„Jugendarbeit ist Vertrauensarbeit”
Das Jugendzentrum „City-Treff” hat Anfang November im Clemens August-Forum eröffnet und damit die rund zehnjährige Phase mit suboptimalen Übergangslösungen beendet. Entstanden ist ein hoch attraktiver Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 12 und 27 Jahren. Die Räumlichkeiten bieten auf 140 qm vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Eine gute Jugendarbeit ist der Brühler Stadtverwaltung enorm wichtig. Entsprechend wurde auch das Personal um eine Mitarbeiterin aufgestockt. Jenny Herre, Natalia Gül und Jörg Preßer betreuen die an fünf Tagen in der Woche geöffnete Jugendeinrichtung. Mit ihnen und dem zuständigen Abteilungsleiter Jürgen Frädrich haben wir uns zum prsönlichen Gespräch getroffen.
Der erste Eindruck ist stark. Im Clemens- August-Forum ist ein Jugendzentrum integriert worden, das kaum einen Wunsch offen lässt. Zentral gelegen mitten in Brühl soll der City-Treff für die jungen Leute in Brühl zum Anziehungspunkt werden. Direkt am Nord-Süd-Weg beheimatet erreicht man ihn über eine Außenteppe. Im ersten Stock bietet der City-Treff den Kids und Jugendlichen an fünf Tagen in der Woche ab 15 Uhr u.a. neben einem Billardtisch, einer Tischtennisplatte, einem Kicker, einer Playstation PS4 samt Beamer und einigen Brettspielen auch eine kleine Bühne sowie eine Küche. Rund 50.000 Euro wurden seitens der Stadt in die Einrichtung investiert.
„Wir haben lange auf den City-Treff warten müssen. Jetzt freuen wir uns, endlich die Ideen zu Aktionen und Projekten gemeinsam mit den Jugendlichen umsetzen zu können”, sagt Jenny Herre. In den vergangenen beiden Jahren waren die Angebote für die Brühler Jugendlichen auch coronabedingt herunter gefahren worden. Jetzt will das City-Treff-Team durchstarten und eine Wohlfühl-Atmosphäre schaffen.
Auch Angebote nur für Mädels
Neben den Möglichkeiten zum zwanglosen Zeitvertreib können die Jugendlichen im City-Treff auch für eher symbolische Beträge auch Snacks und Getränke bekommen.Eine Pizza Margherita gibt's beispielsweise schon für einen 1 Euro, scharzen Tee sogar umsonst. In der Küche hängt eine kleine Karte mit der Preisübersicht zu den Angeboten. Überhaupt kann die Küche auch zum gemeinsamen Kochen genutzt werden.
Die meisten Jugendzentren werden mehrheitlich von Jungs besucht, Mädchen sind noch in der Unterzahl. Um den City-Treff auch für sie attraktiv zu gestalten, bleiben die Mädchen künftig mittwochs unter sich. Es gibt auch einige spezielle Angebote für die Mädels wie etwa einen Boxkurs. Der neue Standort des City-Treffs bringt weitere Vorteile mit sich. So können die Jugendlichen auch an zwei Tagen die benachbarte Turnhalle für sportliche Aktivitäten nutzen. Mittwochs sind die Mädels an der Reihe, freitags die Jungs.
Die Voraussetzungen sind also ideal. Jetzt müssen die Jugendlichen, die durch die Pandemie zwei harte Jahre durchgemacht haben, die Angebote auch kennenlernen, nutzen und mit Leben füllen. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn Jenny Herre, Natalia Gül und Jörg Preßer sind erfahrene Streetworker, die in den letzten Monaten mit den Jugendlichen überall dort Kontakt hielten, wo diese sich gerne treffen: auf der Südwiese, am Thüringer Platz, am Balthasar-Neumann-Platz, am Franziskanerhof, am Nord-Süd-Weg, an der Astrid-Lindgren-Schule, am Drachenspielplatz und anderen Orten.
„Wir waren in den letzten beiden Jahren fast nur auf der Straße unterwegs und haben ein gutes Standing bei den Jugendlichen”, glaubt Jörg Preßer. „Jugendarbeit ist Vertrauensarbeit. Wir müssen die Interessen der Jugendlichen glaubhaft und mit Überzeugung vertreten. Sie haben auf öffentlichen Plätzen genauso ihre Rechte wie alle anderen auch."
