie welche bewilligen. „Ich habe die Chance, aktiv Dinge zu verändern. Ich kann meine Leidenschaft ausleben, mit Herzblut auf die Menschen zuzugehen. Mein Job erfordert es, präsent zu sein, schnell einen Fuß in die Tür zu bekommen und auch schnell eine Rückmeldung zu bekommen. Deshalb werde ich auch regelmäßig an die Öffentlichkeit gehen.“ Zu diesem Zweck soll drei- bis viermal im Jahr eine eigene Stadtteilzeitung erscheinen, die über die Ereignisse und Fortschritte in Vochem berichtet. Wir sind gespannt auf die Neuigkeiten in der ersten Ausgabe.

Tobias Gonscherowski