Jahrgang 2005
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Der Kunstfreund sollte die Werke von Max Ernst schmunzelnd betrachten“


 
Ich bin ein Künstler mit gesellschaftskritischem Anspruch“, schickt Günter Krüger im exklusiven Gespräch mit dem Brühler Bilderbogen voraus. Ich habe das Recht und die Pflicht, Max Ernst da zu verteidigen, wo er meiner Meinung nach falsch verstanden wird und wo Wahrheiten immer noch unter den Teppich gekehrt werden. In der Eröffnungsausstellung des neuen Max Ernst Museums vermisse ich einige wichtige Akzente. Darum darf ich auf mein neues Buch hinweisen. Es heißt Max Ernst macht Spaß – Fakten statt Legenden“ und ist eine nützliche Ergänzung zur Ausstellung im Museum.“

Das Buch ist eine in Form und Aufmachung ansprechende, reich bebilderte Textcollage, ergänzt durch etwa 50 Zitate und Zeugnisse von Zeitgenossen. Natürlich kommt auch Max Ernst selbst zu Wort, der nach Ansicht von Günter Krüger viel bescheidener war, wenn es um die Bewertung seiner Arbeiten ging. Der Autor erläutert die vielfältigen Techniken und Verfahrensweisen, die Max Ernst beim Bildermachen eingesetzt hat. Der Leser erhält auch eine Fülle von Informationen über die avantgardistischen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts, über die Motivationen der Künstler vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund.

Ohne Kenntnis des revolutionär gestimmten Zeitgeistes sind künstlerische Bewegungen wie DADA und Surrealismus nicht zu verstehen. Max Ernst darf daher nicht aus dem Sinnzusammenhang seiner Zeitgenossenschaft herausgerissen werden“, sagt Günter Krüger. Max Ernst hat selbst berichtet, dass er und seine Freunde damals den totalen Umsturz anstrebten. Meine Textcollage fügt wieder zusammen, was zusammengehört.“

Günter Krüger stellt die These auf, dass die DADAisten nicht zuletzt philosophische Spaßvögel und ideenreiche Satiriker waren, die den deutschen Spießer auf die Schippe nehmen wollten. Auch Max Ernst, der das geflügelte Wort Witz, Ironie und tiefere Bedeutung“ liebte, erfand für seine hintersinnig-humorvollen Bilder und Skulpturen witzige und ironische Titel. Spaßig sind auch die bronzenen Zwei Gehilfen“, die vor das Brühler Rathaus spucken.

Nicht stirnrunzelnd, sondern schmunzelnd sollte der Kunstfreund die Max Ernst-Werke betrachten“, meint Günter Krüger. Tatsache ist, dass der DADAmax zu den nicht gerade häufigen Spaßmachern und Humoristen der deutschen Kunstgeschichte zählt. Merkwürdig genug, dass dies bisher kaum aufgefallen ist!“

Ich bin kein Experte, aber ein Kenner“

Günter Krüger hat sich in Brühl in den rund dreißig Jahren, die er hier bereits wohnt, schon öfter den Ruf erworben, Sachen zu erkennen, die sonst kaum aufgefallen sind. Nicht selten ist er dabei angeeckt und auf Konfrontationskurs mit den Institutionen gegangen. Doch seine Verdienste für die Schlossstadt sind unumstritten. Seine Thesen zu Leben und Werk von Max Ernst werden sicherlich auch Widerspruch erfahren, durch die dadurch entstehenden Diskussionen aber einen wichtigen Beitrag leisten. Übrigens hat er sich einst selbst um das Max Ernst-Stipendium beworben. Ich bin kein Max Ernst-Experte“, gibt Krüger zu. Aber als freischaffender Künstler bin ich ein Kenner. Und ich wundere mich darüber, dass bis heute keine Auseinandersetzung mit Max Ernst als politisch-motivierter Künstler stattgefunden hat.“ Günter Krüger fühlt sich Max Ernst auch deshalb sehr verbunden, weil er sich selbst als politisch-denkenden Künstler sieht, der aus seiner sozialistisch geprägten Weltanschauung nie ein Geheimnis gemacht hat. Bis in die siebziger Jahre hinein war er ein gefragter Zeichner, dessen Karrikaturen u.a. im Spiegel veröffentlicht wurden. Er nahm Franz-Josef Strauß aufs Korn oder den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. In ganz Nordrhein-Westfalen zog er durch den Wahlkampf und machte mit vielen Jusos Straßentheater. Ihr Stück hieß Hanns an der Macht oder der Freiheitsschleyer“.

