„Der Job ist kein Beruf, sondern eine Berufung“
Vom 8. bis 16. März findet wieder die Brühler Frauenwoche statt. Zur 10. Auflage der beliebten Veranstaltungsreihe haben die Brühler Gleichstellungsbeauftragte Antje Cibura und ihre Stellvertreterin Susanne Skiba ein außergewöhnlich umfangreiches und attraktives Veranstaltungsprogramm exklusiv für Frauen konzipiert, das mit Ausnahme der Auftaktveranstaltung kostenfrei angeboten wird.

Für Antje Cibura wird es die letzte Frauenwoche als Gleichstellungsbeauftragte sein. Sie geht zum Jahresende in Pension. Wir haben mit ihr gesprochen.

BBB: Frau Cibura, in diesem Jahr findet die Frauenwoche zum 10. Mal in Brühl statt. Wie stolz sind Sie auf das Jubiläum? Wie groß wird in diesem Jahr der Unterschied sein zur ersten Frauenwoche?
Antje Cibura: Ich bin sehr stolz, denn die Frauenwoche war mein Baby. Sie hat sich von einem Doppelseite-Flyer zu einem kleinen Taschenbuch gemausert. 2014 waren es 11 Veranstaltungen, 2024 sind es 80 und wir mussten etwa 20 Interessentinnen absagen. Mittlerweile gibt es Referentinnen, die extra anreisen, um mitmachen zu können. Anfangs musste man die Frauen bitten oder überreden, teilzunehmen. Das Spektrum bedient jetzt auch jüngere Frauen, es sind zwei Startupperinnen mit Anfang 20 dabei, eine Coachin ebenfalls in den Zwanzigern und eine Märchenerzählerin im Alter von 77 Jahren. Wir starten den Auftakt mit dem Mitsingkonzert mit 500 Frauen im ausverkauften Clemens August-Forum. Das ist ein gigantischer Erfolg.

BBB: Worauf können sich die Frauen in diesem Jahr vor allem freuen, was ist neu?


Cibura: Neu ist u.a. Frauengesundheit als Thema: Wie schlagen Frauenherzen und was ist Gesundheitswandern? Wie reduziere ich Arthrose- und Rückenbeschwerden? Neu sind auch die erstmals sehr jungen Referentinnen, alle tolle Freundinnen meiner Kinder und damit Anfang bis Mitte 20.

Sexuelle Belästigung ist leider ein schwieriges Dauerthema. Es bekommt einen eigenen Workshop mit einer Frau vom Fach, der Ersten Kriminalhauptkommissarin des Polizeipräsidiums Frankfurt. Auch erstmalig im Fokus: Time out für Mamas und Konfetti im Alltag. Es gibt Angebote für junge Mütter, die durch Kahramanlar und Wilmas Tante, aber auch durch Familienkrankenschwestern eine Menge Unterstützung erfahren. Neu sind auch Frauentexte, deutsch-jüdische Dichterinnen des 20 Jahrhunderts werden besprochen, aber auch „Untenrum frei“ von Margarete Stokowski, mit der Antwort darauf, ob wir wirklich emanzipiert sind. Das Selbstbewusstsein spielt auch bei jungen Frauen eine große Rolle, das wissen die beiden Startupperinnen und beschreiben es als „den Schlüssel zur Welt“.

BBB: Wie weit ist Brühl in Sachen Gleichstellung? Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Cibura: Auf Kreisebene ist Brühl gut aufgestellt, sowohl personell als auch finanziell. Sieht man sich jedoch das Brühler Jahresprogramm der Gleichstellung mit etwa 90 Veranstaltungen, Seminaren und Workshops an, reichen m.E. weder Etat noch Personal aus. Trotzdem glaube ich, dass Brühl schon eine absolute Vorreiterin ist. Wir haben mit der Frauenwoche, dem Gender Award, den Führungskräfteseminaren oder tollen Veranstaltungen zum Internationalen Tag gegen häusliche Gewalt sehr hohe Maßstäbe gesetzt.

Auf kommunaler Ebene ist es gelungen, den Frauenförderplan über die letzten 11 Jahre umzusetzen und verstärkt in fast allen Bereichen Frauen in Führung zu bringen. Frauen wurden durch die Gleichstellungsbeauftragte immer wieder motiviert, sich zu trauen. Leider wurde die Parität weder im Erziehungsbereich noch bei der Feuerwehr umgesetzt. Augenblicklich ist der Trend auch leider wieder etwas rückläufig. Die Feuerwehr bekommt eine männliche neue Führung, der neue Dezernent ist wieder ein Mann, das Rechnungsprüfungsamt würde ebenfalls männlich nachbesetzt, das mag aber auch an der geringen Anzahl der Bewerbungen liegen, da sind wir froh, überhaupt besetzen zu können.

BBB: Ist es dann nicht kontraproduktiv, dass im Rahmen der Frauenwoche keine einzige Veranstaltung auch für Männer zugänglich ist? Lässt sich die Gleichstellung der Frau ohne die Sensibilisierung für das Thema und die Mitwirkung der Männer überhaupt erreichen?
Cibura: Die Frauenwoche heißt so, weil der Name Programm ist. Es ist ermüdend, es immer wieder argumentativ untermauern zu müssen. Es ist der geschützte Raum, der für jede Veranstaltung gilt und der zu respektieren ist. Die Gleichstellung ist hier auch gar nicht gefragt. Es ist die Frauenwoche! Ich bin Frauen und Gleichstellungsbeauftragte. Eine Gleichstellung ohne Sensibilisierung der Männer und deren Beteiligung wird es nicht geben, aber darum geht es in dieser Woche gar nicht.



BBB: Welchen Tipp haben Sie für Ihre Nachfolgerin? Worauf sollte sie unbedingt achten?
Cibura: Ich rate meiner Nachfolgerin, ihre Ziele nie aus den Augen zu verlieren, sich gut zu vernetzen und Unterstützerinnen zu suchen, in Frauenräten, der Politik, Arbeitskreisen, Stammtischen aber auch in der Personalverwaltung, dem Personalrat, Gleichstellungsgremien landes- und bundesweit und dem/der eigenen BürgermeisterIn …weil man sonst vereinsamt und verloren geht.

Das Alleinstellungsmerkmal und die Weisungsungebundenheit bieten viele Vorteile, aber man muss es mögen, sich täglich zu duellieren. Sie sollte nicht bis zur Selbstaufgabe diesen Job bedienen und wissen, dass das kein Kuscheljob wird. Der Erfolg wird gemessen an der Umsetzung frauenpolitischer Themen und persönlicher Notwendigkeiten, dabei gibt es eine Menge Reibungswärme.

Wichtig ist die Trennung von Person und Funktion, dafür habe ich auch lange gebraucht. Der Job ist kein Beruf sondern eine Berufung. Die nächste Gleichstellungsbeauftragte sollte sich ihre Themen suchen und Gleichstellung neu auflegen Alte Formate sind nach 10 Jahren überholt. Jetzt kommen Themen wie Agilität der Verwaltung, Digitalisierung und Diversität dazu. Es ist also ein guter Zeitpunkt, um neu zu starten oder glücklich zu gehen.

Ein Flyer des Programms liegt u.a. im Rathaus aus.