Jahrgang 2007
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„Der Unterricht soll weniger theoretisch sein“

Vier Bewerber hatten sich um die Nachfolge des langjährigen Schulleiters des Max Ernst Gymnasiums Christoph Bosse bemüht. Die Wahl der Schulkonferenz fiel schließlich auf Berthold Phiesel, der zuvor acht Jahre lang stellvertretender Schulleiter des Städtischen Gymnasiums in Rheinbach war. Der Brühler Bilderbogen stattete dem Mann, der voller Tatendrang und Ideen seine neue Aufgabe angeht, einen Besuch ab.

„Ich fahre jeden Morgen voller Freude nach Brühl“, sagt Berthold Phiesel, der nach wie vor mit seiner Frau im Kreis Ahrweiler lebt. Der Vater zweier erwachsener Kinder hat sich gut fünf Wochen nach seinem Dienstantritt schon einen ersten Überblick über sein neues Betätigungsfeld und die Stadt Brühl verschafft. „Es ist eine sehr schöne, überschaubare Stadt mit vielen Möglichkeiten“, so sein erster Eindruck. Auch dem Max Ernst Museum stattete er bereits einen Besuch ab, da er vom Namensgeber seiner Schule bislang lediglich wusste, dass er in Brühl geboren wurde und er ein interessanter Künstler war.

Berthold Phiesel stammt aus dem kleinen rheinischen Örtchen Berg. Er studierte in Bonn Mathematik und Wirtschaftswissenschaften. Seine Referandarzeit verbrachte der 54-Jährige in Tannenbusch. Dann arbeitete er ein Jahr an einer Privatschule in Bonn, bevor er ans Städtische Gymnasium nach Rheinbach wechselte. „Ich bin seit 28 Jahren Lehrer und habe in vielen Bereichen der Schule gearbeitet. Ich habe mich immer für die Lehrerfortbildung und neue Technologien interessiert“, erzählt der glühende FC-Fan, der sich in seiner Freizeit gerne aufs Rennrad schwingt und die Natur erkundet.

Nun ist Berthold Phiesel Chef über ein 90-köpfiges Lehrerkollegium und 1.200 Schüler. Er unterrichtet auch selbst noch acht Stunden in der Woche. Vier Stunden Mathematik in der Klasse 5 und vier Stunden Sozialwissenschaften in der Jahrgangsstufe 13. „Ich glaube, dass Max Ernst Gymnasium ist sehr lebendig und eine weltoffene Gemeinschaft, in der das Mitmenschliche eine wichtige Rolle spielt. Ich empfinde in der Schule eine sehr gute Lernatmosphäre, ein freundliches Miteinander. Ich habe es hier gut angetroffen. Hier wird jeder Schüler nach seinen Möglichkeiten gefordert und gefördert“, sagt er.


Drei Lernschwerpunkte

„Wir wollen uns am Max Ernst Gymnasium neuen Herausforderungen stellen und vor allem drei Lernschwerpunkte setzen. Wir wollen den bilingualen Zweig fördern, den naturwissenschaftlichen und den musisch-künstlerischen. Wir wollen Bildung und Ausbildung, nicht nur eine berufliche Kompetenz“, gibt der Schulleiter die Richtung vor. „Ich will meine Schüler auf das Lernen und Arbeiten im Zeitalter der Globalisierung vorbereiten. Die Abiturienten sollen in Zukunft in allen Teilen der Welt mit Fremdsprachen zurecht kommen. Wenn sie später einmal in Südamerika, Afrika oder Asien arbeiten wollen, brauchen sie dafür eine sprachliche Kompetenz“, sagt Berthold Phiesel. „Wir wollen diese sprachliche Kompetenz entwickeln. An dieser Schule wird Englisch, Französisch, Spanisch und Latein unterrichtet, außerdem gibt es eine Chinesisch-AG. Es gibt auch bilingualen Unterricht, wenn wir Fächer wie Erdkunde, Politik oder Geschichte in englischer Sprache unterrichten.“

Neben den Sprachkenntnissen sollen die Schüler auch etwas über die Kultur in den Ländern und die gesellschaftlichen Fragen lernen und z.B. wissen, welche Bedeutung Begriffe wie Demokratie oder Sozialstaat in anderen Ländern haben. Bestehende Partnerschaften zu einem Gymnasium in Frankreich sollen ausgebaut, neue geknüpft werden.

