Jahrgang 2007
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„Wir beziehen Stellung gegen rechts“

Am 9. November fand in Brühl bereits zum 17. Mal in Folge ein Schweigegang zum Gedenken an den 9. November 1938 statt. Damals hatten in ganz Deutschland und auch in Brühl Nazi-Trupps nachts Wohnungen und Geschäfte jüdischer Mitbürger zerstört. Die Brühler Synagoge wurde in Brand gesteckt. Mit der „Reichspogromnacht“ begann die brutalste Form der Judenverfolgung, der 65 Juden aus Brühl zum Opfer fielen.

Seit 1991 engagiert sich die Brühler Initiative für Völkerverständigung für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben von Deutschen und Ausländern und gegen jede Form von Rechtsradikalismus. Wir sprachen mit Peter Boos, dem Sprecher der Initiative.

 

BBB: Welche Aufgaben und Ziele hat sich die Brühler Initiative für Völkerverständigung gesetzt?

Peter Boos: Die Initiative möchte sowohl den Kontakt zwischen Brühlern und in Brühl lebenden Ausländern aufbauen und fördern, als auch möglicher Ausländerfeindlichkeit vorbeugen und entgegen treten. Sie hat sich außerdem zum Ziel gemacht, den Brühlern andere Kulturen und Sitten näher zu bringen sowie Verhaltensweisen von in Brühl lebenden Ausländern und deren Situation im „fremden“ Deutschland verständlich zu machen. Deshalb arbeiten wir bei zahlreichen Festen, Kultur- und Informationsveranstaltungen mit. Wir haben jetzt unser Büro seit einigen Jahren in der Gartenstraße im gleichen Haus, in dem die griechische Gemeinde untergebracht ist. Das Zusammenleben klappt wunderbar, ich bin mit der griechischen Gemeinde befreundet. Die Initiative wurde 1991 nach einigen fremdenfeindlichen Anschlägen in Deutschland, u.a. in der niederrheinischen Stadt Hünxe, gegründet. Nach diesen Anschlägen wurden in Brühl Telefonketten gebildet, einige sind abends quasi Streife gefahren. Zum Glück ist in Brühl in den Jahren nichts passiert. Um Gelder von der Landesregierung über die Stadt Brühl bekommen und diese verwalten zu können, wurde dann ein Förderverein gegründet. Wir finanzieren uns aus Spenden und den Mitgliedsbeiträgen des Fördervereins.

 

BBB: Neben dem Engagement für die Völkerverständigung hat die Initiative auch immer klar Stellung gegen rechts bezogen. Was leistet die Initiative konkret?

Boos: Wir wollen Stellung gegen rechts beziehen und gleichzeitig etwas für die Völkerverständigung tun. Alles, was der Völkerverständigung dient, versuchen wir zu fördern. Wir vermitteln z.B. zwischen Asylbewerbern und der Stadt Brühl. Wir setzen uns ein für Menschen, die von der Abschiebung bedroht sind, für Kriegsflüchtlinge. Wir haben sogar einmal einen Rückkehrer bis in den Kongo begleitet. Wir fördern Brühler Projekte mit ehrenamtlicher Hilfe und mit kleineren finanziellen Beträgen. Wir arbeiten mit im Haus der Kinder, in Familienzentren. Wir fördern Sprachunterricht und unterstützen die türkische Erzieherin in der KiTa Altes Forsthaus finanziell. Und die Arbeit lohnt sich. Ich bin sehr glücklich, wenn ich in die glänzenden Kinderaugen der Migrantenkinder blicke, wenn ich irgendwie helfen kann. Ich bin gerne auf dem Markt der Möglichkeiten im Rahmen der lokalen Agenda. Dort unterhalten sich die Leute friedlich zusammen. Ich habe den Eindruck, dass wir bei den Organisationen immer willkommen sind.

 

BBB: Wer arbeitet alles in der Initiative für Völkerverständigung mit?

Boos: Die Initiative ist ein runder Tisch von verschiedenen Organisationen und politischen Bündnissen. Fast alle politischen Parteien und ihre Jugendorganisationen sind vertreten, das Kollegium der beiden Brühler Gymnasien, Kulturvereine, das Begegnungscafe und einige andere. Unser Ehrenmitglied ist der Gründer Caspar Markard. Wir treffen uns einmal im Monat, jeweils am letzten Montag. Dem runden Tisch gehören u.a. Reiner Besse von Pax Christi, die Lehrerin des Max-Ernst-Gymnasiums Karin Sass-Blauhut, die ehemalige Lehrerin Johanna Weidner, Norbert Krausen von der Kolpingsfamilie Brühl 1870 und der Arzt Norbert Weyres an. Wir sprechen dann die aktuellen Probleme in Brühl an. Momentan organisiert der runde Tisch den Schweigegang am 9. November.

 

BBB: Wie lief der Schweigegang ab?

Boos: Wir trafen uns um 19 Uhr vor dem Rathaus Steinweg. Dann wurden die 65 Namen der jüdischen Opfer aus Brühl verlesen. Der Bürgermeister Michael Kreuzberg hat eine kurze Ansprache gehalten. Dann zogen die Teilnehmer mit 65 Kerzen schweigend durch die Kölnstraße, die Kaiserstraße zum Leopold-Bähr-Platz, wo am Judenfriedhof die Kerzen abgestellt wurden. Danach sind wir zur Gedenkstätte An der Synagoge gegangen.

 

BBB: Warum engagieren Sie sich in der Initiative für Völkerverständigung?

Boos: Ich habe immer Farbe bekannt und Position bezogen. Ich habe jetzt auch als Sprecher keine Bedenken. Es stört mich nicht, wenn ich bedroht werde. Es gibt in Brühl vielleicht zwei, drei Leute mit rechtem Gedankengut. Aber die zeigen sich ja nicht. Mir liegt viel daran, dass es mit der Initiative weiter geht, und meine Familie zieht da voll mit.

 

Zur Person

Peter Boos, 63 Jahre alt, ist gebürtiger Bornheimer und wohnt seit 40 Jahren in Brühl-West. Der verheiratete Vater zweier erwachsener Söhne ist seit zwei Jahren im Vorruhestand. Zuvor hatte der gelernte Karrosseriebauer u.a. bei der RKG und nach kurzer Arbeitslosigkeit zuletzt bei der Stadt Brühl als Straßenreiniger und Friedhofswärter gearbeitet. Peter Boos ist SPD-Mitglied, Gewerkschafter und seit einigen Jahren auch Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Pingsdorf. Die Initiative für Völkerverständigung wählte ihn vor drei Jahren zu ihrem Sprecher.

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