Bernhard Münch berichtet aus dem Archiv von Jakob Sonntag (1902-1991)
Vor 100 Jahren
Herbstkirmes „im Saal“
Wer in den heutigen Tagen über die gestiegenen Lebenshaltungskosten stöhnt, der sollte sich angesichts der Verhältnisse hier in Brühl vor genau 100 Jahren noch etwas zurückhalten mit seiner Verzweiflung. Denn es war schon einmal viel, ja, sehr viel schlimmer: zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in unserer Heimatstadt zwei traditionellen Ortsfeste, das Margaretenfest, also das Patronatsfest der Stadtpfarrkirche St. Margareta im Juli, und den im Stadtratsprivileg von 1885 festgelegten Jahrmarkt am ersten Sonntag nach dem Fest Kreuz-Erhöhung in der Septembermitte.
Aber vor genau 100 Jahren musste dieses Spektakel für Jung und Alt erstmals ausfallen, beziehungsweise in anderer Form stattfinden. Die Inflation hatte (nicht nur) Brühl fest im Griff: als Mitte September 2023 die Herbstkirmes hätte stattfinden sollen, befand sich die Geldentwertung in einer ganz rasanten Phase. Da betrug zum Beispiel am 21. September 1923 der Preis für ein Brötchen 10 Millionen Mark, der für eine Flasche Rheinwein lag bei 20 Millionen, und ein Liter Milch kostete stolze 9.200.000 Mark.
Die Brühler Wirte hatten bis zuletzt um die Austragung der gewohnten Festivitäten gekämpft, mussten sich aber nun auf eine “Kirmes im Saal” einrichten. Und so annoncierten sie denn allesamt ihre Tanz-, Konzert-, Variete- und anderen Veranstaltungen: der Ratskellerwirt Rösch, der Kronenwirt Adrio, der Postwirt Müller, der Kurfürstenwirt Klug vom Markt, der Gieslerwirt Keunenhoff und der Wirt Bendermacher vom Kölner Hof, sie alle luden zur Feier im Saale ein. Nur der Wirt vom vornehmen “Café-Konservatorium” an der Friedrichstraße hielt seine Räume geschlossen.
So also konnte jeder Brühler nach Lust und Laune, nach Brieftasche und Beziehung, seine Kirmes feiern. Kirmesgeschädigte waren eigentlich nur die Kinder, denn Buden und Karussells gab es nicht.
Vor 715 Jahren
Wappen für Brühl
(Das Brühler Wappen in einer Radierung von Franz Gold / Quelle und Repro: Archiv Jakob Sonntag)
Heute hat das Brühler Wappen einen festen Platz in der Außendarstellung unserer Stadt, es ziert nicht nur den Internetauftritt bruehl.de. Erstmals wurde unser Wappen im Jahre 1308 erwähnt: Das Schöffenkollegium bezeugte damals ein Siegel, welches Petrus, den Schutzpatron Kurkölns zeigt, umgeben von den Häuptern der sieben Brühler Schöffen. Dieses Brühler Wappen hat unsere Schlossstadt seitdem in verschiedener Ausgestaltung durch seine lange und bewegte Geschichte begleitet. Abgesehen einmal von einigen wenigen Jahren, da man in Rat und Verwaltung glaubte, sich „modern“ zu geben, und das Wappen allerorten durch ein stilisiertes „b“-Logo ersetzte. Zum Glück ist dieser geschichtsfremde Kurs inzwischen korrigiert, unser Wappen hat seinen „Nachfolger“ überlebt und wieder beerbt.
Vor 520 Jahren
Großbrand auf Kloster Benden
Kloster Benden in heutigen Vorort Heide stand am 10. September 1503 zum zweiten Mal innerhalb von 120 Jahren vollständig in Flammen. Wie bereits 1383 wurde hierbei nicht nur die gesamte Klosteranlage der Zisterzienser, sondern auch die Kirche völlig zerstört. Es dauerte damals immerhin 20 Jahre, bis am 7. Mai 1525 Kirche und Kloster wieder geweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden konnten.
