Jahrgang 2005
Öffnen
Powered by Spearhead Software Labs Joomla Facebook Like Button

Anfang des Jahres konnte die Kreissparkasse Köln ein außergewöhnliches Konvolut erwerben, das als fulminantes Kleinod dem Max Ernst Museum Brühl nicht nur einen konzentrierten Blick auf das malerische Werk des Künstlers ermöglicht, sondern auch die bemerkenswerte Vielfalt an indirekten Techniken Revue passieren lässt. Als wertvolle Ergänzung dieser Serie, die in der nächsten Ausgabe des Brühler Bilderbogens vorgestellt wird, erhielt die Kreissparkasse Köln ein besonderes und einmaliges Gemälde von Dorothea Tanning.
 
"Max in einem blauen Boot" entstand 1947, also fünf Jahre, nachdem sich die beiden Künstler in New York begegnet waren und ein Jahr nach der Hochzeit in Beverly Hills. Im Jahr der Heirat hatten beide gemeinsam in der Caresse Crosby Gallery in Washington ausgestellt und beide hatten an einem Malwettbewerb für den Hollywood-Film "Das Privatleben des Bel Ami" teilgenommen. Max Ernst erhielt mit seinem Gemälde "Die Versuchung des heiligen Antonius" den Preis und erwarb in Arizona, in dem nahe der Indianer-Reservate gelegenen Ort Sedona ein Stück Land. Ein Holzhaus, das 1947 durch ein Steinhaus erweitert wurde, bildete für die nächsten Jahre das Refugium des Künstlerpaares. Hier in der neuen Heimat, die mit ihren phantastischen Gebirgsformationen, ihrer unendlichen Weite und einer zeitlos nachdenklichen Stille auch heute noch die krude Schönheit der Natur vermitteln kann, malte Dorothea Tanning ihr einziges Porträt von Max Ernst.
 
Max Ernsts Exil im Exil
 
Die gemeinsame Flucht aus der Metropole New York in eine visionäre Wildnis - für Max Ernst ein Exil im Exil - bildet die Szenerie des Bildes. Die Front eines Wolkenkratzers auf der linken Seite steht für die Großstadt, die beide in einem blauen Boot verlassen. Das Ziel ihrer Reise ist eine vibrierende, scheinbar endlose Weite, über deren Horizont das Halbrund des Mondes und die Silhouette eines Felsens auftauchen. Eine Stoffdraperie auf der rechten Seite des Bootes ist mehrdeutig angelegt, lässt die Wogen des Meeres assoziieren. Auch der fahle Segelstoff, der die Großstadtkulisse und das Reisegefährt diagonal überspannt, vermittelt eine irritierende Kombination von verschiedenartigen Realitäten, unterliegt einer bildnerischen Metamorphose. Das Auge, der Kopf, der Schnabel und die Schwingen eines Vogels tauchen aus den Falten des Stoffes auf.
 
Prometheus der Moderne
 
Dorothea Tanning charakterisiert Max Ernst jedoch nicht durch die traditionellen berufsständischen Attribute wie Pinsel und Palette, sondern durch sein Wappentier, den Vogel, der als Symbol der Freiheit verstanden werden kann und der durch seinen schwerelosen Flug am Himmel eine andere Perspektive auf die Dinge hat. Zwei weitere Motive sind in ihr Porträt eingefügt: einerseits ein Schachbrett, das die Faszination des Künstlerpaares, aber auch anderer Surrealisten für dieses Spiel betont, und andererseits eine lodernde Flamme, die Max Ernst in seiner linken Hand hält und schützend umgibt. Hierdurch wird er zum Prometheus der Moderne stilisiert. Der Gott der griechischen Sage, dessen Name "der Vordenkende" bedeutet, gilt durch seinen Raub des Feuers als Freund und Kulturstifter der Menschheit. Dorothea Tanning weist mit ihrem Gemälde auf diese Sagengestalt hin, wobei der Aspekt der Erkenntnis das Werk und den Künstler auszeichnet und so faszinierend macht.
 
Dr. Jürgen Pech

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.