Jahrgang 2010
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„Ist das Kunst, oder kann das weg?”

aIm Rahmen der Aktion „Ab in die Mitte 2010 – Lebe Deine Stadt Brühl“ finden noch bis Ende Oktober eine Reihe von spannenden Kunstaktionen in Brühl statt. Einige wurden bereits durchgeführt. Die bekannten Brühler Künstler Gabriele Vorbrodt, Fredrik Erichsen, Sabine Endres, Frank Oelmann, Günter Wagner und Kohen Shaik Amin haben sich daran mit äußerst kreativen Beiträgen beteiligt. Wir haben mit ihnen im Brühler Restaurant Matis gesprochen, in dem jetzt die Muschelsaison eröffnet wurde.

Die Zeit für die Vorbereitung war relativ kurz. Nur rund sieben Wochen blieben den Brühler Künstlern, um Ideen zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“ zu entwickeln und umzusetzen. Da war neben Kreativität auch viel Organisationstalent  gefragt. Doch die Voraussetzungen waren auf der anderen Seite auch gar nicht einmal so schlecht, blieb doch auf diese Weise viel Raum für Spontaneität. Und die ist bei Straßenkunst ja durchaus von Vorteil.

„Die Grundidee war, Plätze ausfindig zu machen, die mit Kunstaktionen anders interpretiert werden können, als sie sonst im Alltag wahrgenommen werden“, erklärt Günter Wagner. „Wir Brühler Künstler sollten dafür sorgen, dass die Plätze auch durch provozierende Aktionen anders betrachtet werden. Jeder sollte für sich eigene Projekte entwickeln.“

Der Startschuss für die Aktionen fiel Anfang September. Sabine Endres und Frank Oelmann, beide Künstler des Studio 113 in der Wallstraße, widmeten sich mit gleich drei Kunstaktionen dem Thema „Vernetzung“. „Wir wollten, dass etwas passiert, dass die Leute mitmachen“, erklärt Frank Oelmann. Im Brühler Kaufhof sorgten sie dafür, dass Kinder und Erwachsene unter dem Motto „Brühl zieht an“ aus verschiedenen Materialien Kunstkleider entwarfen und schafften. „Wir hatten eine große Resonanz und rund 40 Teilnehmer“, freut sich Frank Oelmann. Die neue Mode wurde anschließend von den Menschen in Kunstkleidern auch in der Innenstadt vorgestellt und später im Schaufenster des Kaufhofs gezeigt.

Das zweite Projekt des Künstlerduos Endres/Oelmann war die Aktion „Kunst ins Rollen gebracht“. Dabei wurde zunächst eine große Kugel aus Draht, Stoff, Leder und anderen Materialien gebaut, die dann durch die Innenstadt gerollt und an verschiedenen ausgesuchten Stellen als Kunstprojekt platziert wurde. „Die Stadt war an dem Tag wegen des Stadtfestes wahnsinnig voll. So wurde die Kugel von vielen Menschen wahrgenommen“, erzählt Frank Oelmann. „Wir haben auch beim Max Ernst Museum Station gemacht, das gerade seinen 5. Geburtstag feierte. Die Reaktionen waren sehr positiv. Viele Menschen waren richtig begeistert, viele haben Fotos geschossen.“

Auch die dritte Aktion widmete sich der Vernetzung. Eine Skulptur galt es künstlerisch zu gestalten, zu umwickeln und zu verdrahten. Das fertige Kunstwerk stand dann einige Tage vor dem Kaufhof, fand dort viel Beachtung und wurde auch kaum verändert. „Für uns waren das die ersten Aktionen im öffentlichen Raum ohne Atelier und Malerei. Es hat großen Spaß gemacht“, zieht Frank Oelmann eine positive Bilanz. „Es war interessant, sich mit den Menschen zu unterhalten und ihre Reaktionen zu erfahren.“

 

„Kein Raum für Kunst”

Während die Aktionen von Sabine Endres und Frank Oelmann bereits abgeschlossen sind, ist das an vier Samstagen durchgeführte Projekt „Kein Raum für Kunst“ von Gabriele Vorbrodt und Fredrik Erichsen noch einmal am Samstag, den 9. Oktober auf dem Rathausvorplatz zu sehen. Dabei wird das in Brühl bereits bestens bekannte „Rote Sofa“ von Gabriele Vorbrodt in Verbindung mit dem Kubus von Fredrik Erichsen gesetzt, diesmal unter dem Motto „Delta“. Zuvor hatte die Kombination aus Sofa und Kubus bereits in der Wallstraße, auf dem Marktplatz und im Franziskanerhof gestanden. „Das sind geeignete Kunstplätze und kreative Landschaften in Brühl“, findet Gabriele Vorbrodt, die mit ihrem roten Sofa schon seit zwei Jahren durch Brühl „tourt“ und temporäre Kunsträume schafft und in den öffentlichen Raum trägt.

Auch Fredrik Erichsen baut seinen Kubus da auf, „wo meine Inspiration herkommt. Ich möchte den Ursprung von Bildern kriegen“, sagt der 30-jährige Künstler. Das kann in einer Kiesgrube genauso geschehen wie in einem Wald oder am Rhein, wo er bereits überall sein Kubus bereits überall aufgestellt hat. „Ich zeige, was der Kubus einfängt, ich erzeuge Aufmerksamkeit, wie er in wechselnder Umgebung wirkt“, meint Fredrik Erichsen.