Ganz wichtig für eine erfolgreiche Jugendarbeit sei es auch, die Regeln zu beachten. „Wenn wir die Jugendlichen draußen besuchen, sind wir ihre Gäste und halten dann ihre Regeln ein”, sagt Natalia Gül. „Wenn sie dagegen ins City-Treff kommen, geben wir die Regeln vor.” Im City-Treff gibt es selbstverständlich coronabedingte Einlasskontrollen. In der Regel reicht der Schülerausweis, mit dem die Jugendlichen dank der zweimal wöchentlichen Corona-Tests an den Schulen dokumentieren, dass sie getestet sind. Wer diesen nicht vorweisen kann, hat die Möglichkeit, sich durch einen durch die Mitarbeiter begleiteten Selbsttest den Zugang zu ermöglichen. Es gilt eine Maskenpflicht.
„Man kann gut mit den Jugendlichen reden”
Ansonsten setzt das City-Treff-Team die Grenzen, was erlaubt ist und was nicht. Gerade die Jugendlichen in der Pubertät loten gerne die Grenzen aus und rebellieren manchmal. „Aber das kennen wir, das ist ganz normal und kein Problem. Wir sagen dann ganz klar, bis hierhin und dann ist gut”, erklärt Jörg Preßer. „Man kann gut mit den Jugendlichen reden.”
Jörg Preßer und Jenny Herre sind schon lange in der Brühler Jugendarbeit aktiv, Natalia Gül ist zum 1. September zum Team gestoßen. Die 33-Jährige hat Sozialarbeit und Pädagogik studiert, in der Jugendhilfe in Erftstadt gearbeitet und war zuletzt im Projekt „Kurve kriegen” tätig, das sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert. In Brühl möchte sie schwerpunktmäßig Mädchen dabei helfen, „ihre Ressourcen zu aktivieren und Selbstvertrauen zu entwickeln”.
Jörg Preßer ist ein „alter Hase” in der Jugendarbeit. Er ist Diplom-Sozialarbeiter und seit fünf Jahren bei der Stadt Brühl beschäftigt. Er arbeitete vorher zehn Jahre lang in einem Jugendzentrum in der Altstadt von Bonn sowie stationär mit einer intensiv-pädagogisch betreuten Wohngruppe. Sein Schwerpunkt in Brühl ist Streetworking und Jugendarbeit.
Jenny Herre ist ebenfalls Diplom-Sozialarbeiterin. Bevor sie vor vier Jahren nach Brühl kam, arbeitete sie für die Flüchtlingshilfe der Caritas in Mettmann. Ihre Schwerpunkte sind die mobile und offene Jugendarbeit. Auch ihr ist die Betreuung von Mädchen ein „besonderes Anliegen”. „Viele Mädels haben leider ein weniger ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Ich möchte ihnen eine gute Energie mitgeben und dabei helfen ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Das ist ein großes Thema, das viel Zeit in Anspruch nimmt", sagt die 43-Jährige, die wie das gesamte Team immer wieder von größeren und kleineren Erfolgserlebnissen angespornt wird.
„Ich freue mich, wenn ich eine Entwicklung bei den Mädels feststellen kann, wenn sie selbsbewusst sind und nicht mehr zurückweichen”, sagt Jenny Herre. Jörg Preßer erinnert sich gerne an ein Pärchen, das sich in der Jugendeinrichtung kennengelernt und jetzt eine gemeinsame Wohnung bezogen hat. Auch ein Projekt wie die „Stadtoase”, bei dem Jugendliche u.a. zusammen Möbel bauen, ist ein Erfolg.
„Das soziale Lernen hat gefehlt”
Trotzdem hat die seit bald zwei Jahren alles beherrschende Corona-Pandemie die Jugendarbeit erschwert. Die Einschränkungen, die Schulschließungen, das Herunterschrauben der persönlichen Kontakte, fehlende Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in Vereinen oder in Jugendeinrichtungen bleiben nicht ohne Folgen, wie erste Studien belegen. „Das soziale Lernen hat gefehlt. Es ist sehr traurig zu sehen, wie viel verloren geht”, sagt Jörg Preßer. „Die Jugendlichen mussten auf viel verzichten in einer für die Persönlichkeitsentwicklung ganz wichtigen Phase.”
Sich gegen Regeln auflehnen, erste partnerschaftliche Erfahrungen sammeln, das Erlernen der Sozialkompetenz - all „die Beiwerke der Pubertät” so Preßer fanden wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt statt. Das führte bei vielen zu Resignation. „Deshalb ist es jetzt auch wichtig, dass die Einrichtungen zumindest geöffnet bleiben können, damit genau solche Entwicklungen sich nicht wiederholen”, meint Jürgen Frädrich. Noch sind die Corona-Zahlen für Brühl vergleichsweise relativ niedrig. Trotzdem wurde bereits die geplante Eröffnungsparty für den City-Treff abgesagt. Auch der Tag der offenen Tür musste leider verschoben werden. Die Lage kann sich wöchentlich ändern. So oder so ist das City-Treff-Team darauf vorbereitet.
Tobias Gonscherowski