Jahrgang 2006
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Einen Monat nach dem Abitur immatrikuliert sich Max Ernst am 20. April 1910 an der nahen Universität in Bonn, um Philologie zu studieren. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges belegt er neben Germanistik, Romanistik, Philosophie, Psychologie und Psychiatrie auch Veranstaltungen in Kunstgeschichte, die schon bald gegenüber dem philologischen Studium dominieren. Während dieser Zeit veröffentlicht er seine kritische und ironische Einstellung gegenüber Ruhm und Verehrung, die bereits in den Karikaturen der Abiturzeitung zum Ausdruck gekommen ist, vor einem größeren Publikum.
 
Seit 1906 erscheint neben der großen Bonner Tageszeitung "General-Anzeiger" die Wochenzeitung "Volksmund", deren gesellschaftliche Haltung mit dem Untertitel "Unser Wahlspruch: Gleiches Recht für Alle!" erläutert wird. Schon Ende des Jahres erhöht sich die Erscheinungsweise mit Ausgaben am Samstag und am Mittwoch. Während der "General-Anzeiger" mit 34.000 Exemplaren die große Zeitung der wohlsituierten und kaisertreuen Universitätsstadt bleibt, erreicht der"Volksmund", der in der Nordstadt von Bonn in der Breite Straße gedruckt wird, immerhin eine Gesamtauflage von 5.000 Exemplaren. Nach dem Tod von Josef Kroth, dem Gründer und bisherigen Leiter der Bonner Zeitung "Volksmund", kündigt die Redaktion ab Anfang Oktober 1912 neue Mitarbeiter und kritische Betrachtungen an, um "seine Leser über die bedeutenderen Erscheinungen auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiet in fachmännischer Weise zu unterrichten."
 
Max Ernst, der zu diesen neuen Mitarbeitern gehört, bezieht in seinen ersten drei Beiträgen gegen den Kritiker des "General-Anzeigers" Position und gibt schließlich in seinem Artikel vom November 1912 mit Vehemenz und Ironie folgende Anregung: "Wenn man den Ausdruck ,eigener Weg' in einer Kritik liest, so ist dies so zu verstehen: jungen Künstlern wird der Weg mühsam und schwer gemacht durch die Schimpfereien, die Gehässigkeiten des nichtverstehenden Publikums. (Das schlimmste Publikum sind immer die Kritiker). Ist der Künstler alt geworden und hat er das Publikum durch seine Ehrlichkeit und Konsequenz von dem Wert seiner Kunst überzeugt (es besiegt), so konstatiert es vergnügt, daß der Künstler seinen eigenen Weg ging. (Bekanntlich feiert man in diesem Jahr die Geburtstage so vieler fünfzigjähriger Dichter, ich mache den Vorschlag, in Zukunft die Geburtstage der 25jährigen Künstler zu feiern)."
 
Anspielungsreich verknüpft Max Ernst den fünfzigsten Geburtstag von Gerhart Hauptmann, der kurz zuvor gefeiert worden war, mit seiner Bloßstellung oberflächlicher Kunstrezeption. Auch die naturalistischen und spätimpressionistischen Bonner Künstler bleiben nicht verschont. Ebenfalls im November 1912 werden die folgenden Sätze veröffentlicht: "Im Obernier-Museum gibts jetzt eine Ausstellung Bonner ,Künstler'. Es ist kein einziges Kunstwerk da. Wenigstens keine einzige Sache, welche die Kunst um ein Haar weiterbringen könnte. Ist ja auch nicht nötig. Aber überflüssig ist es schon, daß solche Herdenkünstler jedesmal, wenn eine junge Richtung alt geworden ist (das ist sie immer, wenn ein Jüngeres des Jungen Feind geworden ist), daß solche Herdenkünstler das, was andere in ehrlichem Kampf durchgesetzt haben, aus Bequemlichkeit übernehmen oder es systematisch (manchmal geschäftsmäßig) ausbeuten. Sie sind die schlimmsten Feinde der Kunst. Sie sind gemeingefährlich vom Standpunkt des Fortschritts aus."
 
Dr. Jürgen Pech
 

 

 

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