„Der Kubus ist die perfekte Verbindung für mein Sofa“, findet Gabriele Vorbrodt. „Ich suche Raum für Kunst, er schafft Raum. Man kann darin eintreten und sich Gedanken machen.“ Die Auswahl der Plätze wurde sorgfältig vorgenommen. Anschauliche Plätze waren gefragt, nicht ansehnliche. „Je rotziger, je besser“, lacht Fredrik Erichsen. So entstanden auch lebhafte Diskussionen mit den Passanten. „Ist das Kunst oder kann das weg“, wurde gefragt. Irritationen kamen auf, Fragen, das Pro und Kontra wurde erörtert. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. „Eine tolle Idee fanden viele. Man empfände den Raum jetzt anders. Wir haben spannende Vorschläge bekommen“, sagt Gabriele Vorbrodt. „Es gab aber auch die Aufforderung, den Scheiß wegzuräumen. Wir haben alles genau beobachtet und wurden übrigens auch dabei von einer Mediengruppe des Cultra begleitet, die einen Film daraus machen, in dem auch Passanten zu Wort kommen. Wir lassen uns von dem Film, der am letzten Tag unseres Projektes gezeigt wird, überraschen.“

Neben den vielen Begegnungen kam es auch zu spontanen Aktionen in der Aktion. „Leute haben sich spontan mit eigenen Ideen beteiligt“, erzählt die Künstlerin. „Ein Mann hat aus einem Buch vorgetragen, eine Frau mit Hut sich hingesetzt. Es war ein Experiment für alle Seiten, eine spannende Erfahrung.“

 

Das „Rote Schwein” in der Stadt

Auch Günter Wagner hat schon vielfältige Erfahrungen gemacht. Sein Betrag zum Kunstprojekt ist das „Rote Schwein“, das noch bis Ende Oktober durch die Stadt wandert. Das rote Schwein ist ein regelmäßiger Begleiter des Künstlers und wurde von ihm an speziellen Punkten in der Stadt fotografiert. „Zum einen sind es Orte mit einer besonderen kulturellen Bedeutung wie das Schloss Augustusburg oder das Max Ernst Museum, zum anderen habe ich aber auch Orte gewählt, die für die Bürger eine gewisse Wichtigkeit besitzen, wie die Giesler-Galerie oder das KarlsBad“, sagt Günter Wagner. „Oder ich mache auf Problemzonen aufmerksam wie das Max Ernst Geburtshaus, das mehr oder weniger ungenutzt vor sich hin gammelt. Die Bilder laden jedenfalls ein, sich Gedanken über unsere Heimatstadt zu machen.“

Die neun oder zehn Bilder des roten Schweins vor verschiedenen Hintergründen werden regelmäßig ausgetauscht und an ständig wechselnden Orten in der Innenstadt präsentiert. In Geschäften, Kneipen oder städtischen Räumen kann man die gerahmten Bilder entdecken. Außerdem gibt es eine Kunstbox, auf deren Monitor weitere Aufnahmen in verschiedenen Diashows gezeigt werden. Auch der Standort der Box wechselt, zuerst stand sie im Café Bistro Buschheuer’s, dann in der Stadtbücherei und daraufhin im Eingangsbereich des Zoom-Kinos. Über den aktuellen Standort der Bilder und der Box kann man sich auf der Internetseite des Künstlers unter www.kunstcomic.de informieren.

„Ich habe keine direkte Konfrontation mit den Leuten“, meint Günter Wagner. „Ich bekomme die Resonanz von den Menschen, bei denen ich ausstellen darf und die die Patenschaften übernommen haben. Manchmal hat das Schwein zu angeregten Diskussionen in Lokalen geführt, manchmal nicht.“

 

Skulptur aus Eisenbahnschiene

Eine beeindruckende Metallskulptur hat der Brühler Bildhauer Kohen Shaik Amin

aus dem Teilstück einer Eisenbahnschiene angefertigt, die im Bereich der ehemaligen Zuckerfabrik gefunden wurde. Auch sie geht seit Anfang Oktober in der Brühler Innenstadt auf Wanderschaft. Die Skulptur wird an verschiedenen Plätzen im Stadtgebiet aufgestellt, bis sie letztendlich ihren festen Platz und bleibenden Standort im öffentlichen Raum einnehmen wird.

In der Kürze der Zeit haben die Künstler großartige Aktionen auf die Beine gestellt und bereits Ideen für kommende Veranstaltungen gesammelt. „Wir hätten gerne mehr Zeit gehabt und hätten uns dann auch besser abstimmen können“, bilanziert Günter Wagner. „Wir hätten dann auch mehr miteinander machen können und vielleicht eine andere Aufmerksamkeit erfahren, wenn alle Aktionen an einem Tag stattgefunden hätten und nicht jeder sein eigenes Ding gemacht hätte. Man hätte einen Kunstspaziergang durch die Stadt veranstalten können. Aber vielleicht ist das ja eine Idee für das kommende Jahr.“

Die Künstler haben sich gerne engagiert und so ihren Beitrag geleistet, das die Aktion „Ab in die Mitte“ zu einem Erfolg wird. „Mit Kunst bringen wir Leute und Leben in die Stadt. Es passiert etwas. Die Kunst ist ein wichtiger Bestandteil und macht Werbung für die Stadt“, sagt Gabriele Vorbrodt abschließend. Und davon profitieren alle.

Tobias Gonscherowski

 

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