„Unsere Aufgabe ist es, das Wasser zu überwachen”

Was war das für ein furchtbarer Juli. Zumindest wettertechnisch. Grausam. Da hatten wir uns für unsere sommerliche August-Ausgabe so ein schönes Thema ausgedacht, das sich auch klasse bebildern lässt und dann so etwas. Regen, Schauer, Wind und Wolken statt Sonnenschein und hohe Temperaturen. Aber es lässt sich auch nicht ändern. Und es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter sondern nur unpassende Kleidung, man soll auch die Feste feiern, wie sie fallen. Sie kennen das alles.

Die Ortsgruppe Brühl der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, kurz DLRG, besteht in diesem August seit 65 Jahren. Gefeiert wird das kleine Jubiläum aber gar nicht großartig. Seit 45 Jahren hat die Ortsgruppe am Heider Bergsee einen Wachdienst eingerichtet, seit 35 Jahren gibt es die schöne Wachstation in unmittelbarer Nachbarschaft des Campingplatzes. Die runden Zahlen sind aber für die Lebensretter kein Anlass zu besonderen Festivitäten. Das liegt aber nicht am schlechten Wetter. Es gibt eben wichtigere Sachen.

 

Zum Beispiel den ganz normalen Alltag des DLRG, von dem uns ein starkes Frauentrio erzählt: Christiane Dessington (1. Vorsitzende), Silke Virnich (2. Vorsitzende) sowie Anja Behlen (3. Vorsitzende). Wenn es denn noch einmal Sommer wird und das Freibad am Heider Bergsee gut besucht ist, unterstützt die Brühler Ortsgruppe des DLRG die Bademeister an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 19.30 Uhr. Die so genannte Wachsaison beginnt am 1. Mai und endet Mitte September. Per Fußstreife, per Boot oder auf einer kleinen aus Pontons bestehenden Insel, von Insidern „Lummerland“ genannt, hilft der DLRG mit, die Sicherheit der Badegäste zu erhöhen. Im Zweierteam sind die Ehrenamtler mit wachsamen Augen unterwegs, immer ein Wachgänger zusammen mit einem Schüler.

„Ein Wachgänger muss mindestens 16 Jahre alt sein und das silberne Rettungsschwimmerabzeichen gemacht haben“, erzählt Silke Virnich. „Dafür müssen sie u. a. eine 300 Meter lange Strecke in Kleidung schwimmen, tauchend einen 5 Kilogramm schweren Gegenstand bergen, die Befreiungsgriffe beherrschen, ein Opfer an Land bringen und aus dem Wasser ziehen, die stabile Seitenlage hinbekommen und eine Herz-Lungen-Wiederbelebung können. Derzeit zählt unser Team rund 40 aktive Helfer. Dazu kommen noch die Jugendlichen.“ Außerdem gibt es noch die „Profis“, die zwölf Wachleiter der Brühler Ortsgruppe des DLRG, die u. a. fit sein müssen in Erster Hilfe und in der Wiederbelebung. Aber schon die Schüler lernen wichtiges Grundwissen, wie Knotenkunde, Funken und den richtigen Umgang mit den Rettungsgeräten. „Unsere Aufgabe ist es, das Wasser zu überwachen“, sagt Christiane Dessington. Große Rettungseinsätze mussten in der 45-jährigen Geschichte des Wachdiensts am Heider Bergsee zum Glück noch nicht geleistet werden.

Aufregung um ein Schlauchboot

In der Regel bleibt es bei kleineren Erste-Hilfe-Leistungen. Mal muss ein Wespenstich behandelt werden, mal bei einer Kreislaufschwäche geholfen oder bei Schnittverletzungen ein Pflaster oder ein Verband aufgelegt werden. Vor viele Jahren musste einmal eine Familie aus einem „sinkenden“ Schlauchboot gerettet werden. „Die Leute wollten damals das Eintrittsgeld im Schwimmbad sparen, luden ihr Schlauchboot voll und wollten von der anderen Seite des Sees übersetzen. Dabei kam es zu einer Panne“, schmunzelt Anja Behlen. Passiert ist aber nichts.

