Jahrgang 2006
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Luise und Philipp Ernst, die Eltern von Max, haben insgesamt neun Kinder. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit, die im Januar des Jahres 1888 in der Pfarrkirche in Büsbach stattfindet, kommt im Februar 1889 der Sohn Karl Maria zur Welt, der jedoch nur fünf Tage alt wird. Das zweite Kind, die Tochter Maria, wird ein Jahr später im Februar 1890 geboren. Ein fotografisches Doppelporträt zeigt sie im Alter von sechs Jahren mit dem um ein Jahr jüngeren Bruder Max, der am 2. April 1891 das Licht der Welt erblickt und die Reihe der Kinder fortsetzt. Kurz nach der Aufnahme stirbt im August 1896 auch das Mädchen, so daß Max Ernst für die nachfolgenden Sprösslinge des Ehepaares zum ältesten Bruder wird. Nach Max Maria Ernst, so sein Taufname, kommen im jährlichen Abstand weitere Kinder zur Welt: 1892 die Schwester Emilie Maria, 1893 die Schwester Luise Maria und 1894 der Bruder Karl Maria. 1896 folgt das Mädchen Berta Maria, das jedoch kurz nach der Geburt ebenfalls stirbt. Im Jahr darauf wird die Schwester Elisabeth geboren, und fast ein Jahrzehnt später erblickt 1906 schließlich Loni, das Nesthäkchen der Familie und die Lieblingsschwester von Max, ebenfalls das Licht der Welt.
 
Das fotografische Doppelporträt von Maria und Max nutzt Vater Philipp, von Beruf Taubstummenlehrer und in seiner Freizeit als Sonntags- oder Laienmaler künstlerisch aktiv, für eine zeichnerische Erinnerung an das Geschwisterpaar, die der Aufnahme im ersten Moment täuschend ähnlich ist. Bei genauer Betrachtung werden jedoch die Unterschiede deutlich: Die ältere Schwester hat nun ihre Hand auf die Schulter des Bruders gelegt, dessen Kopf sich nicht mehr an sie anschmiegt, sondern mit klarem und geradem Blick idealisierend dargestellt ist; gegenüber seiner Schwester wirkt der jüngere Max nun erwachsener und reifer. Diesen Eindruck unterstützt die leichte Erhöhung seines Kopfes, wobei der Charakter des Doppelporträts nicht nur durch die Haltung der Hände, sondern auch durch die kreisrunde Anlage der Komposition verstärkt wird.
 
Irrationelle Vorstellungs-Vermengung
 
Schon früh ist das Kind mit dem Erlebnis des Todes konfrontiert. Über ein halbes Jahrhundert später notiert der Künstler in seinen Erinnerungen, die 1962 unter dem Titel Biographische Notizen (Wahrheitgewebe und Lügengewebe)” veröffentlicht werden, als Fragestellung, die sich an einen Text des französischen Dichters René Crevel anlehnt: Was ist der Tod? Schwester Maria, sechsjährig, gibt den Geschwistern den Abschiedskuß. Stirbt in der Nacht.“ Und für das Jahr 1906 heißt es weiter: Der Vogelobre Hornebom. Ein Freund namens Hornebom, ein kluger, buntgescheckter, treuer Vogel stirbt in der Nacht; ein Kind, das sechste in der Reihe, kommt in selbiger Nacht zum Leben. Wirrwarr im Hirn des sonst sehr gesunden Jünglings. Eine Art von Ausdeutungswahn, als ob die eben geborene Unschuld, Schwester Loni, sich in ihrer Lebensgier des lieben Vogels Lebenssäfte angeeignet hätte. Die Krise ist bald überstanden. Doch dauert in des Jünglings Phantasie eine freiwillig-irrationelle Vorstellungs-Vermengung von Menschen mit Vögeln und anderen Lebewesen; und dies spiegelt sich wieder in den Emblemen seiner Kunst.“
 
Dr. Jürgen Pech
 

 

 

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