Jahrgang 2010
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Es gibt nichts Vergleichbares in der Kunstgeschichte”

Seit Ende Mai und noch bis zum 26. September zeigt das Max Ernst Museum Brühl des LVR die Ausstellung „Wrapped! Die Kunst von Christo und Jeanne-Claude aus der Sammlung Würth“. Zu sehen sind 70 Collagen, Zeichnungen, Skizzen, Objekte und Modelle des weltberühmten Künstlerpaares. Wir haben mit Dr. Achim Sommer, dem Direktor des Max Ernst Museums, über die aktuelle Ausstellung und das Museum gesprochen.

BBB: Was erwartet die Besucher der Ausstellung „Wrapped!“ von Christo und Jeanne-Claude?
Dr. Achim Sommer: Wir zeigen die erste große Ausstellung von Christo nach dem Tod seiner Frau Jeanne-Claude im November letzten Jahres. Es ist eine Ausstellung zu ihrem Gedenken und zu Ehren dieses außergewöhnlichen Künstlerpaares in Zusammenarbeit mit der Sammlung Würth. Wir präsentieren ausgehend von den frühen, verpackten und verschnürten Gegenständen wie einem Fahrrad aus dem Jahr 1962 oder einer 1:1-Ladenfront von 1964, wo durch Verdeckungen der Glasflächen das Innere unseren Blicken geheimnisvoll entzogen wird, alle wichtigen Großprojekte des Paares seit 1968. Zu sehen sind Studien, Skizzen und Collagen, die im Vorfeld der landschaftlichen oder urbanen Projekte angefertigt wurden. Das Herzstück unserer Ausstellung bildet ein großes Modell des verhüllten Reichstags mit sieben teils großformatigen Arbeiten. Auch die beiden noch nicht vollendeten Werke, die „Works in Progress“, sind vertreten. Zum einen das gigantische Projekt „The Mastaba“ für die Vereinigten Arabischen Emirate, bei dem 390.500 Ölfässer aufeinander gestapelt werden. So soll ein Kunstwerk entstehen, das höher sein wird als die Pyramiden von Gizeh. Zum anderen handelt es sich um „Over the River“. Dabei soll der Lauf des Arkansas-Flusses in Colorado mit Stoffbahnen überspannt werden. Zu diesen beiden spektakulären Projekten wird Christo persönlich am 15. Juni im Museum berichten.


BBB: Was hat die Kunst des Künstlerpaares besonders ausgezeichnet?
Dr. Sommer: Das Besondere an der Kunst von Christo und Jeanne-Claude ist, dass im Moment der Verhüllung, der in Anbetracht der langen Vorbereitungszeit einem gleichsam plötzlich vor Augen steht, und das Projekt in allen seinen sinnlichen und geistigen Aspekten Gegenwart geworden ist, sich die faszinierende Kraft der Kunst von Christo und Jeanne-Claude offenbart: Sie lässt uns die Wirklichkeit neu und anders sehen! Ferner haben sie ihre abwechslungsreichen Projekte immer komplett selbst finanziert und auf Sponsorengelder oder öffentliche Zuschüsse verzichtet. Bemerkenswert ist auch, dass es manchmal Jahrzehnte von der Planung bis zur Realisierung ihrer Vision dauerte. Es mussten oft massive Widerstände durchbrochen werden und es galt, anhaltende Überzeugungsarbeit zu leisten. Die am Ende des kreativen Prozesses stehende Projektumsetzung war nur für kurze Zeit zu sehen und wurde dann abgebaut und recycelt, das Werk verschwand spurlos. Eine Ästhetik der Vergänglichkeit bestimmt ihre Kunst, die autonom und jenseits aller Nutzbarkeit und Zweckmäßigkeit agiert. Das Kunstwerk erscheint, verblüfft Millionen von Menschen und vergeht. Es gibt nichts Vergleichbares in der Kunstgeschichte.


BBB: Das Max Ernst Museum feiert in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen. Sie sind seit vier Jahren als Museumsdirektor dabei. War es aus Ihrer Sicht bislang eine Erfolgsstory?
Dr. Sommer: Ja, unbedingt. Das kann man so sagen. Wir erwarten in diesem Jahr den 300.000. Besucher bzw. Besucherin. In Anbetracht der Konkurrenz der größeren Häuser in Köln und Bonn behaupten wir uns gut. Unser Konzept hat sich bewährt. Die ständige Präsentation wird als „Schausammlung im Wechsel“ durch hochkarätige Leihgaben ergänzt und lebendig gehalten. Darüber hinaus unternehmen wir mit der Unterstützung von Werner Spies Anstrengungen, um andere bedeutende Künstler wie Paul Klee, Jean Tinguely, Neo Rauch, Tomi Ungerer, David Lynch oder jetzt Christo und Jeanne-Claude präsentieren zu können. Dazu erscheinen ansprechende Kataloge und Publikationen. Die Zukunft des Museums ist dank der Übernahme der Trägerschaft durch den LVR vor knapp drei Jahren gesichert. Durch den LVR-Museumsverbund sind wir in der Lage, auf zusätzliches Fachpersonal bei Auf- bzw. Abbau von Ausstellungen oder beispielsweise bei der restauratorischen Betreuung zurückgreifen zu können. Das ist wichtig, weil es enorm dabei hilft, unser Programm dem Anspruch entsprechend ausgestalten zu können.

BBB: Was waren Ihre ganz persönlichen Highlights?
Dr. Sommer: Meine erste Ausstellung hier im Museum zu Paul Klee gehört sicherlich dazu. Es erfüllte mich mit Freude und Genugtuung, in kürzester Zeit anspruchsvolle Aufgaben und weitreichende Anforderungen erfolgreich bewältigt zu haben und diese Arbeit dann fortführen zu können. Das geht natürlich nur mit einem hochmotivierten Team und der Unterstützung aller Beteiligten. Die Realisierung von Wechselausstellungen ist neben der Vermittlung des Werkes von Max Ernst immer wieder eine Herausforderung.


BBB: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Dr. Sommer: Ich fühle mich im Rheinland sehr wohl. Ich habe hier in Brühl eine schöne Aufgabe, die ein hohes Maß an Flexibilität und Diplomatie verlangt. Alles muss schließlich ineinander greifen. Ich freue mich auch über die gute Zusammenarbeit mit der Max Ernst Gesellschaft, die das Museum großartig unterstützt und uns gerade über die Stiftung Max Ernst ein bedeutendes Gemälde unseres Hausherrn hat zukommen lassen. Ich bin gerne in der Jury des Max Ernst Stipendiums und des Joseph und Anna Fassbender-Preises. Es ist immer eine Freude, mit den Werken junger Künstler und Künstlerinnen umzugehen, Neues zu entdecken und das im Kontext eines Preises, den Max Ernst noch selbst mit angestoßen hat. Das gefällt mir sehr.

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