Jahrgang 2009
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Ich bin angetreten, um mich überflüssig zu machen“

(tg) Anfang August wurde im Rahmen des Projektes „Soziale Stadt Brühl-Vochem“ die neue Stadtteilmanagerin Luise Bruns der Öffentlichkeit vorgestellt. Inzwischen hat sich die Leiterin des Stadtteilbüros Brühl-Vochem in ihre neue Aufgabe eingearbeitet und sich einen Überblick über die künftigen Herausforderungen verschafft. Die ersten 100 Tage liegen fast schon hinter ihr. Grund genug für den Brühler Bilderbogen die 47-Jährige zum persönlichen Gespräch zu bitten.

Das Büro der neuen Stadtteilmanagerin befindet sich in der Hauptstraße 35. Es ist großzügig gestaltet, hell eingerichtet und durch die großen Schaufenster von außen gut einsehbar. Transparenz ist wichtig, so kann Vertrauen geschaffen werden. Früher hatte hier eine Versicherung ihr Büro unterhalten. Doch wie viele andere Dienstleister und Einzelhändler hat sie den Standort gewechselt. Noch vor wenigen Jahren gab es in der Hauptstraße eine Apotheke, ein Spielwarengeschäft, eine Dorfkneipe, ein Modegeschäft. Alle sind sie inzwischen weg.

Brühl-Vochem muss sich vielen Herausforderungen stellen: einer hohen Erwerbslosenquote, einem hohen Ausländeranteil (von mindestens 23 Prozent), einem geringeren Bildungsniveau und Sprachdefiziten, der Förderung der Wirtschaft, sanierungsbedürftige Wohnblocks oder einer neuen Planung des Thüringer Platzes. Diese Aufgaben geht Luise Bruns an. Sie hat bereits in der Vergangenheit jeweils vier Jahre lang vergleichbare Projekte in Düren und Gladbeck erfolgreich betreut. Jetzt kümmert sie sich um Brühl-Vochem.

Die soziale Kompetenz und das notwendige Fingerspitzengefühl einer erfahrenen Stadtteilmanagerin zeichnen Luise Bruns aus. Sie wird als Bindeglied zwischen der Verwaltung und den Bewohnern vor Ort fungieren und die vielfältigen Maßnahmen im Rahmen des Gesamtprojektes „Soziale Stadt Brühl-Vochem“ zusammen mit den Einwohnern umsetzen“, beschrieb Bürgermeister Michael Kreuzberg das vielfältige Aufgabengebiet der Stadtteilmanagerin bei deren Vorstellung.

Luise Bruns hat sich gleich in ihre neue Arbeit gestürzt. Sie machte sich mit den örtlichen Gegebenheiten in Vochem vertraut, veranstaltete bereits einen gut besuchten Tag der offenen Tür ihres Büros und erarbeitet die Vorlagen für die Beantragung von Geldern für die erforderlichen Maßnahmen. „Der Reiz meiner Aufgabe besteht darin, dass ich mit vielen ganz unterschiedlichen Menschen zu tun habe und mit immer neuen Themen“, sagt Luise Bruns. „Es ist eine Querschnittsaufgabe, kein Thema ist uninteressant. Und es ist ein Prozess, von dem man nicht weiß, wo er in drei Jahren hinführen wird.“


Projekt auf acht Jahre angelegt

Das zu 60 Prozent vom Land NRW und zu 40 Prozent von der Stadt Brühl finanzierte Projekt „Soziale Stadt“ ist auf acht Jahre angelegt. Luise Bruns ist zunächst mit einem befristeten Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattet. „Langfristig bin ich angetreten, um mich überflüssig zu machen“, sagt sie. „Die Aufgabe des Programmes ist, eine Nachhaltigkeit zu schaffen und dafür zu sorgen, dass in Zukunft die Probleme selbständig gelöst werden können. Wir wollen Strukturen aufbauen, um auf Probleme reagieren zu können. Wir wollen Vernachlässigungstendenzen verhindern und die Stärken des Stadtteils über eine Vernetzung und ein Miteinander festigen.“

Doch erst einmal gilt es, sich mit konkreten Zuständen zu befassen und diese zu verbessern. Themen gibt es genug. Die wichtigsten hat Luise Bruns plakativ in ihrem Büro auf vielen kleinen und großen, bunten Zetteln notiert und an eine Pinwand geheftet. Dort finden sich vor allem städtebauliche und soziale Themen.