Es war eine politisch sehr erregte Zeit, sehr explosiv. Politisch-gesellschaftskritische Künstler hatten Hochkonjunktur. Doch nach der Entführung und Ermordung Schleyers durch die RAF geriet die ganze Szene in Verruf. Ich bekam keine Ausstellungen mehr und stand wohl auf einer Liste verdächtiger Menschen“, erinnert sich Günter Krüger. Mir wurde massiv gedroht. Und ich hatte den Eindruck, dass ich observiert wurde. Mir fiel auf, dass Leute auch bei strömendem Regen vor meinem Haus standen und es beobachteten. Es war wie in einem Kinofilm.“

Verdienste um Altstadtviertel

In Brühl war Günter Krüger schon vorher aufgefallen. Eher zufällig war er Anfang der siebziger Jahren zusammen mit seiner Frau, einer Lehrerin, nach Brühl gezogen. Sie landeten nach verschiedenen Wohnungen in einem alten Haus in der Pastoratstraße. Just in der Zeit, in der die Brühler Stadtväter beschlossen hatten, die nordwestliche Altstadt um die Kempishofstraße großflä-chig zu sanieren und mit Landesfördermitteln etliche alte Häuser mit historischer Bausubstanz abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Dagegen wehrten sich viele der Anwohner, auch Günter Krüger. Die Bürgerinitiative Rettet Brühl jetzt“ wurde gegründet. Und schaffte es, den Abbruch zu verhindern. Heute stehen die Häuser unter Denkmalschutz.

Doch Ende der siebziger oder Anfang der achtziger Jahre beschloss Günter Krüger, die Prioritäten in seinem Leben zu verschieben. Der politische Aktivist, der die Welt verbessern wollte, der dem Aufruf Willy Brandts – Geht weg von der Straße, geht in die Parteien und verändert sie.“ – gefolgt war, verfolgte keine politischen Interessen mehr, sondern richtete sein Hauptaugenmerk auf die Geschichte. Was ist in der Geschichte schief gelaufen, warum haben wir heute eine Warenwelt statt einer wahren Welt?“ fragte er sich.

Dabei kam ihm zugute, dass er von der Stadt damit beauftragt wurde, für die bevorstehende 700-Jahr-Feier Brühls im Jahr 1985 eine Ausstellung zu organisieren, die das Leben der einfachen Menschen beleuchtete. Lebensbilder aus sieben Jahrhunderten“ hieß die sehr erfolgreiche Ausstellung, die Günter Krüger zwei Jahre lang vorbereitete und die dann im Kreuzgang des Rathauses gezeigt wurde. Zu verdanken hatte er diesen Job dem damaligen Stadtdirektor Dr. Wilhelm Schumacher, mit dem er sich immer wieder fetzte und dann auch wieder arrangierte. Als er dessen Angebot ausschlug, Museumsdirektor zu werden, schien seine Karriere“ als Historiker ein jähes Ende zu nehmen.

Doch schon 1986 war er bei der Gründung der Brühler Museumsgesellschaft präsent. Die Idee eines Museums für Alltagsgeschichte war geboren und wurde von Günter Krüger und einigen Mitstreitern beharrlich weiterverfolgt.

Die Sammlung war bereits sehr umfangreich, es fehlte das passende Gebäude. Es dauerte bis 1995, bis der Traum verwirklicht werden konnte und das Museum auch dank der finanziellen Unterstützung der NRW-Kulturstiftung in einem alten Fachwerkhaus in der Kempishofstraße 15 eine Bleibe fand, das die Stadt Brühl zur Verfügung gestellt hatte. Günter Krüger wurde Leiter des Museums und unter dem Bürgermeister Willi Mengel auch städtischer Denkmalbeauftragter. Kurz darauf entstand in unmittelbarer Nähe zum Museum für Alltagsgeschichte unter Federführung Krügers in der alten Stellmacherei das wunderschöne Brühler Keramikmuseum, über das wir im Bilderbogen in der Vergangenheit ausführlich berichtet haben. In den letzten Jahren hat sich der 1990 wegen seiner herausragenden Verdienste um die landschaftliche Kulturpflege“ mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnete Günter Krüger besonders auf das Schreiben ganz unterschiedlicher Publikationen konzentriert. So vertritt er beispielsweise in seiner 2000 publizierten wissenschaftlichen Arbeit Collage und Kooperation“ vehement die These, der Stararchitekt des Barock, Balthasar Neumann, sei in Wirklichkeit nichts weiter als ein fähiger Bauleiter gewesen.

Günter Krügers Buch macht Spaß

Und nun hat sich Günter Krüger also Max Ernst gewidmet. Sein von Dr. Jutta Becher lektoriertes Buch Max Ernst macht Spaß, Fakten statt Legenden“ kann zum Preis von 36 Euro unter der Telefonnummer 0221/541680 im Kölner Verlag dieterklein.com bestellt werden.

Tobias Gonscherowski

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