Neben dem aktiven Wachdienst am See konzentriert sich das Vereinsleben auf den Rettungssport. Dreimal in der Woche wird im Schwimmbad unter Anleitung des erfahrenen Trainerduos Gisa Fähnrich und Stefan Engelhardt nach einem lockeren Einschwimmen hart trainiert. Die Wettkampftruppe nimmt an Meisterschaften teil, angefangen bei Bezirkstitelkämpfen des Rhein-Erft-Kreises, über Landesmeisterschaften bis hin zur Deutschen Meisterschaft. Die Junioren holten kürzlich den 1. Platz bei der Nordrhein-Meisterschaft; einem ihrer Besten, Benjamin Bott, gelang die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft. Und die Senioren und Junioren nahmen vor drei Jahren sogar an der WM teil, die damals in und um Berlin ausgerichtet wurde, und erzielten beachtliche Ergebnisse.

Jugendliche unternehmen viel

Der beliebte Treffpunkt der Brühler DLRGler ist die mit viel Engagement in Eigenregie gebaute Wachstation am Heider Bergsee, dem übrigens eine gute Wasserqualität bescheinigt wird. Hier trifft sich auch die sehr aktive Jugend nicht nur zum Wassersport, den Wachdiensten und zum Unterricht, sondern auch zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten wie Videoabende, gemeinsames Fußballgucken oder Spielerunden. Auch Nachtwanderungen oder Geocashings, moderne Schnitzeljagden, nehmen oft ihren Anfang in der Wachstation. Die Jugend der Brühler DLRGler ist gut organisiert und hat auch einen eigenen Jugendvorstand.

Das harmonische Miteinander innerhalb des Vereins wird groß geschrieben. Ganze Familien sind aktiv, mehrere Generationen haben Spaß an der guten Sache. Zu den Highlights des Vereinsleben zählt das traditionelle Adventsschwimmen, das immer am dritten Advent bei jedem Wetter stattfindet. In Neoprenanzügen springen die Einsatztaucher ins kalte Wasser, „planschen” eine halbe Stunde darin herum und lassen es sich dann an Land bei Glühwein oder Kakao und heißer Suppe gut gehen.


Unsere drei starken Frauen ziehen es aber vor, im Winter an Land zu bleiben. Silke Virnich ist seit bald 30 Jahren im Verein aktiv. Sie durchlief die „klassische Ausbildung“ und brachte schon mit 12 Jahren anderen Kindern das Schwimmen bei. Mit 16 Jahren war sie im Jugendvorstand, seit über zehn Jahren gehört sie dem Vorstand des Gesamtvereins an, momentan fungiert sie als stellvertretende Vorsitzende. „Ich habe beim DLRG viele Freundschaften geschlossen“, sagt die 36-Jährige.

Anja Behlen geht es ganz ähnlich. Seit 1973 ist sie im Verein, von klein auf zusammen mit ihrem Bruder Volker. Im Brühler Schwimmklub hat sie Leistungsschwimmen betrieben, sich aufs Rückenschwimmen spezialisiert. Als sie erwachsen war, legte die heute 44-Jährige eine Pause ein, kam aber über ihre drei zwischen 14 und 18 Jahre alten Kinder wieder zurück. Sie liebt noch immer das Schwimmen und pflegt ihre langjährigen Freundschaften.

Auch Christiane Dessington ist ein Brühler DLRG-Urgestein und seit über 30 Jahren aktives Mitglied. Mit 13 Jahren brachte auch sie als Riegenführerin anderen Kindern das Schwimmen bei und erwarb später weitere Scheine. Sie nahm an etlichen freundschaftlichen Vergleichswettkämpfen teil und war auch fasziniert vom Rettungsdienst an der Küste, der andere Grundlagen erfordert als die Arbeit in Binnengewässern. „Das war eine sehr gute Erfahrung“, blickt sie noch heute sehr angetan an diese Zeit zurück.

Inzwischen hat der Regen draußen aufgehört. Es sieht immer noch trübe aus, doch der August verspricht ja besseres Wetter. Darauf hoffen sie rund um die Wachstation am Heider Bergsee. Am 17. September feiern sie hier die den Wachabschluss. „Dann wird die Wache offiziell beendet“, erzählt Silke Virnich. „Die Wachgänger werden geehrt, die kompletten Zahlen bekannt gegeben und allen ein herzliches Dankeschön für die aktive Zeit ausgesprochen.“ Doch bis dahin sind es noch rund sechs Wochen. Und irgendwann muss der Sommer ja noch einmal vorbeischauen.

Tobias Gonscherowski