Brühl-Vochem hat rund 5.600 Einwohner und sehr unterschiedliche Facetten. Einige Bereiche des Ortsteils weisen einen eher dörflichen Charakter auf, in anderen befinden sich schöne Einfamilienhäuser der Mittelschicht und es gibt große Wohnblocks der Gebausie. Neben Straßenzügen mit alteingesessenen deutschen Haushalten ist etwa im Viertel um die Matthäusstraße eine „Ghettoisierung“ und die Bildung einer Parallelgesellschaft festzustellen.

Die Menschen leben nebeneinander und nicht miteinander“, sagt Luise Bruns. „Unsere Herausforderung ist, auf die Menschen zuzugehen, um zu einem Dialog zu kommen.“ Im Vochemer Familienzentrum „Haus für Kinder“ in der Merseburger Straße sollen die sozialen Angebote für Familien ausgebaut werden: Erziehungsberatung, logopädische und motorische Angebote, Kochkurse für Alleinerziehende. Besonders wichtig sind auch Maßnahmen zur Sprachförderung. Gute Sprachkenntnisse bedeuten bessere Chancen in der Schule, bei der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt.

Aber nicht nur die Integration ausländischer Mitbürger steht im Mittelpunkt, auch die Förderung von sozial Schwächeren soll voran getrieben werden. Bildungsförderung und Armutsprävention, die Förderung der Finanzkompetenz junger Familien oder die Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ genießen eine hohe Priorität.


Leuchtturmprojekt Thüringer Platz

Neben den sozialen Themen gehören die städtebaulichen Notwendigkeiten zu den wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre. „Es geht um die Infrastruktur, um Missstände, die beseitigt werden müssen“, sagt Luise Bruns. „An erster Stelle ist der Thüringer Platz zu nennen. Auch die Neugestaltung des Schulhofs und des Bolzplatzes der Grundschule sowie viele Gebausie-Wohnungen und die Garagenhöfe kommen hinzu.“ Es besteht ein hoher Sanierungsbedarf, dem sich im Fall der 860 Wohnungen die Gebausie auch nach und nach annimmt. Mit einem Mieterfest feiert die Gebausie die Sanierung der ersten Wohneinheiten in den Häusern der Hauptstraße 1-7.

Das „Leuchtturmprojekt“ wird wohl aber der Umbau des Thüringer Platzes. „Das Projekt wird uns Jahre begleiten“, weiß Luise Bruns. „Frühestens 2011 werden wir dort mit der Umsetzung beginnen können.“ Vorher müssen erst noch zahlreiche Fragen geklärt werden, Feedback der Bewohner eingeholt werden. Immerhin: Potenzial ist da. Der Platz ist 120 Meter lang und bis zu 50 Meter breit. Der alte Baumbestand ist schön. Nachteilig sind der Bodenbelag, das teilweise unattraktive Ladenangebot und Sortiment, dunkle Ecken.

Bei der Neugestaltung des Thüringer Platzes sollen die Bewohner Vochems beteiligt werden. „Wir wollen bei Informationsveranstaltungen die Menschen zusammen- bringen und die vorhandenen Ressourcen nutzen“, sagt die Statteilmanagerin. „Die Leute sollen merken: Vochem hat etwas zu bieten.“ Luise Bruns will die Bevölkerung mit ins Boot nehmen, viel Öffentlichkeitsarbeit leisten. Sie will mit ehrenamtlicher Hilfe eine Vochemer Zeitung herausbringen, einen Stadtteilkalender veröffentlichen, einen Internetauftritt ins Netz stellen. „Vochem hat viel zu bieten. Viel Grün, Licht und Luft, gute Möglichkeiten der Naherholung. Und vor allem viele engagierte Menschen“, wirbt Luise Bruns für Vochem.


Viele Maßnahmen bleiben unsichtbar

Sie arbeitet täglich dafür, die Lebensbedingungen in Vochem zu verbessern. An Fördermitteln hat sie in enger Zusammenarbeit mit der Brühler Stadtverwaltung in Person von Claus Caspers, dem Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, und der DSK (Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft) als Projektkoordinatorin für das Jahr 2010 Maßnahmen in einem Volumen von rund 400.000 Euro beantragt. „Wenn der Thüringer Platz einmal umgebaut ist, kann man Ergebnisse unserer Arbeit auch sehen“, meint Luise Bruns. „Doch viele Maßnahmen bleiben unsichtbar oder werden kaum erfasst. Wenn etwa jemand einen Job bekommen hat, Kinder einen guten Abschluss gemacht haben. Das sieht man dann nur im gestiegenen Selbstbewusstsein der Leute.“ Aber auch das ist schon viel wert.

Tobias Gonscherowski



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