Bernhard Münch berichtet aus dem Archiv von Jakob Sonntag (1902-1991)


Auch wenn Ostern und andere christliche Hochfeste in unserer Zeit für viele nicht mehr die Bedeutung haben wie noch vor 100 Jahren, so ist es doch hochinteressant zu sehen, welche Spuren des christlichen Lebens sich in Brühl finden ließen und lassen.

Betrachtet man alte Stiche so sind dort neben den Kirchen nur ganz wenige Bauwerke abgebildet und eindeutig zu erkennen. Hier bei uns sind es natürlich Burg und später Schloss, die sogar die Kirchen noch in den Schatten stellen. Aber auch in verborgenen Winkeln sind Spuren dieser Geschichte zu finden, wie die Fotos beweisen: Wer weiß, wo sich diese beiden Reliefs befinden? Und dabei waren Sie lange Zeit als Teil des „Stationenweges” stadtbekannt. Hervorgegangen ist dieser Name aus den alljährlichen Karfreitagsprozessionen, die traditionell an den „Stationen” vorbeiführten. Schon in ältesten Chroniken als „Römerfahrt” bezeichnet, wechselte ihr Weg im Laufe der Zeit häufig. Erst Pfarrer Laurentius Berrisch (in Brühl tätig von 1845 bis 1883) gab dieser Traditionsprozession einen durch Kreuzwegstationen festgelegten Weg von der Uhlstraße über die Liblarerstraße, die Alte Bonnstraße (heute Römerstraße), die Kaiserstraße und die Kölnstraße. 1850 setzte er diesen Weg fest und begann, die benötigten Stationen aufzustellen. Hierfür ließ er Terrakotta-Reliefbilder des Leidensweges Christi in Form von Marterln anfertigen (Stückpreis 130 Taler); als 12. Station wurde vom Kölner Bildhauer Pfeifer ein neues Kreuz für die Ecke Kölnstraße/Kaiserstraße geschaffen, welches das „alte Kreuz vor der Cöllenportz” ersetzte. Dieses Kreuz war noch teurer als die Stationen, es kostete 143 Taler. All dieses Geld wurde damals durch Sammlungen und Stiftungen wohlhabender Familien aufgebracht. Immer dann, wenn wieder genug Geld beisammen war, kam eine neue Station dazu. Eingeweiht werden konnte der vollständige Kreuzweg dann am 2. August 1883 durch den Kapuzinerpater Leonardus Schulz. Damals aber schon war die Alte Bonnstraße längst zum „Stationenweg” geworden.

Heute ist der „Stationenweg” längst Geschichte, und auch die meisten der Marterln sind aus dem Brühler Stadtbild verschwunden. Zwei befinden sich noch an ihren angestammten Plätzen. Zum einen am St. Ursula Gymnasium (Ecke Kaiserstraße/Kurfürstenstraße) und zum anderen auf dem Dreieck zwischen Römerstraße und Kaiserstraße. Die letzten noch übriggebliebenen Terrakotta-Reliefbilder befinden sich inzwischen in der Nordwand des Marienhospitals, direkt an der Einfahrt zum Parkplatz (dies ist dann auch die Auflösung unseres Bilderrätsels). Einzig für das neugotische Kreuz in der Mitte der Kreuzung Kölnstraße/Kaiserstraße hat sich Erfreuliches getan: Es steht nicht mehr im Garten der Pestalozzischule, sondern wurde im Bereich der Kreuzung neu aufgestellt und entsprechend herausgeputzt.

War hier also die Karfreitagsprozession Begründer einer Brühler Historie, so sind für die Kartage noch andere Sitten und Bräuche überliefert, unter anderem musste auch der „Judas usjefäch” (ausgefegt) werden. In der Kirche wurde hierfür ein Bündel Werg mit der Osterkerze angezündet und verbrannt, wie Ernst Weyden es in seinem Buch „Köln vor 150 Jahren” noch für die Zeit um 1800 bezeugt hat. Und daheim wurde dieses „Judasusfäje” dann so fortgesetzt, dass man das ganze Haus vom Speicher bis zum Keller putzte und fegte und die Wohnstuben „gewiss” (getüncht) wurden.