Vor 310 Jahren
Grundsteinlegung
Der Kölner Generalvikar Arnold de Reux legte am 3. September 1713 den Grundstein für den Neubau des Franziskanerklosters. Die alten Gebäude waren zu klein und baufällig geworden. Der Landesherr Kurfürst Erzbischof Josef Clemens (1688 - 1723) ließ eine Gedenkmünze prägen, die auf einer Seite sein Bild und auf der anderen Seite neben der Jahreszahl 1713 die Inschrift: "Confirma hoc Deus in nobis" (Befestige, Herr, was Du in uns gemacht hast!) zeigte. Nach nur fünfjähriger Bauzeit konnte der neue Klosterbau bereits 1718 vollständig genutzt werden. Bis heute ist er in seiner grundlegenden Bausubstanz erhalten geblieben. Den Kreuzganz teilen sich heute die Pfarrei St. Maria von den Engeln und die Stadt Brühl, die einen Großteil er Anlage als Rathaus nutzt. So dient der einstige Kapitelsaal heute dem Rat der Stadt als Tagungsstätte.
Vor 260 Jahren
Kirchweihe
Die Pfarrkirche in Pingsdorf wurde am 18. September 1763 durch den Abt von St. Pantaleon, Prälat Johannes Felten, konsekriert. Die Kirche war seinerzeit auf die Initiative von Clemens August erbaut worden, ihre Bauzeit zog sich bereits von 1746 an hin, aber schon seit 1753 konnten Gottesdienste in der noch unvollendeten Kirche gefeiert werden.
Vor 260 Jahren
Mozart zu Besuch in Brühl
Ebenfalls vor 260 Jahren besuchte der gerade einmal siebenjährige Wolfgang Amadeus Mozart am 28. September 1763 gemeinsam mit seinem Vater Leopold und seiner Schwester Nannerl Brühl. Das junge Musikgenie soll damals auf der Orgel der Klosterkirche seine Kunst bewiesen haben, neben der Kirche besichtigte die Familie Mozart damals noch das Schloss und die Parkanlagen. Ein Eintrag in des Vaters Tagebuch weist den folgenden Spruch auf: "Zu Brühl, im englischen Gruß, ist gut logieren zu Pferd und zu Fuß."
Vor 135 Jahren
Christuskirche feierlich geweiht
Am 21. September 1888 vollzog der Generalsuperintendent der Rheinprovinz, Dr. Bauer, die Weihe der Evangelischen Kirche am Mayersweg. Pfarrer Richard Frickenhaus (1876 - 1920) heilt die Festpredigt. Die Kirche, in neugotischen Formen erbaut und gelb verklinkert, wurde nach Plänen des Kölner Architekten Freyse erbaut und hat insgesamt 45.000 Mark gekostet. Die Grundsteinlegung zum ersten evangelischen Gotteshaus in Brühl fand am 2. September 1886 statt, gerade einmal 2 Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung. Heute finden wir am Mayersweg jedoch nicht mehr das Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert, es fiel den Bomben des 2. Weltkrieges zum Opfer. Auf die Initiative von Brühl Ehrenbürger Georg Grosser jedoch, wurde an gleicher Stelle ein neues Gotteshaus errichtet.
Vor 110 Jahren
Trägerverein gegründet
Am 15. September 1913 gründete sich in Brühl ein gerichtlich eingetragener Trägerverein für den katholischen Gesellenverein, den Vorläufer der Kolpingsfamilie Brühl 1870. Da der Verein inzwischen über Grundvermögen verfügte war dies der erforderliche Schritt, um auch in Zukunft erfolgreich arbeiten zu können.
Vor 75 Jahren
Gründung des Brühler Heimatbundes
Peter Zilliken und Jakob Sonntag waren die treibenden Kräfte, auf deren Bestreben am 14. September 1948 der Brühler Heimatbund gegründet wurde. Als Verein zur Pflege der Heimatkunde gegründet, konnte man bereits ab dem 1. Januar 1951 die Brühler Heimatblätter als Vierteljahreszeitschrift herausgegeben. Nach dem allzu frühen Tod von Peter Zilliken war Jakob Sonntag lange Jahre Schriftleiter und Chronist der Heimatblätter.
Vor 30 Jahren
Schornstein gesprengt
Der Schornstein der Brühler Zuckerfabrik wurde am Mittwoch dem 22. September 1993 gesprengt. Exakt um 13:32 Uhr wurde das einstige Wahrzeichen des Brühler Osten mit einer gezielten Sprengung in weniger als 5 Sekunden dem Erdboden gleichgemacht. Spätestens hier endete damals auch die über 100-jährige Geschichte der Zuckerproduktion in unserer Heimatstadt. Heute erinnert nicht mehr viel an die Rübentransporte, die zwischen 1883 und 1993 das herbstliche Stadtbild mitgeprägt haben.