„Die zweite Herausforderung ist der mathematisch-naturwissenschaftliche Zweig. Unser wichtigstes Exportgut ist das Knowhow. Wir müssen junge Menschen in dieser Richtung vorbereiten und mehr fördern“, so Berthold Phiesel. „Wir müssen das Interesse und die Neugier an naturwissenschaftlichen Phänomenen, an Physik, Chemie, Biologie und Mathematik wecken. Der Unterricht sollte weniger theoretisch sein und mehr auf einer anschaulichen Ebene stattfinden.“

Neben der Förderung der Sprachen und der Naturwissenschaften ist die künstlerisch-musische Bildung der dritte wichtige Baustein im Konzept von Berthold Phiesel und seines Teams. „Wir haben mit der Kunst- und Musikschule einen ausgezeichneten Partner. Dieser Bereich ist schon stark und soll auch weiterhin gestärkt werden“, sagt der Schulleiter. „Wir kooperieren auch mit dem Max Ernst Museum. Einige Schüler machen dort bereits Führungen. Sie zeigen ihren Mitschülern ihre Lieblingswerke und holen sich dort hohe Anreize für die eigene Kreativität. Geplant ist, dass wir mit dem Museum einen Audio-Führer für Jugendliche aber auch für Erwachsene anbieten.“


Dreißig verschiedene AGs

Neben dem Unterricht bietet das Max Ernst Gymnasium viele Möglichkeiten im künstlerisch-musischen Bereich: Singen im Chor, eine Instrumentalgruppe, Zeichenkurse, Videoprojekte. Das schulische Kulturprogramm ist außerordentlich vielfältig. Veranstaltungen wie Weihnachtskonzerte oder Theatergruppen sind wichtig für die Schule und stets sehr gut besucht. „Wir wollen die Schule nach außen öffnen und einen Beitrag für das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Brühl leisten“, hofft Berthold Phiesel. „Wir wollen mit den politischen Institutionen zusammen arbeiten, mit den Sportvereinen. Durch die neue BTV-Halle werden wir beide voneinander profitieren.“

Schon lange sind die Zeiten vorbei, als mit Ende der 6. Stunde gegen 13 Uhr Feierabend an der Schule war. Heute gibt es ein großes Angebot an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, dreißig verschiedene Arbeitsgemeinschaften. Dabei können die Schüler individuell lernen und auch teilweise Abschlüsse erwerben. Dazu kommt die Hausaufgabenbetreuung nach Schulschluss, kurz HANS genannt. „Was jetzt noch fehlt, ist eine Mittagsverpflegung. Das ist aber mit Investitionen verbunden“, weiß Berthold Phiesel. „Ob die Stadt das langfristig plant, bleibt abzuwarten.“

In diesem Schuljahr wurden 157 Sextaner am Max Ernst Gymnasium eingeschult. „Wenn die Eltern ihre Kinder bei uns anmelden, ist das auch ein Beleg für eine gute Schule“, freut sich der Rektor. Die Schule hat einen guten Ruf. War sie früher eine reine Jungenschule, so sind mittlerweile die Mädchen in der Überzahl. Auch mit den schulischen Leistungen der Schüler ist Berthold Phiesel zufrieden: „Ich habe mir die Durchschnittsnoten des Zentralabiturs angeschaut. Das Niveau ist in Brühl auf jeden Fall gut.“

Das Max Ernst Gymnasium ist technisch gut ausgestattet. Aber der Schulleiter sieht dennoch Verbesserungsmöglichkeiten. „Ein Beamer in jedem Klassenraum wäre wünschenswert. Ich wünsche mir außerdem eine bessere Lehrer-Schüler-Relation, damit in kleineren Lerngruppen mehr Zeit mit dem einzelnen Schüler gearbeitet werden kann.“ Neben dem ursprünglichen Klassenzimmer räumt Berthold Phiesel auch dem „virtuellen Klassenraum“ gute Zukunftsperspektiven ein. Dieser virtueller Raum hat auch bereits einen Namen bzw. eine Internetadresse. Unter www.lo-net2.de finden sich unter dem Motto „Die Arbeitsumgebung für die Bildung“ vielfältige Übungsmaterialien, mit denen die Schüler selbständig lernen können. „Jeder kann sich mit Lerngruppen treffen und einen Beitrag leisten“, weiß der Rektor. „Die unterschiedlichen Referate werden z.B. ins Netz gestellt und stehen allen zur Verfügung.“ Fast alle Schüler haben inzwischen einen Internetzugang. Jeder kann sich anmelden, bekommt einen Benutzernamen und eine E-Mailadresse. Und dann kann es losgehen.

„Auch wenn das Internet die größte Bibliothek ist“, meint Berthold Phiesel. „Die zwischenmenschliche Kommunikation vor Ort bleibt trotzdem wichtig. Die Kommunikation ändert sich, wird aber nicht ersetzt. Der Bezug zur Schule und zu den Lehrern bleibt für die Schüler wichtig. Auch die Tafel mit Kreide wird so schnell verschwinden.“ Dennoch wird sich der Schulalltag verändern. „In der Schule der Zukunft werden die Schüler sicher auch mit einem Laptop, einem Notebook oder einem Produkt ähnlich dem i-Phone arbeiten. Das ist nur eine Frage der Zeit“, prophezeit Berthold Zwiesel. Am Max Ernst Gymnasium hat man die Herausforderung angenommen.

Tobias Gonscherowski


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